Handelsblatt - 07.11.2019

(Darren Dugan) #1
Martin Kölling Tokio

E


rnster Blick, violette Krawatte – Soft-
bank-Gründer Masayoshi Son hatte bei
der Vorstellung der Quartalsbilanz ei-
nen guten Grund für einen förmlichen
Auftritt. Japans Investorenlegende
musste um Vertrauen werben. Denn der Wert der
höchsten Wette des weltgrößten Technikinvestors,
des Büroanbieters WeWork, ist dieses Jahr kolla-
biert. Softbank musste seine Investition mit einem
fast zehn Milliarden Dollar teuren Hilfspaket retten.
Zudem befindet sich der Aktienkurs des Mitfahr-
diensts Uber seit dem Börsengang im Rückwärts-
gang – mit schweren Folgen für Investor Softbank.
„Dieses Mal ist die Bilanz überhaupt nicht gut“,
gestand Son ein. Denn die Wertberichtigungen für
Sons gefallene Sterne drückten Softbanks Betriebs-
ergebnis im zweiten Quartal des seit April laufen-
den Bilanzjahres 704 Milliarden Yen (5,8 Milliarden
Euro) in die Verlustzone. Das sei der höchste Ver-
lust der Firmengeschichte, so Son. Aber wer des-
halb einen Büßer auf der Bühne erwartet hatte,
wurde enttäuscht.
Sicher bereue er einiges an seinem WeWork-En-
gagement. Vor allem habe er bei den negativen Sei-
ten des gerade geschassten extravaganten Grün-
ders Adam Neumann oft die Augen zugedrückt, ge-
stand Son ein. Neumann hatte seinen Aktien
höhere Stimmrechte und Familienmitgliedern Ge-
schäfte gesichert. Doch ansonsten verteilte Son Er-
folgsbotschaften. Medien und Märkte würden Sons
100 Milliarden Dollar schweren Softbank Vision
Fund und Softbank selbst in schwerem Seegang

wähnen und sich sogar eine Pleite von WeWork
und Softbank ausmalen, so Son. „Aber aus meiner
Sicht fahren wir durch glatte See.“
Angesichts der Wertberichtigungen hört sich die-
se Behauptung unglaublich an. Tatsächlich jedoch
verblasst die gegenwärtige Krise im Vergleich zu
Sons finanzieller Nahtoderfahrung zur Jahrtau-
sendwende. Damals lösten sich nach dem Platzen
der „Dot-com-Blase“ 97 Prozent des Vermögens
des damals reichsten Japaners innerhalb weniger
Monate in Luft auf. Davon kann derzeit nicht die
Rede sein. „In der Zeit unseres größten Verlusts
stieg der Netto-Aktionärswert von Softbank auf ei-
nen neuen Rekord“, betonte Son. Von 173 Milliar-
den Euro im Jahr 2018 auf 185 Milliarden Euro heu-
te, um genau zu sein.
Nach Sons Ansicht übersehen seine Kritiker die
guten Seiten seiner Vision, die der heute 62-Jährige
seit seinem Studium der Computerwissenschaften
in Kalifornien verfolgt. Nach dem Studium kehrte
der Sohn koreanischer Einwanderer nach Japan
zurück, weil er sich daheim als Querkopf größere
Karrierechancen ausrechnete als im an Querden-
kern reichen Amerika. 1981 gründete er Softbank
als Softwarevertrieb. Doch schon damals sah er
sich nicht nur als Unternehmer, sondern auch als
Investor auf Mission.
Mit dem Geld seiner Geschäfte und noch mehr
geliehenem Kapital kaufte er immer größere Unter-
nehmen auf und wettete auf Start-ups. Er wollte
Softbank zu einem der größten Konzerne im Com-
puterzeitalter und heute zur Krone Künstlicher In-

