52 reise FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG, 20. OKTOBER 2019, NR. 42
S
chon auf dem Bahnhofsvorplatz
von Brünn gerät man, noch gar
nicht richtig angekommen, ins
Staunen. Die Anmut des mähri-
schen Funktionalismus begrüßt die Besu-
cher in Form des zweistöckigenČedok-
Gebäudes, von Oskar Poříska 1928 er-
baut, ehemals Herberge, dann Reisebü-
ro, mit seiner charakteristischen schiffs-
bugartigen „runden Ecke“. Und nahe
der Mündung der Česka-Straße ins
Tram-Paradies Joštova, wo ganz Brünn
sich zum Flanieren und Einkaufen trifft,
findet sich das angeblich „schmalste Ho-
tel Europas“, das „Hotel Avion“ von Bo-
huslav Fuchs: ein achtgeschossiger Stahl-
skelettbau, der dank seiner genialen Kon-
struktion zur Inspirationsquelle für die
Zeitgenossen wurde und bis heute eines
der funktionalistischen Architekturjuwe-
le der tschechischen Stadt ist.
Davon hat die Stadt viele: 441 Gebäu-
de listet das „Brünner Architekturmanu-
al“ (BAM) auf, eine Internetdatenbank
zu den zwischen 1918 und 1945 entstande-
nen Bauten und ihren Architekten. In
kurzen Texten, die auf Tschechisch,
Deutsch und Englisch abrufbar sind, lie-
fert das BAM baugeschichtliche und bio-
graphische Informationen, dazu versam-
melt es Hunderte Fotos, Karten und Plä-
ne. Jedes Gebäude ist mit einem Code
versehen, der sich als Markierung auch
auf dem Gehsteig vor den realen Bauten
wiederfindet. Und da alle Internettexte
gleichzeitig als Audio-Aufnahme verfüg-
bar sind, lassen sich mit Smartphone und
Kopfhörern bequem ausgedehnte Archi-
tekturspaziergänge in der „Stadt der wei-
ßen Moderne“ unternehmen.
Dass in den beiden Zwischenkriegs-
jahrzehnten so viel Erstaunliches, Weg-
weisendes gebaut werden konnte, ver-
dankt Brünn der glücklichen Verbindung
aus Aufbruchstimmung nach Gründung
der Tschechoslowakischen Republik 1918
und Ausweitung der Stadtgrenzen, wo-
durch eine Großstadt mit immerhin
knapp einer Viertelmillion Einwohnern
entstand. Es herrschte Wohnungsman-
gel, worauf die Stadt einerseits mit der
Erschließung eines südwestlich des Zen-
trums gelegenen Hügels reagierte, auf
dem die betuchteren Einwohner sich re-
präsentative weiße Villen bauen ließen,
„Tel Aviv des Nordens“ genannt. Ande-
rerseits wurden für Arbeiter und Ange-
stellte Sozialbauten errichtet, dazu Schu-
len und Krankenhäuser, Universitätsge-
bäude und Bibliotheken, Studentenwohn-
heime, Bäder und Sportanlagen.
Brünn – mit 380 000 Einwohnern die
zweitgrößte Stadt Tschechiens – beein-
druckt nicht mit Größe, sondern mit Ur-
banität. Die Bauten sind schlank, leicht,
wirken oft wie schwebend und zeigen
eine Vorliebe für abgerundete Ecken, ge-
bogenes Glas, geschwungene Treppen,
flügelförmige Balkons, Glasbausteine,
Über-Eck-Fensterbänder, schiffsdeckarti-
ge Dachterrassen, grazile Geländer und
Oberlichtpassagen. Nur zweimal gab es
Pläne, im Stadtzentrum Hochhäuser zu
bauen. Der leicht größenwahnsinnige
Schuhhersteller Bat’a plante Mitte der
1920er Jahre einen 23 Stockwerke hohen
Hybrid aus Kaufhaus und Verwaltungs-
sitz, der das damals höchste Gebäude Eu-
ropas zu werden versprach. Der beauftra-
ge Architekt, Vladimír Karfík, hatte Er-
fahrungen bei Frank Lloyd Wright ge-
sammelt, und sein Entwurf wurde enthu-
siastisch begrüßt; der schwierige Brün-
ner Baugrund setzte dem Vorhaben je-
doch bereits nach dem achten Geschoss
ein Ende. Ein ähnliches Schicksal ereilte
Bohuslav Fuchs’ Alfa-Palast, auch dort
war nach acht, statt der geplanten 14
Stockwerke Schluss.
