18 ZÜRICH UNDREGION Donnerstag, 31. Oktober 2019
Der Feinstaub ist das Problem
Wer pflanzliche Abfälle in Brand steckt, kann schnell einmal mit dem Gesetz in Konflikt geraten
ALOIS FEUSI
Er wusste nicht, wie ihm geschah, als
am 17.August 2018 die Feuerwehr mit
Löschfahrzeug und Blaulicht heran-
brauste und danach auch noch diePoli-
zei bei seinem Grundstückam Dorfrand
von Glattfelden eintraf. Und dass er
schliesslich vom Statthalteramt Bülach
einen Strafbefehl mit einer Busse von
200 Franken plusKostenauflage von 250
Franken erhalten würde, hätte der rund
40-jährige Einfamilienhausbesitzer nicht
in seinen wirrstenTräumen erwartet.
Am Dienstag nun stand er wegen
dieses Strafbefehls vor dem Bezirks-
gericht Bülach. Er hatte die Strafe nicht
akzeptiert und Einspruch erhoben. Er
fühle sich nicht schuldig, erklärt der
Mann dem Einzelrichter, und er habe
lediglich mit gesundem Menschenver-
stand gehandelt, als er beschloss, seinen
Gartenabraum zu verbrennen.
Auf die falsche Gemeinde gesetzt
Wie schon oft hatte der Mann an jenem
Freitagnachmittag auf einem Beet mit
Blechummantelung Gartenschnitt und
Geäst zu einem Haufen gestapelt und
in Brand gesteckt. Und wie gewohnt
hatte er einen unter Druck stehenden
Gartenschlauchzur Hand,um die allfäl-
lige Ausbreitung der Flammen verhin-
dern zukönnen. Eine solche war aber
nicht unbedingt zu befürchten, denn ei-
nige Tage zuvor war die heftige Hitze-
periode zu Ende gegangen, und in den
vorangegangenenTagen hatte es zudem
mindestens zweimal geregnet.
Der Mann war sich sicher, dass er legal
handelte. Schliesslich hatte er eigens im
Internetrecherchiert, ob das EndeJuli
in der ganzenRegion erlassene absolute
Verbot vonFeuern imFreien nach der
erfolgten Entspannung derTrockenheit
aufgehoben worden war.Auf derWebsite
seinerWohngemeinde war er zwar nicht
fündig geworden, aber die nur wenige
hundert Meter von seinem Grundstück
entfernte Nachbargemeinde Zweidlen
hatte dieRestriktionen bereits widerru-
fen.Bei der Glattfelder Gemeindeverwal-
tung hatte er nicht nachgefragt. Eswar
ja bereits so gut wie Wochenende, wie
er dem Einzelrichter erklärt, und er er-
wartete nicht, dass ihm jemand noch vor
FeierabendAuskunft gebenkönnte. Das
trockene Grünzeug war bereit zum An-
stecken,und er wollte nicht bis zum Mon-
tag oder noch länger auf eine Antwort
warten, die er bereits zukennen glaubte.
Der Hausbesitzer sollte sich täuschen.
Anders als angenommen war nämlich das
End e Juli vom Sicherheitszweckverband
Glattfelden-Stadel-Weiach erlassene ab-
soluteVerbot vonFeuern imFreien noch
nicht aufgehoben. Er hatte damit eine
strafbare Handlung vorgenommen.
«Ein alter Zopf»
Strafbar ist einFeuer imFreien schnell
einmal. DasVerbrennen von pflanzlichen
Abfällen sei ein alter Zopf, erklärtWolf-
gang Bollack vom kantonalen Amt für
Abfall,Wasser, Energie und Luft.Früher
loderten um dieseJahreszeit aufFeldern,
in Gärten undRebbergen zahlloseFeuer,
und beissenderRauch stieg auf. Heute
ist dasVerbrennen von Abfällen in der
Schweiz grundsätzlich verboten.Ausnah-
men bilden lediglich trockener Pflanzen-
schnitt, Geäst undLaub ausWald, Feld
und Garten.Dies gilt aber auch nur, wenn
das Feuer bloss wenigRauch entwickelt.
DennRauch istFeinstaub, und der soll
nicht in die Luftgelangen.Wer zu viel da-
von produziert, wird gebüsst. Und in den
Heizmonaten von November bisFebruar
gilt wegen der zusätzlichen Luftbelastung
durch fossile Brennstoffe ein absolutes
Feuerverbot imFreien, mitAusnahme
von Grill- und Brauchtumsfeuern.
