ternet erhalten. Dafür wird Para-
graf 188 im Strafgesetzbuch er-
weitert, der Beleidigungen gegen
„Personen des öffentlichen Le-
bens“ unter Strafe stellt. Sie höre
immer häufiger, dass Verant-
wortliche vor Ort Beschimpfun-
gen nicht mehr ertragen, sagte
Lambrecht. Das dürfe eine wehr-
hafte Demokratie nicht zulassen.
Auch zivilgesellschaftlich enga-
gierte Bürger sollen besser vor
Hass und Hetze geschützt wer-
den. So will die Koalition das
Melderecht ändern, damit die
Adressen von Betroffenen besser
geschützt werden können.
Auch das Waffenrecht soll ver-
schärft werden: Wer Mitglied in
einer verfassungsfeindlichen
Vereinigung ist, soll künftig kei-
nen Waffenschein bekommen.
Anträge auf einen Waffenschein
sollen eine Regelanfrage beim
Verfassungsschutz nach sich zie-
hen. Die Bundesregierung will
zudem den Inlandsgeheimdienst
und das Bundeskriminalamt bes-
ser ausstatten. Die Verfassungs-
schützer sollen Rechtsextremis-
ten intensiver als bislang beob-
achten, und die Behörden sollen
mehr Finanzmittel und Personal
für rechtsextrem motivierte Kri-
minalität bekommen.
Für die Initiativen, die parallel
zur Regierungspräsentation vor
der Presse ihren Protest bekun-
den, ist das aber alles noch nicht
genug. „Wir erleben eine him-
melschreiende Groteske“, sagt
der Gießener Antisemitismusfor-
scher Samuel Salzborn. „Wir hö-
ren seit Jahren Erklärungen ge-
gen Antisemitismus, die richtig
und wichtig sind. Und zeitgleich
haben wir seit Jahren fehlendes
Handeln.“ Die Träger würden im-
mer nur kurzfristig unterstützt
und dann wieder alleingelassen.
Nur mit verlässlichen, auf Dauer-
haftigkeit angelegten und regel-
haft finanzierten Strukturen
könne dem wachsenden Rechts-
radikalismus und Antisemitis-
mus begegnet werden. mit AFP
DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT DONNERSTAG,31.OKTOBER2019 POLITIK 5
A
m Mittwoch hat die Re-
gierung ein Maßnahmen-
paket gegen Rechtsextre-
mismus und Hasskriminalität auf
den Weg gebracht, das die Ver-
schärfung einiger Gesetze vor-
sieht. Konstantin Kuhle, innen-
politischer Sprecher der FDP-
Bundestagsfraktion kritisiert
„die falsche Prioritätensetzung“.
VON HEIKE VOWINKEL
WELT:Nach Halle hieß es, Wor-
ten müssten Taten folgen. Nun
will die Regierung Betreiber
großer sozialer Netzwerke zur
Anzeige bestimmter Delikte
verpflichten. Warum ist die
FDP dagegen?
Konstantin Kuhle: Es ist noch
überhaupt nicht klar, auf welche
Straftatbestände sich etwa die
Anzeigepflicht bezieht. Sollte die
verschärfte Bestrafung von Belei-
digungen im Internet auch da-
runter fallen, sehen wir als FDP
das kritisch. Man kann das Inter-
net nicht anders behandeln als
die reale Welt. Wir haben zudem
jetzt schon bei der Justiz nicht
genügend Leute, um diese Fälle
zu bearbeiten und oft fehlt hier
auch die digitale Kompetenz. Da
hätte ich mir von Frau Lam-
brecht zuallererst eine personel-
le und finanzielle Stärkung der
Justiz gewünscht. So ist das die
falsche Prioritätensetzung.
Aber das liegt nicht in ihrer
Kompetenz, sondern in der der
Länder.
Diese Regierung hat sich mit dem
Pakt für den Rechtsstaat im Koali-
tionsvertrag darauf geeinigt, dass
man sowohl bei der Polizei als
auch der Justiz über eine gemein-
same Finanzierungsinitiative
mehr Stellen zur Verfügung stellt.