Zum Glück, muss man sagen, denn
Gigantismus passt nicht zu Brünn. Nur
zwei Gebäude der Innenstadt haben sich
nicht an diese Bescheidenheitsregel ge-
halten: das Janáček-Theater (das Brünner
Opernhaus), ein klassizistisch-funktiona-
listischer Hybrid aus den 1960er Jahren.
Und der berühmteste Bau der klassi-
schen Moderne, seit 2001 Unesco-Welt-
kulturerbe: die Villa Tugendhat von
Mies van der Rohe, eine Adaption des
für die Weltausstellung in Barcelona ge-
bauten Deutschen Pavillons. Doch was
als Ausstellungsgebäude überzeugt, irri-
tiert, wenn es mit aufgesockelten asepti-
schen Kinderschlafzimmern und ein-
gebauter Chauffeurswohnung daher-
kommt. Mit seiner abweisenden Straßen-
front hat der langgezogene Bau zudem
nichts vom einladenden Geist Brünns.
In den letzten beiden Jahrzehnten hat
Brünn sich nicht nur um seine jüngere ar-
chitektonische Vergangenheit geküm-
mert, viel saniert, rekonstruiert und so-
gar wiederaufgebaut. Die Stadt hat auch
mit spektakulär unprotzigen, funktional-
eleganten Gebäuden an ihre Glanzzeiten
angeknüpft. Der Neubau der Mährischen
Landesbibliothek beeindruckt durch sei-
neübersichtliche, selbsterklärende Benut-
zerfreundlichkeit. Und das alte Freibad
auf der Kraví Hora, einem nahe der
Stadt gelegenen Ausflugshügel, bekam
eine Schwimmhalle an die Seite gestellt,
bei der fast alles aus Glas ist, selbst die
Geländer, was einen phänomenalen
Rundumblick erlaubt. Den schönsten
Neubau aber haben Architekten aus
Brünn der Philosophischen Fakultät der
Masaryk-Universität geschenkt. Der
Campus ist ein modern interpretierter
Klostergarten, der mit dem gläsernen Bi-
bliotheksquader verbunden ist. Dessen
Kombination aus Lesesälen und dem
durch ein ovales Oberlicht beleuchteten
Treppenhaus aus Sichtbeton wirkt leicht
und unprätentiös. Im Innenbereich fin-
det man Ruhe und Konzentration für die
geistige Arbeit, draußen einen terrassier-
ten Garten mit großem Wasserbecken
für Kontemplation und Entspannung.
Hier sitzend, während man die plau-
dernden, lesenden und schlafenden Stu-
denten beobachtet, lässt sich gut darüber
nachsinnen, was diese Stadt so lebens-
wert macht. Es ist nicht die Architektur
allein, die Brünn auszeichnet, sondern
auch seine Größe und Lage, seine Leben-
digkeit und sein kulturelles Angebot.
Und die Tatsache, dass es langsam über
die Jahrhunderte wachsen konnte und im
Krieg kaum zerstört wurde, und so, bei
aller Veränderung, seinen Charakter be-
wahrt hat. Die Architektur, gerade die
jüngere, aber hat daran ihren Anteil.
