Handelsblatt - 07.11.2019

(Darren Dugan) #1

weltweit der zweitgrößte“, sagt Etien-
ne. „Das liegt vor allem an der Liebe
der Deutschen zu Schokolode.“
Im Hitzesommer 2018 jedoch kleb-
ten Schokoriegel und Co. in den Re-
galen. Die Branchenverkäufe brachen
um 2,3 Prozent ein, ermittelte Markt-
forscher Nielsen. In den zwölf Mona-
ten bis September hat er sich wieder
um 1,9 Prozent erholt. „Mars wächst
im Schokosegment mit fast sieben
Prozent deutlich schneller als der
Markt“, betont Etienne.
Doch der Markt ist umkämpft, di-
verse Wettbewerber werben mit neu-
en Riegeln um Kunden. Laut Nielsen
bezeichnen sich generell nur noch 13
Prozent der Verbraucher als treue
Kunden, die selten andere Marken
ausprobieren. Das zeigt auch der Er-
folg des Knoppers Nussriegels von
Storck, der seit 2017 Snickers Konkur-
renz macht. Im März brachte Mars
das leichtere Snickers Crisp auf den
Markt. „Wir setzen auf Variationen
unserer bekannten Marken“, be-
schreibt Etienne ihre Strategie. Im
August 2020 folgen Snickers Creamy
Peanutbutter und Creamy Haselnuss.


Kakaofarmer fördern


Große Hoffnungen setzt Mars auf ei-
nen Kultriegel aus den USA, der im
September auf den deutschen Markt
kam: „Be Kind“ besteht aus ganzen
Nüssen ohne künstliche Zusatzstoffe.
In den USA sind gesunde Nusssnacks
bereits ein Milliardengeschäft. „Wäh-
rend der Schokoladenkonsum in vie-
len Ländern sinkt, greifen die Ver-
braucher zu ‚gesünderen‘ Alternati-
ven wie Protein-, Frucht- und
Nussriegel“, sagt AT-Kearney-Mann
Kirste.
Mars hatte sich mit 40 Prozent bei
der Jungfirma eingekauft. Dass Mars
dahintersteckt, wissen die wenigsten.
„Wir wollen die Marke Be Kind zur
Plattform ausbauen“, sagt Etienne.
„In den USA gibt es schon Eiscreme
und Müsli. Deutschland ist für uns
ein Schlüsselmarkt für die Expansi-
on.“
Mars ist jedoch nicht der Erste, der
von süßen Kalorienbomben auf ge-
sündere Nussriegel umschwenken
will. Wettbewerber Nestlé (Kitkat) hat
gerade erst Nuss- und Fruchtriegel
der Marke Yes gelauncht. In den Re-
galen stapeln sich bereits Müsli- und
Nussriegel diverser Start-ups. „Heal-
thy Snacking“ ist ein großer Trend.
Gesünder und nachhaltiger sollen
auch die Geschäfte des ganzen Mars-
Konzerns werden. „Der Klimawandel
schädigt Kakaopflanzen und hat Ein-
fluss auf unser Geschäft“, konstatiert
Etienne. „Wir müssen der Realität ins
Auge schauen: Die Lieferkette von
Kakao ist zerbrochen. Wir haben
Fortschritte gemacht, aber nicht ge-
nug.“
Mars fördert deshalb mit einer Mil-
liarde Dollar zehn Jahre lang Klein-
bauern und nachhaltigen Kakaoan-
bau. „Wir unterstützen 75 000 Far-
mer direkt, viele konnten nicht
immer ihren Lebensunterhalt mit Ka-
kao verdienen. Das führte auch zu
Kinderarbeit, die wir ablehnen“, so
Etienne. Bis 2025 soll 100 Prozent
des Kakaos, den Mars verarbeitet,
aus verantwortungsvollem Anbau
stammen, heute sind es 50 Prozent.
Eine weitere Milliarde Dollar inves-
tiert Mars über zehn Jahre in ein
Nachhaltigkeitsprogramm. Denn der
Konzern hat einen CO-Fußabdruck
so groß wie Panama. Bis 2040 will
Mars an 420 von heute 454 Standor-
ten weltweit klimaneutral produzie-
ren. Etienne: „Mars ist eines der
größten Unternehmen der Welt –
wenn wir etwas verbessern, ändert
sich wirklich etwas.“


Reiseveranstalter

Besserer Schutz bei Pleiten


Nach der Insolvenz von
Thomas Cook soll der Bund
die Haftungsgrenze für
Versicherer anheben. Bayern
macht Druck.

