Katharina Schneider Frankfurt
D
ie zweite europäische
Zahlungsdiensterichtli-
nie – PSD2 – sollte den
Zahlungsverkehr ei-
gentlich nicht nur si-
cherer, sondern auch bequemer ma-
chen. Doch davon spüren die Ver-
braucher derzeit nichts. Wollen sie
online oder per Smartphone-App auf
ihr Konto zugreifen, ist das nun häu-
fig komplizierter.
Einen Monat nach Inkrafttreten
der neuen Regeln steigt die Zahl der
täglichen Beschwerden bei den Ver-
braucherzentralen noch an – und bei
etlichen Bankkunden könnten die
Probleme sogar erst im Dezember
anfangen.
„Verbraucher verzweifeln am neu-
en Anmeldeverfahren für das Konto
der DKB“, „Verbraucher erreichen
den Kundenservice der Comdirect
nicht“ oder „Kunden können sich
trotz Freischaltcode nicht ins Online-
banking der Postbank einloggen“ – in
den vergangenen vier Wochen sind
bei Kay Görner, Referent beim Markt-
wächter Finanzen der Verbraucher-
zentralen, mehr als 300 solcher Mel-
dungen eingegangen. Und die Proble-
me lassen nicht nach. „Momentan
steigt die Zahl der täglichen Be-
schwerden sogar noch“, sagte Gör-
ner dem Handelsblatt. Allein in der
vergangenen Woche habe er etwa
100 Beschwerden gezählt.
Das könnte daran liegen, dass
manche Kunden erst jetzt wieder ihr
Onlinebanking nutzen möchten. Für
wahrscheinlicher hält Görner aber
die Erklärung, dass die Bekanntheit
der Marktwächter als Beschwerde-
stelle steigt. Auch bei der Finanzauf-
sicht Bafin mehren sich Beschwer-
den. Zwischen dem 14. September
und 10. Oktober verzeichnete die Be-
hörde 1 049 Kundenbeschwerden zu
Banken – zweieinhalbmal so viel wie
in einem durchschnittlichen Monat
im vergangenen Jahr.
Nach Angaben einer Sprecherin
der Bafin könne allerdings noch nicht
abschließend beurteilt werden, ob
die geschilderten Probleme primär
auf Fehler der Institute oder doch auf
Bedienungsfehler oder Unsicherhei-
ten seitens der Kunden zurückzufüh-
ren seien. Man behalte das im Blick.
Verwirrung bei Abfrage
Schwierigkeiten bereitet den Ver-
brauchern insbesondere die soge-
nannte Zwei-Faktor-Authentifikation
beim Konto-Log-in. Neben dem Pass-
wort müssen die Kunden jetzt noch
einen „zweiten Faktor“ eingeben.
Den bekommen sie teils per SMS,
über sogenannte Foto- und Push-
TAN-Apps oder über TAN-Generato-
ren. Nicht alle Kunden waren darauf
vorbereitet. Zudem sorgen auch ver-
schiedene Rhythmen der Abfragen
für Verwirrung.
Bei einigen Banken müssen Kun-
den seit dem 14. September bei je-
dem Kontozugriff den zweiten Faktor
eingeben – zum Beispiel bei der DKB
beim Log-in per Computer und der
Commerzbank auch beim Log-in per
Smartphone. Bei der Comdirect und
den Sparkassen ist das nur alle 90 Ta-
ge nötig. Bei der Deutschen Bank sol-
len die Kunden ab 23. Oktober selbst
entscheiden, wie oft sie sich mit TAN
identifizieren wollen.
Manche Geldhäuser wie die Spar-
kassen haben sich zudem eines Kniffs
bedient, der dazu führt, dass ihre
Kunden erst im Dezember zum ers-
ten Mal beim Konto-Log-in einen
zweiten Faktor vorweisen müssen.
Dafür nutzen sie den 90-Tage-Rhyth-
mus und haben ihre Systeme so ein-
gestellt, als hätten sich die Kunden
bereits am 13. September per TAN
identifiziert. Finanzexperten zufolge
bleibt abzuwarten, ob die Umstellung
dann reibungslos funktioniert.
Eine repräsentative Umfrage, die
das Meinungsforschungsinstitut You-
gov im Auftrag des Handelsblatts
durchgeführt hat, warf diese Woche
ein besseres Bild auf den Status quo:
Die Hälfte der mehr als 500 Befrag-
ten zeigte sich zufrieden mit den Än-
derungen im Onlinebanking. 27 Pro-
zent waren nicht oder nur teilweise
zufrieden. Unter Handelsblatt-Lesern
überwogen in einer Online-Abstim-
mung die negativen Erfahrungen.
Verbraucherschützer beklagen bei
den aktuellen Problemen insbeson-
dere die teilweise schlechte Erreich-
barkeit des Kundenservices. „Banken
sind gesetzlich dazu verpflichtet, ge-
rade bei Kontosperrung für ihre Kun-
den erreichbar zu sein, das ergibt
sich schon aus Paragraf 675m Abs. 1
Nr. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs“,
sagt Görner. Rechtsschritte gegen ei-
ne Bank einzuleiten sei aber schwie-
rig. „Dafür müssten die Verbraucher
schon sehr genau dokumentieren,
wann sie versucht haben, ihre Bank
zu erreichen und welche Antworten
sie wann bekamen“, sagt der Ver-
braucherschützer.