Da sagt die Justizministerin,
der Bund habe ja mit seinem Fi-
nanzierungsbeitrag seinen An-
teil zu den 2000 zusätzlichen
Stellen geleistet.
Wenn allen klar ist, wie eng die
Besetzung ist, warum macht man
dann den Pakt für den Rechts-
staat nicht noch mal auf und
stellt darüber hinaus zusätzliche
Mittel bereit? Ich mache mir Sor-
gen, dass wir wieder zahnlose Ti-
ger ins Recht schreiben, die am
Ende zu keiner Verbesserung des
Diskussionsklimas im Netz füh-
ren. Ich sehe zudem die Gefahr,
dass noch mehr Verantwortung
bei den Privaten also den Platt-
form-Anbietern landet und noch
weniger beim Staat.
Aber warum sollten die Platt-
form-Betreiber nicht auch für
Inhalte haften, so wie dies Ver-
lage ja auch für Inhalte auf ih-
ren Plattformen tun?
Natürlich darf man die sozialen
Netzwerke nicht aus der Verant-
wortung entlassen. Das Netz-
werkdurchsetzungsgesetz
(NetzDG) enthält durchaus auch
gute Ansätze, wie die Regelung,
dass sie einen Zustellungsbevoll-
mächtigten im Inland benennen
müssen. Aber statt jetzt Beleidi-
gungen im Netz noch stärker zu
bestrafen und womöglich auch
noch für Plattformbetreiber an-
zeigepflichtig zu machen, müsste
neben einer Stärkung der Justiz
vielmehr auch darüber nachge-
dacht werden, wie das Zivilrecht
gestärkt werden kann.
Und wie könnte es gestärkt
werden?
Nehmen wir den Beschluss des
Landgerichts Berlin zu offenkun-
digen Beleidigungen gegen Frau
KKKünast. Die Kollegin wollte ja aufünast. Die Kollegin wollte ja auf
zivilrechtlichem Wege die IP-
Adressen der Beleidiger herausbe-
kommen und ist am Gericht ge-
scheitert. Dieses Verfahren muss
erleichtert werden, sodass es wie
beim Urheberrechtsverfahren ei-
nen speziellen Auskunftsanspruch
fffür Betroffene gibt, der von Ge-ür Betroffene gibt, der von Ge-
richten überprüft und dann zügig
umgesetzt werden muss.
Warum sollten schwere Belei-
digungen nicht auch von den
Plattformen-Betreibern ange-
zeigt werden?
Eine Beleidigung liegt dann vor,
wenn sich jemand beleidigt fühlt,
deshalb ist das ein Antragsdelikt
und der Betroffene muss selbst
eine Anzeige erstatten. Das sollte
auch in Zukunft so bleiben.
wiesen haben. Rund um den 30.
Jahrestag des Mauerfalls kann es
in und um Berlin auch eine tat-
sächliche Raumknappheit geben.
Zumal Platz für rund 450 Leute
benötigt wird. Denn wie in den
meisten Landesverbänden soll es
auch hier ein Mitgliederparteitag
werden: Alle, die ein Berliner
AAAfD-Parteibuch besitzen, dürfenfD-Parteibuch besitzen, dürfen
kommen und abstimmen.
Dennoch ist angesichts vieler
ääähnlicher Fälle in anderen Bundes-hnlicher Fälle in anderen Bundes-
ländern und auch vorher schon in
Berlin nicht ernsthaft zu bezwei-
fffeln, dass jedenfalls ein Teil der ak-eln, dass jedenfalls ein Teil der ak-
tuellen Absagen in der Hauptstadt
mit dem zu tun hat, was Pazderski
so umschrieb: „Es wird gegenüber
den Wirten mit Gewalt gedroht,
aaaber auch gegenüber den Familienber auch gegenüber den Familien
und Mitarbeitern. Nach dem Mot-
to ‚Wir wissen, wo ihr wohnt‘.“ Je-
ne Personen wollten verhindern,
so Pazderski, dass die AfD ihren
gesetzlichen Pflichten zur Vor-
standsneuwahl nachkommt. Paz-
derskis Stellvertreterin Beatrix
von Storch sagte: Die Demokratie
werde „dysfunktional“, wenn eine
im Berliner Abgeordnetenhaus
vertretene Partei weder tagen
noch wählen könne und „einfach
aus dem Diskurs ausgeschlossen“
werde.