Und diesen zu erkunden ist Brünn jede
Reise wert. BETTINA HARTZ
Anreise Mitdem EC, der von Hamburg nach Budapest
fährt, von Berlin, über Dresden und Prag, in siebenein-
halb Stunden nach Brünn; ab Berlin Bahncard-25-Spar-
preis ab 24,90 Euro
Unterkunft„Grandezza Hotel Luxury Palace“, zentral
gelegen am Gemüsemarkt, luxuriöses Boutique-Hotel,
ab 105 Euro/Nacht: grandezzahotel.com. „Maximus
Resort“, mit Pools, Sauna- und Wellnessbereich, an
der Brünner Talsperre gelegen, ab 108 Euro/Nacht im
DZ/Frühstück: maximus-resort.cz. Im Hostel „Mitte“ sind
die Zimmer und Apartments Brünner Berühmtheiten
gewidmet – Kundera, Gödl, Fuchs, mit gemütlichem
Café: hostelmitte.com.
ArchitekturDas „Brünner Architekturmanual“ listet
441 Gebäude auf: bam.brno.cz/de/.
Weitere Informationenunter gotobrno.cz/de/
Brünns runde Ecken: Treppenhaus in der Mährischen Landesbibliothek, Balkone eines Wohnhauses, Villa Tugendhat Fotos AKG, Hartz (2)
Spektakulär
unprotzig
Wo liegt das sogenannte „Tel Aviv des Nordens“?
Ein Spaziergang durch das tschechische Brünn
mit seiner einzigartigen, schwebenden Architektur
1 km
Villa
Tugendhat
Mährische
Landesbibliothek
Freibad
Kraví Hora
Brünn
(Brno)
Hauptbahnhof
Čedok-Gebäude
Hotel Avion
Janáček-Theater
Masaryk-
Universität
Messe-
gelände
F.A.Z.- Karte sie.
DEUTSCH- POLEN
LAND
100 km
ÖSTERR.ÖSTERR. SLOWAKEI
Prag
Mähren
Brünn (Brünn (Brno)Brno)
TSCHECHISCHE
REPUBLIK
Reiseverlauf
1.Tag,So:Benvenuti!Morgens Linienflug mit Lufthansa
nonstop von Frankfurt nach Palermo. Ihr Marco Polo
Scout begrüßt Sie und nimmt Sie mit auf den Weg zum
Fährhafen von Milazzo. Mit der Fähre setzen Sie über
nach Lipari. Beim gemeinsamen Abendessen im Hotel
heißt es „Benvenuti“. A
- Tag, Mo: Vulcano und Lipari.Kurze Überfahrt per
Boot nach Vulcano: Es dampft und brodelt in der sagen-
haften „Schmiede der Götter“. In der einzigen Käserei
der Äolischen Inseln erwartet uns Fabrizio, der uns von
der Entstehung seines Betriebes und der Haltung seiner
über 250 Ziegen erzählt.
Danach haben wir Zeit für unsere eigenen Erkundungen.
Wanderfreunde können hinauf zum Gran Cratere gehen.
Nachmittags sind wir zurück in Lipari, der Hauptstadt des
Archipels. F
3.Tag,Di:WeinaufSalina.Wir steuern die grüne Gar-
teninsel Salina an: Ginster, Hibiskus und Oleander sind
hier allgegenwärtig. Während einer Rundfahrt entdecken
Überresten des bronzezeitlichen Dorfes Capo Graziano.
Die Grotta del Bue Marino gilt mit ihrem kristallklaren
blauen Wasser als eine der schönsten Grotten Süditaliens.