Auf die Probleme angesprochen,
betonen die Banken, dass es derzeit
„keine generelle Störung im Online-
banking“ und „keinerlei grundsätzli-
che technische Einschränkungen“ ge-
be. Die Direktbank DKB spricht von
„einem überproportional hohen In-
formationsbedarf aufseiten der Kun-
den“ infolge der Umstellung des Ban-
king-Log-ins auf die Zwei-Faktor-Au-
thentifizierung und daraus
resultierend von einer „einge-
schränkten Erreichbarkeit des Kun-
denservices“.
Auch ein Sprecher der Comdirect
bestätigt ein weiterhin „erhöhtes Auf-
kommen an Kundenanfragen“, das
„nicht zu hundert Prozent abgefe-
dert“ werden könne. Manche Kun-
den hätten sich beispielsweise noch
immer nicht für die neuen TAN-Ver-
fahren registriert oder nutzten ein
veraltetes Betriebssystem auf ihrem
Smartphone, sodass die App nicht
funktioniere.
Die Postbank verweist zudem auf
„Streikmaßnahmen von Postbank-
Beschäftigten der vergangenen Wo-
chen“. Diese würden immer noch
dazu führen, „dass die Erreichbar-
keit unserer Serviceeinheiten auf
den unterschiedlichen Kommunika-
tionswegen nicht in der gewohnten
Qualität gegeben ist, beziehungswei-
se Arbeitsrückstände aufgearbeitet
werden müssen“, so eine Postbank-
Sprecherin.
Die vielen unterschiedlichen Si-
cherheitsverfahren in der Branche
bereiten auch den Banken selbst Pro-
bleme. So haben beispielsweise die
Comdirect und Commerzbank ihre
Multibanking-Funktionen auf unbe-
stimmte Zeit abgeschaltet. Darüber
konnten Kunden ihre Konten von an-
deren Banken mit dem Onlineban-
king verknüpfen und so auf einen
Blick verwalten.
Auch die Sparda-Banken Mün-
chen, Baden-Württemberg und Han-
nover haben bereits vor einem Mo-
nat ihre „Kontostands-App“ abge-
schaltet. Eine Multibanking-Funktion
ist auch in der Sparda-App nicht ver-
fügbar. Die Deutsche Bank will die
Multibanking-Funktion nach Anga-
ben eines Sprechers zum 23. Oktober
wieder aktivieren. Auch Anbieter von
bankfremden Finanz-Apps mussten
ihre Systeme in den vergangenen Wo-
chen an die neuen Sicherheitsverfah-
ren der Banken anpassen. Im Ver-
gleich zu den Apps der Banken füh-
len sich die Anbieter benachteiligt.
Bedienkomfort leidet
So können manche Banking-Apps
technisch mit dem Smartphone ver-
knüpft werden, sodass schon der Be-
sitz des Geräts als zusätzlicher Sicher-
heitsfaktor gewertet wird und die Ex-
tra-TAN entfällt. Nicht möglich ist
dies bei Multibanking-Apps von An-
bietern wie Outbank, Numbrs und Fi-
nanzguru. Fynn Kreuz von Numbrs
spricht deshalb von einer „Diskrimi-
nierung“. Die bankenseitige Umset-
zung der PSD2 führe „weiterhin zu
teils schweren Behinderungen bei
der Nutzung von Produkten von
Drittanbietern“. Darunter leidet der
Bedienkomfort, da Kunden beim Ak-
tualisieren mehrerer mit der App ver-
knüpfter Konten auch mehrere TAN-
Verfahren durchlaufen müssen.
Die Unternehmen fordern deshalb,
dass Banken nur alle 90 Tage eine
TAN-Abfrage verlangen. Die DKB und
die Deutsche Bank ermöglichen dies
bei Kontoabfragen von Drittanbietern
schon. Eine Verpflichtung besteht da-
zu laut Bafin nicht.
Auch die TAN-Verfahren selbst stel-
len die App-Anbieter vor Herausfor-
derungen. „Möchte der Nutzer eine
per App generierte TAN in Outbank
eingeben, muss er sich bis zu acht-
stellige Codes merken“, heißt es bei
Outbank. Das Kopieren der Nummer
sei häufig nicht möglich. Das sei „ei-
ne klare Benachteiligung von Drittan-
bietern und widerspricht dem
Grundsatz von PSD2“.
Für Apple-Nutzer mit Apple-Watch
hat der App-Anbieter allerdings
schon einen technischen Umweg ent-
wickelt: Die Photo-TAN wird auf der
Uhr angezeigt und kann von dort mit
dem iPhone abfotografiert werden.
PSD2-Richtlinie
Komplizierter
Kontozugriff
Seit einem Monat gelten neue Regeln für den Zugriff auf
das Bankkonto. Noch überwiegen die Probleme.
Momentan
steigt die
Zahl der
täglichen
Beschwerden
sogar noch.
Kay Görner
Verbraucherzentrale
Onlinebanking:
Verbraucher haben oft
Schwierigkeiten mit
dem Konto-Log-in.
plainpicture/Lisa Krechting
Finanzen & Börsen
DONNERSTAG, 17. OKTOBER 2019, NR. 200
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