Die Welt - 15.10.2019

(Steven Felgate) #1

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15.10.19 Dienstag, 15. Oktober 2019DWBE-HP


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12 GESELLSCHAFT DIE WELT DIENSTAG,15.OKTOBER


I


m Vergleich mit anderen politisch
aufstrebenden oder bereits erfolg-
reichen jungen Frauen ist Lucie
Hammecke anders: ruhiger, zu-
rückhaltender, bedachter. Lilly
Blaudszun (18) von den Jusos inszeniert
sich mit manchmal überbordender
(Selbst-)Ironie bei Twitter. „Fridays-
for-Future“-Kopf Luisa Neubauer (Grü-
ne, 23) lenkt auf Podien und in Talk-
shows mit Pointenfeuerwerken und
gern auch Frontalangriffen die Auf-
merksamkeit auf sich. Hammecke dage-
gen steht beim Landesparteitag der
Grünen in Sachsen am Samstag auf der
Bühne und liest eine vorher detailliert
ausgearbeitete Rede von vier kleinen
Notizzetteln fast wortgetreu ab.

VON CURD WUNDERLICH

Während andere Landtagsabgeordne-
te zuvor händeschüttelnd durch den
Saal in Leipzig laufen, sitzt Hammecke
in der letzten Reihe und schreibt ihre
Rede einmal auf. Und dann noch ein
zweites Mal in Schönschrift. Jedes Wort
soll sitzen. Die 23-Jährige nimmt sich
zurück – unterschätzen sollte man sie
deshalb nicht.
Ohne die junge Frau zu sprechen,
könnte man sie für noch zwei, drei Jahre
jünger halten. Das weiße T-Shirt mit
buntem „Female“-Aufdruck und der grau
karierte Blazer darüber symbolisieren
die zwei Welten, zwischen denen
Hammecke gerade hin- und herpendelt,
sich auch noch ein bisschen überlegt,
wohin sie besser passt: die Party- und
Demofreizeit einer jungen Grünen oder
der von Diskussionen und Kompromis-
sen geprägte realpolitische Alltag einer
Abgeordneten. Seit Anfang Oktober sitzt
sie als Jüngste im Sächsischen Landtag.
„Ich überlege manchmal, ob ich im
schwarzen Blazer und Bluse Bahn fahre,
damit man mir eher glaubt, dass ich Ab-
geordnete bin“, erzählt sie am Rande
des Parteitages im mondänen „Park Ho-
tel“ in Leipzig. Als Mitglied des Landta-
ges darf Hammecke kostenlos Bahn fah-
ren, in ganz Sachsen und bis Berlin. In
ihren eigentlichen Klamotten würde ihr
doch erstmal keiner glauben, dass sie
gewählte Abgeordnete ist, meint sie.
Das könnte auch daran liegen, dass
sie sich lieber in die zweite Klasse