«Auch wenn es erlaubt ist,ist dasVer-
brennen von Gartenabraumkeine gute
Idee», betont Bollack. «Es ist schlecht
für die Luft, schlecht für die Kleintiere
und schlecht für die Nachbarn.» Errät,
das Laub zu Haufen zurechen. Man
schaffe damit Lebensraum für Klein-
lebewesen, deren «Beruf»essei, solche
Abfälle abzubauen.Auch der eine oder
andere Igelkönne dort überwintern.
Wer keine solchen Haufen bei sei-
nem Haus wolle, könne den Garten-
abraum ebenso wie pflanzlicheKüchen-
abfällekompostieren und damit wert-
vollen Humus gewinnen.Das sei die
umweltverträglichsteVariante, sagt Bol-
lack. Aber mankönne Gartenabfälle
auch der Grünabfuhr mitgeben, damit
sie kompostiert oder als Quelle für Bio-
gas genutzt würden.
Wer gegenFeuerverbote verstösst –
egal, ob während einer extremenTro-
ckenzeitoder in d er winterlichen Sperr-
zeit – muss auf jedenFall damitrech-
nen , best raft zu werden. Diese Erfah-
rung macht auch der Hauseigentümer
aus Glattfelden. Der Einzelrichter be-
stätigt den Schuldspruch des Statthal-
teramts Bülach. Der Mann habe sowohl
gegen dieVerord nung über den vorbeu-
genden Brandschutz als auch gegen das
Gesetz über dieFeuerpolizei und das
Feuerwehrwesen verstossen.
Der Beschuldigte hätte sich auf jeden
Fall bei der Gemeindeverwaltung über
das örtlicheFeuerverbot informieren
und danach halt auf dasVerbrennen des
Gartenabraums verzichten sollen, hält
der Richter fest. DasVerbot des Sicher-
heitszweckverbands Glattfelden-Stadel-
Weiach wurde nämlicherst am 28. Sep-
tember aufgehoben.
Dem Beschuldigten beschert das
Urteil neben der Busse von 200Fran-
ken und den erstinstanzlichenKosten
von 250Franken eine zusätzliche Ge-
bühr von 300Franken für den Entscheid.
Diesereduziert sich allerdings um einen
Drittel, wenn der Mann auf die schrift-
licheFassung des Urteils verzichtet.
Urteil GC190027 vom 29.10.2019; noch nicht
rechts kräftig.
Laub darf nur verbranntwerden, wenn dasFeuer wenig Rauchentwickelt. ImWinter sind Gartenfeuer gänzlichverboten.KARIN HOFER / NZZ
Zürich will
Freihandel mit
Türkei sistieren
Gemeinderat macht Aussenpolitik
amü.· Der Zürcher Gemeinderat for-
dert den Bundesrat auf, aus Protest
gegen den Einmarsch derTürkei in
den kurdischen Gebieten in Nordsyrien
sämtlicheWaffenlieferungen an Ankara
einzustellen und dasFreihandelsabkom-
men auszusetzen. DerRat hat am Mitt-
wochabend eine entsprechendeResolu-
tion verabschiedet,mit 69 zu 0 Stimmen;
FDP, SVP und GLP stimmten nicht ab,
weil sie den Beschlussantrag für das fal-
sche Vorgehen halten.
In der Sache waren sich alleRedner
von links bisrechts einig, dass das türki-
scheVorgehen in Nordsyrien inakzepta-
bel sei. Die Debatte war deshalb inter-
essant, weil derRatausgiebig über die
Frage diskutierte, für welcheThemen er
zuständig sei und für welchenicht. Die
FDP wollte dieResolution aus grund-
sätzlichen Überlegungen von derTrak-
tandenliste streichen, was die linke
Mehrheit verhinderte.
Die Resolution verstosse gegen über-
geordnetesRecht, argu mentierte FDP-
Fraktionschef Michael Schmid, vor
allem gegen den Primat des Bundes in
der Aussenpolitik, und ebenso gegen
die Geschäftsordnung des Gemeinde-
rats selbst. Der Stadtrat vertrete die
Stadt Zürich gegenüber kantonalen und
eidgenössischen Behörden und gegen-
über demAusland. Es gebe zwei ein-
fache Kriterien, wann sichParlamenta-
rier zurAussenpolitik äussernkönnten:
«Sie kandidieren für den Nationalrat,
und sie werden gewählt.»