Heike Anger Berlin

D


ie Bundesregierung soll eine
bessere Insolvenzsicherung
bei Reiseveranstaltern schaf-
fen. Das will Bayern erreichen, wie
eine Beschlussvorlage für die Justiz-
ministerkonferenz an diesem Don-
nerstag zeigt, die dem Handelsblatt
vorliegt. Anlässlich der Insolvenz der
deutschen Gesellschaften von Tho-
mas Cook habe sich erwiesen, dass
die Haftungsgrenze pro Geschäftsjahr
von 110 Millionen Euro „in Bezug auf
den gewählten Betrag“ nicht mehr
zeitgemäß sei, heißt es darin.
Die Bundesregierung soll demnach
aufgefordert werden, „unverzüglich
zu prüfen“, welche Anhebung der
Summe „im Licht der Erkenntnisse
aus der Thomas-Cook-Insolvenz“ und
welche ergänzenden Maßnahmen er-
forderlich seien, „um einen wirksa-
men und umfassenden Schutz der
Reisenden rasch zu gewährleisten“.
Die Bundesregierung müsse „zeit-
nah“ die erforderlichen gesetzgeberi-
schen Schritte einleiten. „Unverzügli-
che Abhilfemaßnahmen sind erfor-
derlich“, heißt es in der
Beschlussvorlage. Es sei auch zu prü-
fen, „ob langfristig ein anderes Sys-
tem der Insolvenzsicherung vorzugs-
würdig sein könnte“.

Keine „Scheinsicherung“
„Pauschalreisende müssen wirkungs-
voll vor der Insolvenz großer Reise-
unternehmen geschützt werden“,
sagte Bayerns Justizminister Georg
Eisenreich (CSU) dem Handelsblatt.
Eine Insolvenzsicherung, die den Rei-
senden teilweise auf seinen Kosten
sitzen lässt, verfehle ihren Zweck. Ein
Sicherungsschein dürfe sich nicht als
„Scheinsicherung“ entpuppen.
Die deutsche Thomas Cook, zu der
etwa Neckermann Reisen, Öger
Tours und Bucher Reisen gehören,
war in den Sog der Pleite der briti-
schen Mutter geraten. Die deutsche
Thomas Cook hatte am 25. Septem-
ber Insolvenzantrag gestellt.
Hierzulande steht die Zurich Versi-
cherung für diese Schäden ein, aller-
dings nur bis zur aktuellen Haftungs-
grenze von 110 Millionen Euro. Nach
eigenen Angaben wurden Zurich be-
reits Schäden von 250 Millionen Euro
gemeldet. Laut Hochrechnungen des
Verbands unabhängiger selbstständi-
ger Reisebüros (VUSR) wären für eine
vollständige Ersatzleistung zugunsten
geschädigter Reisender 300 bis 400
Millionen Euro nötig. Unklar ist aber,
ob die Versicherung nicht nur für die
Anzahlungen, sondern auch für die
Kosten des Rücktransports der ge-
strandeten Touristen zahlen muss.
Thomas-Cook-Kunden dürften in je-
dem Fall nur einen Bruchteil ihres
Geldes zurückbekommen.
„Für Pauschalreisende ist der
Schutz vor den Risiken einer Insol-
venz des Reiseveranstalters von emi-
nenter Bedeutung“, heißt es in der
Beschlussvorlage für die Justizminis-
terkonferenz. Dies gelte insbesonde-
re mit Blick auf die übliche Praxis er-
heblicher Vorauszahlungen der Rei-
senden.

Die EU-Pauschalreiserichtline ver-
pflichtet die Mitgliedstaaten zu effek-
tivem Schutz der Urlauber. Das Bür-
gerliche Gesetzbuch bestimmt da-
rum, dass der Reiseveranstalter für
den Insolvenzfall die Erstattung des
gezahlten Reisepreises sowie die
Rückbeförderung und Beherbergung
bis zum Zeitpunkt dieser Rückbeför-
derung sicherzustellen hat. In der
Praxis kann der Reiseveranstalter
diese Verpflichtung nur durch eine
Versicherung erfüllen. Gegenüber
dem Reisenden weist der Veranstal-
ter den Schutz durch einen Siche-
rungsschein nach. Der Versicherer
kann jedoch seine Haftung auf 110
Millionen Euro pro Geschäftsjahr be-
grenzen.
2017 hatte der Gesetzgeber diese
Haftungsgrenze noch als ausreichend
erachtet und von einer Anhebung ab-
gesehen. Begründet wurde dies da-
mit, dass seit 1994 der höchste durch
die Insolvenz eines Reiseveranstal-

ters eingetretene Versicherungsscha-
den rund 30 Millionen Euro betragen
habe. Eine Sicherungslücke bestehe
zwar „theoretisch, nicht aber fak-
tisch“, so die Einschätzung von vor
zwei Jahren.
„Bei der Festlegung der geltenden
110-Millionen-Grenze hatte der Ge-
setzgeber frühere Insolvenzschäden
im Blick, die noch deutlich niedriger
waren als heute“, sagte Bayerns Jus-
tizminister Eisenreich. Die Insolvenz
von Thomas Cook zeige aber, dass
heute bei demselben Versicherer
weit höhere versicherte Schäden in
einem Geschäftsjahr entstehen könn-
ten.
„Wir müssen die 110-Millionen-
Grenze korrigieren und an die heuti-
gen wirtschaftlichen Verhältnisse an-
passen“, forderte Eisenreich. Auch
das europäische Recht fordere eine
wirksame Sicherung. „Hier ist der
Bund in der Pflicht“, betonte der
CSU-Politiker.

110


MILLIONEN
Euro beträgt derzeit
die Haftungsgrenze
für Versicherer pro
Geschäftsjahr bei
Insolvenzen von
Reiseveranstaltern.

Quelle: Bürgerliches
Gesetzbuch








 


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Unternehmen & Märkte
DONNERSTAG, 7. NOVEMBER 2019, NR. 215
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