setzt, obwohl sie die erste Klasse nut-
zen dürfte. Sie fühle sich da einfach
wohler, sagt Hammecke. Es zeigt aber
vor allem, dass sie sich über vieles Ge-
danken macht. „Vielleicht bin ich noch
etwas unsicher“, fragt sie mehr, als
dass sie es sagt. Dabei dürfte der ei-
gentliche Grund für ihren freiwilligen
Luxusverzicht darin liegen, dass sie
sehr auf soziale Gerechtigkeit und
Gleichheit achtet.
Gleichheit ist sowieso dasThema für
die gebürtige Magdeburgerin, die 2016
fürs Studium nach Sachsen zog. Mit-
glied ihrer Partei wurde sie nach der
Bundestagswahl 2017 nicht etwa primär
wegen der Klimapolitik, sondern weil
sie nach den „erschreckenden Ergebnis-
sen der AfD“ im Osten „heftig was än-
dern“ wollte – und in den Grünen ge-
sellschafts- und sozialpolitisch die ein-
zig wirklich progressive Kraft sah. Sie
will die Hartz-IV-Sanktionen ersatzlos
abschaffen, eine höhere Frauenquote
für Führungspositionen im öffentlichen
Dienst per Gesetz erzwingen und keine
neuen sicheren Herkunftsstaaten für
Migranten definieren.
Alles Themen, die auch und gerade in
Ostdeutschland kontrovers diskutiert
werden. Bei der Frage, wie sie als Nach-
wende-Geborene Ostdeutschland und
die Ostdeutschen sieht, wird Hamm-
ecke nachdenklich: „Früher gab es für
mich diesen Unterschied zwischen
West und Ost eigentlich gar nicht“, sagt
sie. „Aber mittlerweile habe ich ge-
merkt: Etliche Menschen begreifen sich
als Ostdeutsche.“ Das mache sie schon
allein daran fest, dass im Osten viel
mehr Menschen AfD wählten als im
Westen. Ob das daran liegen könnte,
dass ostdeutsche Belange bei bundespo-
litischen Entscheidungen zu wenig be-
rücksichtigt würden? „Das weiß ich
nicht“, sagt Hammecke geradeheraus.
„Weil ich gar nicht sagen kann, was ost-
deutsche Belange sind.“
Sollte jemand, der spontan nichts
über ostdeutsche Belange weiß, Land-
tagsabgeordnete in Sachsen werden?
„Warum nicht?“, fragt Hammecke erst
nur zurück. Es sei kein Frevel zuzuge-
ben, dass man über gewisse Fragen erst
noch nachdenken müsse. Ein Einge-
ständnis, dass sie von vielen anderen
Berufspolitikern abhebt, die, wenn sie

keine Antwort wissen oder geben wol-
len, um die Frage herumlavieren. Doch
diese Frage arbeitet in Hammecke. –
Gut 20 Minuten später kommt sie im
Gespräch unvermittelt auf das Thema
zurück. Sie wolle dazu jetzt noch was
sagen: „Es gibt ja viele junge Menschen
wie mich, die nach der Wende geboren
und nie mit der DDR in Kontakt gekom-
men sind.“ Die seien ein genauso rele-
vanter Teil der Gesellschaft wie die Ge-
neration ihrer Eltern – und dürften da-
her genauso politisch partizipieren,
auch wenn sie nicht so scharf zwischen
Ost- und Westdeutschland unterschei-
den würden.
Dadurch dass Hammecke es als
Jüngste in den Landtag geschafft hat –
bei der Wahl und bis vor einer Woche
war sie noch 22 –, wird sie für andere
junge Menschen, vor allem Frauen, zum
Vorbild. Auf Instagram nimmt sie ihre
Follower mit in den Alltag einer Berufs-
politikerin. „Weil viele sich gar nicht
richtig vorstellen können, was man da
so den ganzen Tag macht.“ Das wolle sie
ändern – und stoße damit auf viel posi-
tive Resonanz. Andere junge Politiker,
insbesondere Grüne, hätten sich bereits
bei ihr gemeldet, gefragt, wie sie das al-
les so jung geschafft habe.
Hammecke erzählt das alles mit lei-
ser, aber fester Stimme. Die 23-Jährige
denkt so schnell wie sie redet – und das
ist sehr schnell. Nicht alle Sätze sind da-
durch grammatikalisch druckreif, in-
haltlich sitzen sie aber immer. Dreimal
sagt sie: „Das haben andere schon so
viel klüger gesagt als ich.“ Eine sympa-
thische Selbsterkenntnis, die aber auch
Unsicherheit zeigt. Dabei hätte Hamm-
ecke die gar nicht nötig. Denn im Zwie-
gespräch ist da plötzlich das Charisma,
das auf der Bühne auf dem Parteitag in
Leipzig, wo sie ihre Rede vorlas, noch
fehlte: ausladende Gesten, herzliches
Lachen, smarte Nachfragen.
Die sächsischen Grünen entschieden
sich am Samstag in Leipzig für die Auf-
nahme von Koalitionsverhandlungen
mit der CDU um Ministerpräsident Mi-
chael Kretschmer und der SPD. Die Eu-
phorie über das beste je in Sachsen ein-
gefahrene Ergebnis (8,6 Prozent, 12 Sit-
ze) war da längst verflogen. Die Sondie-
rungsergebnisse ließen viele ernüchtert
zurück: Zu wenig hatte sich der beson-