Auch Stefan Urech (svp.) geisselte
den «Grössenwahn verhinderter Natio-
nalräte. Es ist ihnen zuwider, über Kap-
haltestellen zu sprechen,daher wollen sie
etwas Nationalrats-Luft schnuppern.» In-
haltlich unterschreibe er das Anliegen,
«aber wie sie es vorbringen,ist nicht mehr
als anbiedernde Schaumschlägerei».
«Empörung,Trauer,Ent setzen»
Die angegriffene Linke sah sich durchaus
als zuständig und kritisierte den«For-
malismus»der FD P. «Wir geben mit der
Resolution unsere Empörung,Trauer und
unser Entsetzen darüber kund, was in
Nordsyrien passiert», sagte SP-Fraktions-
chef Davy Graf. Es gebe den Brücken-
schlag zwischen Zürich und der kurdisch-
türkischen Grossstadt Diyarbakir, er-
gänzte seinParteikollege Marco Denoth.
Deren Bürgermeisterin sei inhaftiert, die
Stadt direkt vom Krieg betroffen. «Der
Bundesrat hatunsererMeinung nachzu
verhaltenreagiert, insbesondereAussen-
minister Ignazio Cassis.» Zürich sei das
Zentrum der kurdischen Demonstratio-
nen, weil vieleKurdinnen undKurden
hier lebten.«Wir wollen uns solidarisieren
und ihnen Kraft und Hoffnung geben.»
Dürre Worte undParagrafenaus-
legung warf Unterzeichner undAL-
FraktionschefAndreas Kirstein der FDP
vor. «Genau für so etwas sindResolutio-
nen da», es sei ja nicht so, dass man dem
Zürcher Zivilschutz befehle, in Nord-
syrien einzumarschieren. Die grüne
Neo-Nationalrätin Katharina Prelicz-
Huber sagte, es sei Zürichs Pflicht, als
grösste Stadt der Schweiz nicht wegzu-
schauen.«EineVerurteilung hilft,Druck
aufzubauen, nicht zuletzt auf Erdogan.»
«Für uns ist es eine grenzfällige Ge-
schichte»,sagte ErnstDanner (evp.).
Wäre es um etwas weniger Gravierendes
gegangen,hätte die EVP auf dieResolu-
tion verzichtet. Der Gemeinderat habe
vor 10Jahren in einem ähnlichenFall
eine Kritik an China – es ging um die
Verfolgung der BewegungFalun Gong
- unterbleiben lassen.«Wir müssen jetzt
vielleichtetwa s mutiger sein.»
Waffenverbot wäreohne Folge
Forderungen des Gemeindeparlaments
binden den Bund natürlich nicht, befin-
det dieser doch über dieAussenpolitik
des Landes und nicht die Gemeinden.
Im Übrigen liefert die Schweiz bereits
seit zweiJahren kaum mehrWaffen an
dieTürkei;2018 exportierte man gemäss
Bundesstatistiknoch Kriegsmaterial für
96 000 Franken, 20 19 sind es bis Ende
September gerade einmal 2400Franken.
BEZIRKSGERICHT ZÜRICH
Falsche Etiketten auf dem Desinfektionsmittel
Der Geschäftsführer einer Chemikal ienfirma verkaufte nicht zugelassene Produkte – ins Gefängnis muss er deswegen nicht
TOM FELBER
Der beschuldigte Kaufmann ist bereits
67-jährig und mittlerweile pensioniert.
Er war jahrelang Gesellschafter und
Geschäftsführer einer GmbH, die alko-
holfreie Desinfektionsmittel vertrieb. Im
November 2008 hatte ihm das Bundes-
amt für Gesundheit (BAG) allerdings
mitgeteilt, dass er zwei Produkte nicht
mehr inVerkehr bringen und seinen
Restbestand nur noch bis zum Sommer
2009 verkaufen dürfe.Trotzdem machte
er die Desinfektionsmittel weiter zu
Geld und veräusserte noch in denJah-
ren 2013 bis 2016 rund 20000 Liter da-
von an verschiedene Abnehmer.
