50 reise FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG, 20. OKTOBER 2019, NR. 42
Und in welcher Höhle sich die Frauen
mit den Mädchen trafen und wo die
Männer mit den Jungs, um sie mit Lie-
dern und Geschichten auf das Erwach-
sensein vorzubereiten, sie zu lehren,
wie man jagt und kocht, Wasserstellen
und Freundschaften findet. Spätestens
in der Kantju-Höhle, einer märchen-
haften Oase mit Wasserfall, begreift
man, dass der Uluru für die Anangu
weit mehr ist als ein Sagenberg oder
Treffpunkt für Zeremonien. Er ist Teil
von „Tjukurpa“, wie sie sagen: Jeder
Ort, jeder Felsvorsprung verkörpert
ihr Wissen, ihre Gesetze, Kultur und
Philosophie, verbindet Vergangenheit
und Zukunft, spendet Kraft und Trost
und nicht zuletzt auch Trinkwasser –
weshalb es umso dramatischer ist,
wenn Kletterer ihren Müll einfach in
die Natur werfen.
Für Geologiefans zeichnet der Ran-
ger auch gerne noch in fünf Minuten
die 500 Millionen Jahre alte Entste-
hungsgeschichte des Uluru mit einem
Stock in den Sand. So wird klar, warum
seine Sandsteinsedimente nicht hori-
zontal liegen, sondern um 90 Grad ge-
dreht zum Himmel ragen: Erdbewe-
gungen!
All diese Angebote sind umsonst, ge-
nau wie Workshops in Yulara, etwa
über Astronomie oder Buschmedizin.
Wer Geld ausgeben will, kann den
Berg bei einem Hubschrauberflug über-
fliegen, sich bei einem Spaziergang in
der schimmernden Lichtinstallation
des Künstlers Bruce Munroe verlieren
oder mitten in den Dünen ein Vier-
Gänge-Menü genießen, zu dem ein
Team junger Aborigines Bush-Tucker-
Food serviert: Buschtomaten, gegrillte
Saltbush-Blätter, Kängurusteak und an-
dere Köstlichkeiten, von denen sich die
Ureinwohner einst ernährten – und es
bis heute tun, wenn kein Supermarkt in
der Nähe ist.
Voyages, der Betreiber des Resorts,
ist stolz darauf, dass gut ein Drittel sei-
ner fast 900 Angestellten indigene Wur-
zeln hat. Nur etwa 20 stammen indes
von den lokalen Anangu. Die Ursachen
sind komplex, doch eine davon wird
klar, wenn man die Memoiren von Bill
Harney liest: der erste weiße „Hüter“
des Uluru. Darin schildert der erfahre-
ne Buschmann, wie er 1957 an seinem
ersten Tag im Dienst eine Handvoll frü-
her Uluru-Touristen begleitete. Abends
stand auf einmal ein Aborigine vor sei-
nem Zelt, ohne Kleider, dafür mit ei-
nem Känguru auf den Schultern, frisch
erjagt mit dem Bumerang. Er sprach
ein wenig Englisch und erzählte, dass
er mit seinem Clan in der Nähe campe
- unter freiem Himmel. Am nächsten
Tag kam er wieder und bereitete für
die Touristen sein Känguru auf dem
Feuer zu.
Diese Episode ist erst gute 60 Jahre
her. Und die längste Zeit davon zeigten
die weißen Besucher wenig bis keiner-
lei Respekt vor dem Wissen, der Kul-
tur, der Lebensweise seines Volkes. Die
meisten Anangu haben sich daher zu-
rückgezogen. Sie leben nicht in Yulara,
sondern in einer Siedlung 40 Auto-
minuten entfernt. Dort haben sie ihre
Ruhe vor den Touristen.
Das Kulturzentrum des National-
parks erzählt noch viel mehr über das
Leben der Ureinwohner. Und es beher-
bergt die Galerie „Maraku Arts“, in
der Aborigines-Künstler malen und
ihre Werke verkaufen. Zwei Frauen sit-
zen mit gekreuzten Beinen auf dem Bo-
den und tupfen in rasender Geschwin-
digkeit bunte Punkte auf eine Lein-
wand vor den Knien. Wundersame, far-
benfrohe Muster wachsen heran, auch
sie verkörpern „Tjukurpa“, erzählen
und lehren, fast immer drehen sie sich
um den Uluru.
Ob auch der Klettersteig in ihren
Geschichten vorkommt? Wie er kam
und wieder verschwand? Man traut
sich nicht zu fragen, so konzentriert
malen die Frauen. Vielleicht später ein-
mal, nach dem Fest, das die Anangu
und die Parkbehörde am 27. Oktober
gemeinsam ausrichten, um die Schlie-
ßung zu feiern. Wenn die Stangen von
einer Spezialfirma abmontiert sein
werden, die Metallkette als Ausstel-
lungsstück im Kulturzentrum liegt.