Ergebnislos blieben bisher die
Versuche der AfD, den Parteitag
in Räumen im Besitz der Stadt
oder der Bezirke abzuhalten. Paz-
derski wandte sich in der vergan-
genen Woche per Brief an den Re-
gierenden Bürgermeister Michael
Müller (SPD), schilderte die Pro-
bleme der Partei bei privaten Ver-
mietern. Er verwies darauf, dass
nach AfD-Kenntnis vier öffentli-
che Räumlichkeiten in der Stadt
für einen Parteitag geeignet sei-
en. Doch hierbei, so Pazderski in
dem Brief, hätten die jeweils ver-
antwortlichen Bezirke neuer-
dings „alle Nutzungsverordnun-
gen so gefasst, dass landesweite
politische Veranstaltungen, wie
zum Beispiel Landesparteitage,
nicht mehr erlaubt sein sollen“.
Da dies im konkreten Fall die La-
ge für die AfD noch schwieriger
mache, hoffe die Partei nun „auf
die Unterstützung des Senats in
dieser Angelegenheit“.
Pazderski blitzte ab. Senats-
sprecherin Claudia Sünder sagte,
„dass weder der Regierende Bür-
germeister alleroberster Saalver-
mieter in Berlin ist noch die Se-
natskanzlei die Organisations-
zentrale der AfD“. Es sei „eini-
germaßen absurd anzunehmen,
dass die Senatskanzlei dafür zu-
ständig ist, Räumlichkeiten für
Veranstaltungen für Parteien zur
Verfügung zu stellen“. Dies be-
treffe Anfragen von Parteien so-
wohl der rot-rot-grünen Koaliti-
on als auch der Opposition.
Keinen Beleg gibt es für die
Mutmaßung, der AfD-Landesvor-
stand verschleppe den Parteitag
und schiebe die Raumfrage sowie
Gewaltandrohungen nur vor.
Zwar stehen Pazderski und von
Storch in der Berliner AfD tat-
sächlich unter Druck, weil sie
manchen als zu moderat gelten.
Bei einer Vorstandsneuwahl
könnten sie Konkurrenz vom völ-
kischen „Flügel“ und dessen An-
hängern bekommen. Würden
Pazderski und von Storch am 9.
und 10. November in Berlin nicht
bestätigt, wären ihre Chancen
auf eine Wiederwahl in den AfD-
Bundesvorstand beim Bundes-
parteitag am ersten Adventswo-
chenende in Braunschweig noch
schlechter als ohnehin. Aber
nach WELT-Informationen wird
auch in Berliner Rechtsaußen-
Kreisen der AfD nicht bezweifelt,
dass der Hauptstadt-Vorstand
bei der Suche nach Räumen für
den Landesparteitag tatsächlich
mit riesigen Problemen zu kämp-
fen hat.
„Die
Justiz hat
schon
jetzt nicht
genügend
Leute“
FDP kritisiert
Anzeigepflicht
für Twitter
und Facebook
KKKritisiert die Pläne der Regierung: Konstantin Kuhle,innenpoliti-ritisiert die Pläne der Regierung: Konstantin Kuhle,innenpoliti-
scher Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion
PA/ DPA
/ CHRISTOPH SOEDER
Zumindest
ein Versuch
Die Regierung beschließt ein
Paket gegen Rechtsextremismus.
Auch die Prävention soll
verstärkt werden.
Doch zivilgesellschaftliche
Initiativen meutern.
Sie fühlen sich verschaukelt