Handelsblatt - 07.11.2019

(Darren Dugan) #1
Markus Fasse München

G


erhard Berger ist ein
Mann der Rennstrecke.
210 Formel-1-Rennen ist
der Österreicher in sei-
nem Leben schon ge-
fahren, als Leiter von Motorsport-
teams und Mitinhaber von Rennstäl-
len hat er die Boxengasse nie verlas-
sen. Heute ist der 60-Jährige Chef der
DTM, der Deutschen Tourenwagen-
Masters, der wichtigsten Rennserie
des deutschen Motorsports. Für Ber-
ger ist die DTM „ein Aushängeschild
der deutschen Autoindustrie“, biete
sie doch „Rennsport mit markentypi-
schem Erscheinungsbild“. Anders als
in der Formel 1 sehen die Boliden zu-
mindest halbwegs so aus, als hätten
sie etwas mit den Serienautos auf der
Straße gemein.
Fuhr die DTM bislang mit hochge-
züchteten Benzinmotoren, so soll
das in Zukunft anders werden. Ab
2022 sollen die Rennwagen Hybrid-
antrieb erhalten und teilweise mit
synthetischem Kraftstoff betankt
werden. Für die weitere Zukunft
plant Berger ein noch radikaleres
Konzept. Künftig will die DTM zusätz-
lich eine Rennserie mit reinen Elek-
troautos anbieten. Berger will „Leis-
tungsspitzen von bis zu 1 000 PS“
erreichen , die Höchstgeschwindigkei-
ten von über 300 Stundenkilometern
ermöglichen. Damit könne er den
Fans der Rennsportserie weiter „har-
ten Motorsport bieten“, verspricht

Berger im Gespräch mit dem Han-
delsblatt. An diesem Donnerstag will
er das Konzept seinen Partnern vor-
stellen.
Die DTM steckt wie der gesamte
Rennsport in der Zwickmühle. Die
Autoindustrie schwenkt auf Elektro-
antriebe um, da passen die hochge-
züchteten Benzinmotoren langfristig
nicht mehr zum Image. Mehr noch:
Der VW-Konzern wird Ende des kom-
menden Jahrzehnts keine neuen Ver-
brennungsmotoren mehr entwi-
ckeln, die Rennstrecke als Bühne für
Benziner hat dann ausgedient. Die
einst üppigen Marketingbudgets für
den Rennsport werden schon heute
zusammengestrichen oder neu ver-
teilt. So stieg Mercedes 2018 aus der
DTM aus und investiert dafür in die
Formel E. Der Elektroableger der
Formel 1 ist auf Stadtkurse ausgelegt
und tourt seit 2013 durch Metropo-
len wie New York, Paris oder Berlin.
Weil die Batterieleistung für lange
Rennen nicht reicht, mussten die
Fahrzeuge während des Rennens ge-
wechselt werden, die Höchstge-
schwindigkeit ist auf 225 Stundenki-
lometer begrenzt.
Für Berger ist das zu langsam. „In
der Formel E sind die Fahrer vor al-
lem mit Batteriemanagement be-
schäftigt“, klagt der ehemalige
Champion. Die begrenzten Strom-
speicher erfordern ein ständiges Ab-
wägen zwischen Angreifen und

Ankommen. Berger will aber „Renn-
sport am Limit“. Um die versproche-
nen Spitzenleistungen von 1 000 PS
zu erreichen, setzt er auf ein anderes
Konzept. „Angesichts dieser Power
wäre bei einem 30- bis 40-minütigen
Rennen ein Wechsel von Batterie
oder Wasserstofftank notwendig“,
sagt Berger. Der Boxenstopp soll zur
High-Tech-Show werden: Neben dem
Reifenwechsel sollen Roboter auch
die Batteriepakete der Rennwagen
tauschen. Nach wenigen Sekunden
könnten die Fahrer dann mit Vollgas
auf die Piste zurück. Ob die Auto -
hersteller Batterien oder Brennstoff-
zellen verwenden, lässt das Konzept
bewusst offen. „Niemand weiß heu-
te, welche Technologie sich am Ende
durchsetzen wird“, sagt der Unter-
nehmer.
Bergers Konzept mit Wechselakkus
könnte in der Tat den Spaß auf der
Rennstrecke steigern – hat aber einen
Haken. Bereits vor zehn Jahren ha-
ben die Autohersteller die Idee als se-
rienfern verworfen. Unter dem Na-
men „Better Place“ versuchte der
ehemalige SAP-Manager Shai Agassi,
die Autoindustrie von dem Konzept
austauschbarer Batterien zu überzeu-
gen, um die lästigen Ladezeiten zu
umgehen. Doch Better Place schei-
terte, weil die Autohersteller fürchte-
ten, ihre Markenkompetenz bei ein-
heitlichen Antrieben zu verlieren.
Hinzu kommen die zusätzlichen Kos-
ten, die für eine parallele Elektro-
rennserie fällig werden. Bereits heute
belaufen sich die Ausgaben der
Rennställe pro Saison auf geschätzte
zweistellige Millionenbeträge.
Berger hofft, die DTM dennoch ins
Elektrozeitalter führen zu können.
Zurzeit laufen Verhandlungen mit
Sat 1, die Rennportserie auch in den
kommenden Jahren im Fernsehen zu
übertragen. Zudem setzt die DTM auf
internationale Expansion, sechs von
zehn Rennen finden mittlerweile im
Ausland statt. Zusätzlich ist es Berger
gelungen, die japanische Autoindus-
trie für gemeinsame Rennen zu ge-
winnen. Die neuen Partner aus Fern-
ost könnten zu seinen Zukunftsplä-
nen gut passen: Nissan und Toyota
investieren massiv in Elektromobili-
tät und Brennstoffzellen.