Damit dies nicht auffiel, versah der
Kaufmann die Etiketten mit BAG-
Nummern eines anderen Produkts und
falschen Informationen.Dadurch wur-
den die Abnehmer nichtkorrekt über
den Inhalt der Produkte sowie die er-
forderlichenVorsichts- oder Schutz-
massnahmen informiert. Zudem ent-
fernte er beieinem dritten Produkt, für
das er ebenfalls überkeine Zulassung
verfügte, die Originaletiketten des Her-
stellers und ersetzte sie mit eigens ent-
worfenen Etiketten seinerFirma. So
umging der Beschuldigte einerseits ein
Zulassungsverfahren beimBAG,ande-
rerseits die Anordnung, die Produkte
nicht mehr zu verkaufen. Im März 20 16
kam der Mann nach einerKontrolle der
Firma für 37Tage in Untersuchungshaft
und wurde schliesslich wegen mehr-
fachenVergehens gegen das Chemika-
liengesetz und mehrfacher Urkunden-
fälschung angeklagt. Er zeigte sich zu
den Vorwürfen geständig.
Auch einen dritten Vorwurf aner-
kannte er, nämlich mehrfachen Pfän-
dungsbetrug: Ab August 2014 wurde
der Mann fünfmal wegen Steuerschul-
den undAusständen bei einer Sozialver-
sicherungsanstalt über insgesamt 126 000
Franken betrieben. ZwischenJuni 20 15
und Februar 2016 wurden bei ihm drei-
mal Pfändungen vollzogen.Dabei ver-
schwieg er ein Obligationendepot und
ein Bankkonto imAusland von zusam-
men rund 100000 Euro und dass er
eine umfangreicheWaffensammlung im
Wert von 30000 bis 50000 Franken be-
sass.Ausserdem hatte er seinerBank im
November 2014 –also nach der ersten
Betreibung – telefonisch die Anweisung
erteilt,ein bisher auf seinen Namen lau-
tendesWertschriftendepot mit einemAn-
lagewert von rund 1,2 MillionenFranken
ohneRechtsgrund auf seine Ehefrau zu
übertragen. Durchdas Verschweigen der
Vermögenswerte und die Übertragung
desWertschriftendepots hat derBeschul-
digte gemäss dem untersuchenden Staats-
anwalt den Gläubigern bewusst Haf-
tungssubstrat entzogen. Der Kaufmann
anerkannte auch diesenVorwurf so-
wie eine grobeVerletzung derVerkehrs-
regeln: Im Oktober 2015 hatte er mit sei-
nem Mercedes auf derAutobahn ein neu-
trales Dienstfahrzeug der Kantonspolizei
und einen Lieferwagenrechts überholt.
Da sich Staatsanwaltschaft undVer-
teidigung auf einen Deal einigten,konnte
der Prozess vor Bezirksgericht Zürich
im abgekürztenVerfahren durchgeführt
werden. In der richterlichen Befragung
machte der Beschuldigte Schulden von
rund 300000 Franken geltend.Eine
Eigentumswohnungim Wert von 60 0000
Franken gehöre hingegen der Ehefrau.
Laut seinenAussagen laufen Darlehen
und Hypotheken für dieseWohnung je-
doch auf seinen Namen und nicht auf
jenen derFrau. Bei der Erklärung der
Probezeit ermahnte der vorsitzende
Richter den Beschuldigten, falls er noch
weitere Chemikalien besitze, diese nicht
mehr zu verkaufen. «Ich habekein Lager
mehr», erklärte derPensionär bestimmt.
Der vom Gericht gutgeheissene Ur-
teilsvorschlag lautet auf eine bedingte
Freiheitsstrafe von14 Monaten wegen
mehrfachen Pfändungsbetrugs, mehr-
facher Urkundenfälschung, mehrfachen
Vergehens gegen das Chemikaliengesetz
undgrober Verletzung vonVerkehrs-
regeln. Die Probezeit dafür wurde auf
drei Jahre verlängert. Zudem muss der
Mann dem Staat eine Ersatzforderung
von 30000 Franken abliefern.Auch die
Verfahrenskosten, die er zu tragen hat,
haben es in sich: Sie belaufen sich total
auf 45000 Franken. Rund 34000 Fran-
ken davon beziehensich auf die Entsor-
gung der Chemikalien als Sonderabfälle
so wie aufTransport- undLagerkosten.
Urteil DG190238 vom 30.10. 20 19, abgekürz-
tes Verfahren.