Und Wind und Wetter begonnen ha-
ben, die Narbe zu heilen, die all die
trampelnden Füße auf dem Berg hin-
terlassen haben. KATJA TRIPPEL
FORTSETZUNG VON SEITE 49
D
as Wetter war unfreundlich, der
schmale Weg, der sich von Gaio-
le zum Weingut Casanuova di
Ama schlängelt, nimmt seine englische
Bezeichnung wörtlich: „dirt road“. Die
dreckige Zufahrt allerdings ist Danielas
geringstes Problem: Der Wind hat einen
der Bäume im Hof umgeknickt und
drückt schwer auf das Dach eines Neben-
gebäudes. Doch sie kann nicht helfen, sie
hat Gäste: Zwei Pärchen und eine Fami-
lie haben ihre Antipasti bereits verspeist.
Der Gast- und Schankraum verströmt
Wohnzimmeratmosphäre, dabei ist er vor
allem Lagerstätte, erzählt Daniela, wäh-
rend sie die Pasta verteilt und weißen
Mattutino von 2017, roten Chianti Classi-
co Casanuova di Ama von 2015 und einen
La Fonte von 2012 ausschenkt. Unter dem
offenen und nicht isolierten Dachstuhl
ruhten schon zu Zeiten ihres Großvaters
die Fässer mit Vin Santo. Etwa 35 000 Fla-
schen Wein, 3000 Liter Olivenöl und 150
Liter Vin Santo produziert das Weingut
pro Jahr. Die Abschlussurkunde ihres
Sohnes, „Doktor der Önologie“, hängt
an der Wand. Leider arbeitet er nicht
hier, der Betrieb ist zu klein, um außer
ihr und ihrem Mann noch einen weiteren
Angestellten zu ernähren.
Seit gut zwanzig Jahren kredenzt Da-
niela Touristen ihre Weine. Englisch
konnte sie anfangs nicht, die Kommuni-
kation mit den Gästen, an die Sean Caul-
field zwei Ferienhäuser im fußläufig ent-
fernten Montebuoni vermietete, war
nicht leicht. Heute spricht sie charmant
und fließend Englisch, und der Brite
Caulfield vermietet mit seinem Unter-
nehmen „To Toskana“ an die 1000 Woh-
nungen und Villen und organisiert
Weinproben auf Weingütern oder im Fe-
rienhauswohnzimmer. Denn:wine sells.
Wer durchs Chianti reist, das den Groß-
teil der mittleren Toskana umfasst und
in dem der gleichnamige Rotwein produ-
ziert wird, kann kaum einen Schritt tun,
ohne gegen Weinfässer zu stoßen, die
den Weg zu einem Weingut weisen.
„Vor einiger Zeit hat sich niemand für
das interessiert, was er zu sich nimmt.
Heute werden Käse aus zwei verschiede-
nen Dörfern miteinander verglichen.
Und natürlich schmeckt ein Wein an-
ders, wenn man gesehen und gerochen
hat, wo er herkommt“, meint Marchesa
Albiera Antinori, die mit ihren Schwes-
tern Allegra und Alessia eine der größ-
ten und bekanntesten italienischen Wein-
produktionen, die „Marchesi Antinori“,
in 26. Generation führt. Fässer als Weg-
weiser brauchen die Antinoris allerdings
nicht, ein Schild weist an der „Raccordo
autostradale 3“, die Siena mit Florenz
verbindet, auf die 2012 eröffnete Wein-
welt hin, die aus Weinschule, Museum,
Kino, Bibliothek, Büros, Shop, Restau-
rant und natürlich Wein-, Öl- und Vin-
Santo-Kellern besteht. Der „Gallo
Nero“, Symbol und Garant für die stren-
gen Auflagen bei Anbau, Lese und Vinifi-
zierung, ist nicht darauf abgebildet. Das
Symbol von Antinori nel Chianti Classi-
co ist ein S mit zwei unterschiedlich gro-
ßen Punkten, das in seiner Dynamik an
den „Swoosh“ von Nike erinnert.
Tatsächlich pflegt man bei Antinori
ein ebenso professionelles Branding wie
bei dem Sportartikelhersteller: Der
Schwung findet sich auf Kartons, Wein-
flaschen, Poloshirts, Mützen. Auf den
buchbaren Touren erkundet man zudem
die phantastische Architektur, die die
Florentiner Architektengruppe Archea
erdacht hat. Aus der Ferne sieht es aus,
als hätte der italienische Künstler Lucio
Fontana mit einem Messer statt einer
Leinwand die Landschaft aufgeschlitzt.
Von nahem nimmt man das s-förmig ge-
schwungene flache Dach mit kreisrun-
den Löchern wahr. Durch eines
schraubt sich der Dreh- und Angel-
punkt des Gebäudes: eine Treppe aus
rostigem Stahl, knapp 17 Meter hoch,
gut 100 Tonnen schwer und tausendfach
auf Instagram gepostet.