Motorsport


DTM plant


Elektrorennen


Die Rennserie der deutschen Autohersteller will


Batteriewechsel per Boxenstopp.


DTM-Zukunftsvision:
Beim Boxenstopp
sollen Roboter die
Batterien der
Rennautos wechseln.

ITR GmbH

Luftfahrt


Neue


Konkurrenz


für Eurowings?


Jens Koenen Frankfurt


W


ährend auf die Lufthansa-
Gruppe eine neue Streik-
welle zurollt, weiß man
bei der Billigtochter Eurowings in
Köln, dass man sich auf einen Partner
verlassen kann: German Airways. Er
wird ungeachtet der Arbeitskämpfe
weiter für Eurowings fliegen.
Hinter der neuen Airline, die nicht
mit der insolventen Germania und
auch nicht mit dem Eurowings-Vorläu-
fer Germanwings verwechselt werden
darf, verbergen sich die beiden Flug-
gesellschaften der Zeitfracht-Gruppe:
die Luftfahrtgesellschaft Walter (LGW)
und die WDL Aviation. Beide Airlines
wurden kürzlich unter dem Namen
German Airways gebündelt, agieren
aber weiter als separate Flugbetriebe.
LGW fliegt mit insgesamt 17 Flug-
zeugen für Eurowings. Das hat histori-
sche Gründe. LGW gehörte zu Air Ber-
lin und wurde im Zuge der Insolvenz
der einst zweitgrößten deutschen
Fluggesellschaft an Eurowings ver-
kauft. Die Lufthansa-Tochter veräu-
ßerte die Gesellschaft dann wiederum
an Zeitfracht.
Während dieser Zeit flog LGW stets
für Eurowings und macht das bis heu-
te. Zwar streiten sich bei LGW wie bei
Lufthansa die Gewerkschaften Verdi
und Ufo um die Vertretung des Kabi-
nenpersonals. Doch vom aktuellen
Streikaufruf der Ufo ist German Air-
ways nicht betroffen.
Doch der Arbeitskampf könnte indi-
rekt Folgen für German Airways ha-
ben. Nach Informationen aus Bran-
chenkreisen hat die Streikwelle beim
Management Überlegungen bestärkt,
künftig selbst Tickets zu vermarkten.
Das wäre ein Novum für Zeitfracht.
Sowohl LGW als auch WDL agieren als
sogenannte Leasing-Airlines. Sie bie-
ten anderen Airlines lediglich Gerät
und Personal an. Zu den Geschäfts-
partnern zählen neben Eurowings et-
wa Lions Air aus der Schweiz, Easyjet
aus Großbritannien oder die polni-
sche Lot. Wo geflogen wird, legen die
Geschäftspartner fest, sie überneh-
men auch den Vertrieb der Tickets.
Doch mittlerweile – so ist zu hören –
sei die Idee, einen eigenen Ticketver-
trieb aufzubauen und somit aus Ger-
man Airways eine vollwertige Flugge-
sellschaft zu machen, weit fortge-
schritten. Ein Sprecher von Zeitfracht
wollte sich zu den Informationen auf
Anfrage nicht äußern.
Der Schritt wäre gewagt. Schließlich
läuft gerade eine gewaltige Konsolidie-
rungswelle durch den europäischen
Luftfahrtmarkt. Vor allem kleinere
Fluggesellschaften scheitern, weil ih-
nen die Größe fehlt, um die steigen-
den Kosten etwa für Kerosin breit zu
verteilen und im harten Preiswett-
kampf zu bestehen.
Andererseits hat Zeitfracht bewie-
sen, dass man in der Lage ist, Zukäufe
zu integrieren. Hier hat man offen-
sichtlich durchaus weitere Ideen für
künftiges Wachstum. So soll Zeitfracht
auch zu den Interessenten für die
deutsche Ferienfluggesellschaft Con-
dor gehören. Die sucht nach der Pleite
ihrer britischen Mutter Thomas Cook
gerade einen neuen Investor.
Auch dazu will man sich bei Zeit-
fracht nicht äußern. „Wir schauen uns
immer gute Optionen an“, sagte ein
Sprecher lediglich.


Hoch Zwei / Juergen Tap

Dies ist ein


ebenso


mutiges


wie inno va -


tives Konzept.


Gerhard Berger
DTM

Unternehmen & Märkte
DONNERSTAG, 7. NOVEMBER 2019, NR. 215
22

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