Alicudi wird auch als das Ende der Äolischen Inselwelt
bezeichnet. Knapp 100 Einwohner zählt die Insel, die hier
von der Landwirtschaft leben. Wir fühlen uns wie in ande-
re Zeiten zurückversetzt. Zurück auf Lipari lassen wir den
Tag bei einer Weinprobe ausklingen. F
5.Tag,Do:MondänesPanarea.Wir verlassen Lipari und
setzen über nach Panarea. Ein kleines Naturparadies für
die Reichen und Schönen. Wir flanieren durch enge Gas-
sen und erfreuen uns am „dolce vita“. Nächster Stopp:
Stromboli. Von weitem begrüßen uns die Rauchschwa-
den und es eröffnet sich der Blick auf den seit 2000 Jahren
aktiven Vulkan. Wir erkunden gemeinsam den Hauptort
San Vincenzo und können uns dann dem süßen Nichts-
tun hingeben. Oder wir begleiten den Scout auf einen
Spaziergang zu einem Aussichtspunkt (1 Std., leicht) und
nehmen danach Platz in einer Pizzeria (gegen Mehrpreis,
Abendessen inklusive). F
- Tag, Fr: Entdeckertag.Der Tag gehört Ihnen! Wie
wäre es mit einem Bad an einem der Lavastrände? Oder
Sie kommen mit zu einer Bootsfahrt (gegen Mehrpreis)
rund um die Insel Stromboli und bewundern den Vulkan-
kegel vom Meer aus. Unterwegs gibt es die Möglichkeit zu
einem Badestopp. Am Abend treffen wir uns alle zu einer
ganz besonderen Tour zu Wasser wieder. Wenn die Sonne
sinkt, steigt die Spannung: Dramatisch schießen glutrote
Lavafontänen in den nächtlichen Himmel über Stromboli.
Wir schauen in sicherer Entfernung vom Boot aus zu und
halten die Kameras bereit. F
7.Tag,Sa:AufnachCatania.Mit der Fähre geht es zu-
rück nach Sizilien und weiter per Bus nach Catania. Eine
Stadt in Schwarz-Weiß: Unser Scout lotst uns durch die
Altstadt aus hellem Kalkstein und schwarzer Lava. F/A
8.Tag,So:Arrivederci!Am Morgen Transfer zum Flug-
hafen von Catania und Linienflug nonstop mit Lufthansa
nach Frankfurt. Ankunft am frühen Nachmittag. F
F=Frühstück, A=Abendessen
Reisetermine
19.04. – 26.04.2020 26.04. – 03.05.2020
03 .05. – 10.05.2020 10.05. – 17.05.2020
17.05. – 24.05.2020 31.05. – 07.06.2020
07.06. – 14.06.2020 14.06. – 21.06.2020
13.09. – 20.09.2020 20.09. – 27.09.2020
27.09. – 04.10.2020 04.10. – 11.10.2020
18.10. – 25.10.2020
Reisepreise pro Person
ab € 1545 Doppelzimmer
ab1820€Einzelzimmer
SIZILIEN
Palermo
Catania
Milazzo
Stromboli
Salina
Lipari
Panarea
Vulcano
Filicudi
Alicudi
TYRRHENISCHES
MEER
wir die schönsten Aussichtspunkte Salinas. Ein wichti-
ges Standbein der Insel ist die Landwirtschaft. In einer
Weinkellerei verkosten wir den goldgelben Malvasia
delle Lipari und lassen uns dazu typisch äolische Snacks
schmecken. F
Weitere Informationen,
Beratung und Buchung auf
leserreisen.faz.net
Italien–
ÄolischeInseln
SiebenInselnaufeinenStreich
Willkommen auf dem feurigen Insel-
archipel! Sie entdecken das abwechs-
lungsreiche Lipari, kosten von den
Delikatessen des grünen Salina und
erkunden die kleinsten Inseln Filicudi
und Alicudi. Beim Abstecher nach
Panarea zum Domizil der Reichen und
Schönen schnuppern Sie Jetsetluft
und auf Stromboli erleben Sie aktiven
Vulkanismus. Genießen Sie ein Stück
authentisches Italien.
4.Tag,Mi:FilicudiundAlicudi.Heute bringt uns ein Boot
zu den beiden kleinsten der sieben Äolischen Inseln: Filicu-
di und Alicudi werden als „Geheimtipps“ gehandelt. Filicu-
di ist ein weitgehend unberührtes Inselparadies mit bezau-
bernder Landschaft. Wir wandern (1,5 Std., leicht) zu den
Hotline: (069) 75 91-37 83 · E-Mail: [email protected] · Beratung und Buchung: Montag bis Freitag von 8.00 bis 19.00 Uhr und Samstag von 9.00 bis 14.00 Uhr
Reiseveranstalter: Marco Polo Reisen GmbH, Riesstraße 25, 80992 München
Lipari · © Fotolia/SilvyK
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