Etwa 23 Millionen Flaschen produ-
ziert Antinori pro Jahr, erzählt Somme-
lière Stefania. Dass das Traditionshaus
auch bei der Professionalisierung des
Weintourismus im Chianti Vorreiter war
- es zählt 40 000 Besucher jährlich –, fin-
det Markus von der Planitz durchaus in
Ordnung. Der Norddeutsche arbeitet als
freiberuflicher Weinbauer und gehört
zum Team von Angela Saltafuori, die
Weintouren für kleine Gruppen anbie-
tet. Vor allem amerikanische Touristen
schätzen die Touren im bequemen Van.
Bis zu acht Stunden sind sie unterwegs,
länger als eine Führung durch die Anti-
nori-Keller und kürzer als die Kaltpres-
sung von Danielas Oliven. Noch mehr
Zeit sollte man wohl für die Weinspazier-
gänge einplanen, die Markus von der Pla-
nitz vorschweben. Aber schließlich wuss-
te schon Goethe: Das Leben ist zu kurz,
um schlechten Wein zu trinken.
KATHARINA MATZIG
Anreise Diverse Fluglinien steuern Florenz an, der öster-
reichische Nachtzug „Nightjet“ verbindet München täglich
mit Florenz: oebb.at.
WeingüterDie Azienda Agraria Casanuova di Ama hat
Montag bis Samstag von 11 bis 20 Uhr geöffnet, Anmel-
dung zur Verkostung: agrariacasanuovadiama.it. Im Anti-
nori nel Chianti Classico kostet die Führung mit anschlie-
ßender Weinprobe 35 Euro pro Person, Anmeldung und
weitere Touren: antinori.it. Mehr zu den Weintouren von
Angela Saltafuori unter angelapersonaltuscantour.com
UnterkunftTo Toskana vermietet zahlreiche Ferienwoh-
nungen und -häuser im Chianti, auf Weingütern oder in
Weinbergen wie etwa das einst von Galileo Galilei be-
wohnte Gut Podere di Casalta. Eine Woche dort kostet
für vier Personen ab 990 Euro: to-toskana.de.
Allgemeine Informationenunter http://www.visittuscany.com
Der Stein und das Nichts
AnreiseDie günstigsten und kürzes-
ten Flüge (ab 1250 Euro) bietet Etihad
Airlines von Frankfurt nach Sydney
und dann weiter nach Yulara/Ayers
Rock. Die australischen Airlines Qan-
tas, Virgin sowie Jetstar fliegen mehr-
mals die Woche von fast allen großen
Städten direkt nach Yulara.
Mit dem Auto von Darwin oder
Adelaide ca. zwei Tage über den
asphaltierten Stuart Highway süd-
bzw. nordwärts und dann über den
Lasseter Highway in Richtung
Yulara. Immer genügend Benzin
und Wasser an Bord haben!
Übernachten„Ayers Rock Resort“:
luxuriöse Zimmer, Apartments, Zelt-
plätze – in dem Resort gibt es Unter-
künfte für jeden Geschmack und
Geldbeutel, außerdem Restaurants,
einen Supermarkt und Angebote für
diverse Touren (Sonnenaufgang/-un-
tergang/Kamelritte/Sea of Lights
usw.): ayersrockresort.com.au
„Curtin Springs“: Die historische
Cattle Station eine knappe Stunde
vor Yulara bietet Zimmer sowie einen
Campingplatz: curtinsprings.com.
NationalparkDie Eintrittsgebühr für
denUluru-Kata-Tjuta-Nationalpark
beträgt derzeit rund 15 Euro/Person
(drei Tage). Kinder unter 16 Jahren
sind frei. Jeden Morgen führen Ran-
ger den Mala-Walk am Uluru entlang.
Buchung und weitere Informationen
unter: parksaustralia.gov.au/uluru
Der Klettersteig ist ab dem 26. Okto-
ber 2019 geschlossen.
Rotwein zieht immer
mehr Touristen in die
Chianti-Region, und
mankann kaum einen
Schritt tun, ohne
gegen Weinfässer zu
stoßen, die zum
nächsten Gut weisen.
Gut, dass es auch
noch die Marchesi
Antinori gibt
DER WEG ZUM ULURU
Mal sehen, wo der herkommt
Wein ist nicht genug: Das Antinori-Hauptgebäude hat eine Florentiner Architektengruppe erdacht – die Treppe ist 17 Meter hoch, 100 Tonnen schwer und wurde tausendfach gepostet. Fotos Antinori
Fass! Etwa 23 Millionen
Flaschen produziert
Antinori pro Jahr, das
Weingut lockt jährlich
40 000 Besucher an.
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