telligenz aufbauen. „Softbanks Kerngeschäft ist die
Informationsrevolution“, lautet sein Credo. Das
große Portfolio an Beteiligungen hilft nun Softbank
mit Kursgewinnen und Dividenden über die Schwä-
che einiger Mega-Start-ups hinweg. Besonders die
jüngsten Kursgewinne von Chinas Online-Handels-
plattform Alibaba, sein bisher größter Coup.
Mit dem Softbank Vision Fund setzte Son noch
mehr auf das Gesetz der großen Zahl. 2016 über-
zeugte er den saudischen Kronprinzen Moham-
mad bin Salman, mit ihm gemeinsam auf Einhorn-
Jagd zu gehen. „Einhörner“ sind so etwas wie das
Großwild der Start-up-Welt: Unternehmen mit ei-
nem Wert von mindestens einer Milliarde Dollar.
Inzwischen hat der Fonds bereits sein gesamtes für
Investitionen vorgesehenes Kapital in rund 90 Un-
ternehmen investiert, darunter auch deutsche Fir-
men wie Wirecard. Und auf jedes Unternehmen,
dessen Wert gesunken sei, kämen drei mit Wert-
steigerungen, erklärte Son. Mehr noch: Der interne
Zinsfuß, ein Maß für die Rendite von Investment-
fonds, ist zwar wegen des WeWork-Debakels von
über 40 auf unter 30 Prozent gefallen. Aber der
Wert läge noch immer doppelt so hoch wie die 13
Prozent, die die Risikokapitalgeber im Schnitt für
ihre Kunden erzielten, trumpfte Son auf.
Doch selbst den Büroanbieter WeWork will Son
nicht aufgeben. Er und sein Team hätten schon vie-
le Konzerne saniert. In 18 Monaten werde auch We-
Work „hochprofitabel“ sein, versprach Son. Der
neue Mehrheitseigner hat schon WeWorks rasante
und teure Expansion gestoppt, werde Personal ent-
lassen und unprofitable Seitengeschäfte verkaufen
oder einstellen. Erst wenn die Gewinne fließen,
wird der Büroanbieter wieder expandieren dürfen.

Der Investor gibt sich lernwillig
Sons Problem bleibt allerdings, die Investoren von
seiner Erfolgsgeschichte zu überzeugen. Generell
werde die Aktie wie die vieler Holdinggesellschaf-
ten mit großem Abschlag auf den Buchwert gehan-
delt, sagt ein Analyst eines ausländischen Fonds,
der nicht genannt werden will. „Denn bei diesen
Holdings kann man kaum nachprüfen, wie viel die
einzelnen Teile wirklich wert sind.“
Viele Anleger glauben, dass Softbank zu viel Geld
investiert und damit eine Start-up-Blase erzeugt ha-
be. Die Stürze von WeWork und Uber bestraften
die Anleger daher hart. Seit dem Frühjahr verlor
Softbank etwa ein Drittel an Marktwert und wird
laut Son 60 Prozent unter Buchwert gehandelt.
Doch solange die WeWork-Episode nicht verarbei-
tet sei, Softbank seine Lage nicht transparenter ver-
öffentliche und seine Investitionsstrategie beson-
ders in fallenden Märkten erkläre, „gibt es keinen
soliden Anker“ für Softbanks Bewertungen, warnte
Atul Goyal, Analyst von Jefferies.
Dass Son auf die Bedenken einging, verriet ein
wenig, wie sehr ihn das WeWork-Desaster wurmt.
Er habe ein Monster gezeugt, soll er intern einge-
standen haben. So weit ging er am Mittwoch nicht.
Aber er erklärte, dass Softbanks Investitionskrite-
rien noch strikter angewendet werden sollten. Und
er gab sich lernwillig. „Ich beginne zu denken, dass
wir beim Zeitpunkt von Börsengängen vorsichtiger
sein sollten“, räumte er ein. Außerdem versprach
er, die Machtfülle einiger Gründer nicht mehr zu
akzeptieren und mehr auf Gewinne zu achten.
Letztlich gab er sich allerdings unbeirrbar: „Ich
habe die Lehren gezogen, aber unsere Strategie
wird sich nicht ändern.“ Ein zweiter Softbank Visi-
on Fund sei in Arbeit, versicherte Son. Schließlich
glaubt der Roboterfan daran, dass mit Künstlicher
Intelligenz der Datenverkehr exponentiell wachsen
wird. Und niemand sollte bei ihm auf Altersmilde
hoffen. „Egal, wie alt ich bin, meine Richtung än-
dert sich nie“, schwor Son.

Masayoshi Son


Der Unbeirrbare


Der größte Investmentfonds der Welt muss nach dem Kollaps von WeWork Milliarden abschreiben.


Doch trotz des ersten Quartalsverlusts seit Langem zieht der Softbank-Gründer eine positive Bilanz.


Masayoshi Son:
Höchster Verlust der
Firmengeschichte.

Bloomberg

Egal, wie alt


ich bin, meine


Richtung


ändert sich nie.


Masayoshi Son
Softbank-Gründer

Familienunternehmen


des Tages


DONNERSTAG, 7. NOVEMBER 2019, NR. 215
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