Handelsblatt - 14.11.2019

(Steven Felgate) #1

Franz Hubik München


M


it Absatzrekorden, pfiffigen Sprü-
chen und lässigen Outfits punkte-
te Ex-Daimler-Chef Dieter Zetsche
über viele Jahre hinweg bei Mitar-
beitern, Medien und Politik. Nur
der Kapitalmarkt versagte dem Langzeitherrscher
von Mercedes meist die Zuneigung. Zu schlecht
performte die Aktie des Autobauers unter dem
Strich in der vergangenen Dekade, zu übel nahmen
ihm Investoren die Rückrufe im Dieselskandal.
Ola Källenius, der Zetsche Ende Mai an der Kon-
zernspitze in Stuttgart ablöste, will das Verhältnis
von Daimler zu seinen Geldgebern entspannen. In
den vergangenen Wochen traf sich der 1,95 Meter
große Manager mit einer Reihe von Investoren.
Källenius und sein neuer Finanzvorstand Harald
Wilhelm mussten sich bei den Terminen zu Beginn
oft deutliche Kritik anhören, im Verlauf der Ge-
spräche hellte sich die Stimmung aber merklich
auf, heißt es in Finanzkreisen. Wohlwollend regis-
trieren die Aktionäre, dass Daimler ihnen mittler-
weile höchste Priorität beimisst.
„Die neue Managementkultur, die in Stuttgart
mit Källenius und Wilhelm entstanden ist, tut
Daimler gut“, sagte Stefan Bauknecht vom Vermö-
gensverwalter DWS dem Handelsblatt: „Aber unse-
re Geduld ist nicht grenzenlos. Bei Daimler müssen
die Ineffizienzen jetzt wirklich angegangen wer-
den.“ Am Donnerstag ab zehn Uhr soll genau das
passieren. Dann bittet Källenius Analysten und In-
vestoren nach London zum Kapitalmarkttag.

Hohe Erwartungen an Källenius


In der britischen Finanzmetropole will der gebür-
tige Schwede ein „Update zur Unternehmensstrate-
gie“ präsentieren und konkrete Sparpläne darle-
gen, nachdem Daimler nach neun Geschäftsmona-
ten 2019 de facto kein Geld verdient hat, sondern
einen negativen Free Cashflow von 522 Millionen
Euro ausweist. Die Erwartungshaltung an das
Event ist intern wie extern riesig.
„Ola wird eine Zukunftsvision aufspannen und
gleichzeitig priorisieren müssen. Das wird seine Re-
gierungserklärung, die muss sitzen“, sagt eine Füh-
rungskraft. „Das Management muss radikale Maß-
nahmen beschließen“, fordert Michael Muders.
Der Portfoliomanager von Union Investment, ei-
nem der 20 größten Daimler-Aktionäre, ist zugleich
skeptisch, ob Källenius harte Einschnitte wagt.
„Unsere Sorge ist, dass Daimler erneut versucht,
die Probleme des Konzerns mit einigen Pflastern
und Schmerztabletten zu heilen, anstatt das Unter-
nehmen einer zwar schmerzvollen, aber nötigen
Operation zu unterziehen“, sagte Muders dem
Handelsblatt. Auch DWS-Autoexperte Bauknecht
fürchtet, dass Daimler „die Messlatte beim Sparen
womöglich zu tief ansetzt“.
Durchgesickert ist hinsichtlich der Effizienzmaß-
nahmen bereits, dass Daimler 1 100 Führungsstel-
len streicht, die Modellpalette anpasst, Fahrzeug-
plattformen konsolidiert, die Varianz bei Motoren
deutlich reduziert und einige Investitionsvorhaben
vertagt. Die Beschäftigten in Deutschland sollen zu-
dem auf die Tariferhöhung 2020 verzichten. All das
dürfte aber nicht ausreichen, damit die Autosparte
Mercedes wie geplant bis 2021 wieder eine Umsatz-
rendite von acht bis zehn Prozent einfährt.
„Wir werden in der Übergangszeit hin zur Elek-
tromobilität keine Chance haben, auf eine Marge
von acht Prozent zu kommen“, heißt es einhellig in
Daimler-Konzernkreisen. Zu hoch seien die Auf-
wendungen für die Stromoffensive, der zunächst
keinerlei Erträge gegenüberstehen. Bis zu 1,5 Milli-
arden Euro an zusätzlichen Kosten würden allein
2020 fällig, um die CO 2 -Ziele der EU noch errei-
chen zu können, verlautet aus Finanzkreisen.
Daimler wollte sich auf Anfrage zu keinem der The-
men äußern. Investoren haben den Margendämp-
fer ohnehin längst einkalkuliert.
„Wahrscheinlich sind nicht einmal sechs Prozent
Umsatzrendite haltbar“, fürchtet Muders. Der Au-
toexperte von Union Investment prophezeit bittere
Übergangsjahre in Stuttgart. „Die Probleme bei
Daimler sind viel gravierender, als gemeinhin ange-
nommen wird. Es gibt überhaupt keine Kostendis-

Daimler


unter Druck


Ola Källenius präsentiert am Donnerstag in


London seine Sparpläne. Investoren fordern


radikale Einschnitte. Denn das Pkw-Margenziel


für 2021 ist nicht zu halten.


Daimler-Werk
in Düsseldorf:
Konzernchef
Ola Källenius
fordert bessere
Kostenkontrolle.

Daimler AG

Unsere


Geduld ist


nicht


grenzenlos.


Die


Ineffizienzen


müssen jetzt


angegangen


werden.


Stefan Bauknecht
DWS

Das Daimler-


Management


muss


radikale


Maßnahmen


beschließen.


Michael Muders
Union Investment

Titelthema


Stuttgarter Sparkurs


DONNERSTAG, 14. NOVEMBER 2019, NR. 220


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