ders konservative sächsische CDU-Lan-
desverband in den Augen vieler bewegt.
So sieht das auch Marie Müser, 21. Sie
ist Mitglied der Grünen Jugend in Leip-
zig. Eine rot-rot-grüne Koalition wäre
ihr deutlich lieber gewesen, Kenia – also
Schwarz-Rot-Grün – sei nicht mehr als
eine „realpolitische Notwendigkeit“. Ei-
ne von allen beteiligten Parteien gewoll-
te Koalition ohne die CDU ist nach der
Wahl in Sachsen rechnerisch unmög-
lich. Müser und andere Junggrüne, wie
der Leipziger Quentin Kügler (20), ste-
cken jetzt viele Hoffnungen in Lucie
Hammecke. „Lucie nimmt sehr gut die
Stimmung von uns jungen Leuten
wahr“, sagt Müser. Sie hofft, dass
Hammecke sich in den nun beginnen-
den Koalitionsverhandlungen darauf
besinnt und auf grüne Inhalte pocht.
Kügler nennt beispielhaft die Jugendbe-
teiligung, die er in Sachsen deutlich
stärken will: „Da haben wir mit Lucie
jetzt eine starke Stimme im Landtag“,
ist er überzeugt.
Tatsächlich ist auch Hammecke nicht
mit allen Ergebnissen des Sondierungs-
papiers zwischen CDU, SPD und Grü-
nen glücklich. Auch ihr wäre – das gibt
sie unumwunden zu – eine rot-rot-grü-
ne Koalition lieber gewesen. Die
wünscht sie sich auch für den Bund,
„weil nur so echter sozialer und klima-
politischer Wandel möglich ist“.
Und Jugendbeteiligung, wie Kügler
sie fordert, ist eins ihrer Schwerpunkt-
themen: In ihrer Rede in Leipzig forder-
te Hammecke, für eine Absenkung des
Wahlalters auf Kommunal- und Landes-
ebene auf 14 Jahre zu kämpfen. Im Ge-
spräch gibt sie später zu, dass das mit
der CDU wohl kaum machbar sein dürf-
te. „Aber vielleicht findet man einen
Kompromiss und geht auf 16 Jahre run-
ter.“ Schließlich habe sich das mittler-
weile sogar die Junge Union als Forde-
rung zumindest für die Kommunalebe-
ne auf die Fahnen geschrieben.
Auf solche und viele ähnliche Mittel-
wege wird sich die Politikwissenschaft-
lerin, die noch auf die Bewertung ihrer
Bachelorarbeit wartet, in den Koaliti-
onsverhandlungen und danach in einer
möglichen Regierung mit CDU und SPD
einstellen müssen. Dessen ist sie sich
bewusst. „Ich habe auch gar nichts ge-
gen Kompromisse“, sagt sie.

Allerdings hat die Grüne genauso we-
nig etwas dagegen, wenn andere kom-
promisslos ihre Ideale einfordern. Ex-
tinction Rebellion hält sie neben „Fri-
days for Future“ für eine gleichsam
„wichtige Bewegung“, die sich für ein
„alle betreffendes Ziel“ einsetze: besse-
ren Klimaschutz. Zivilen Ungehorsam
betrachtet Hammecke als berechtigtes
Mittel zum Zweck – solange die Protest-
ziele „legitim“ seien.
AAAuf die Nachfrage, was solche legiti-uf die Nachfrage, was solche legiti-
men Ziele seien, findet die 23-Jährige
zunächst nicht so recht eine Antwort.
Illegitim seien aber zum Beispiel die
der vom Verfassungsschutz als rechts-
extrem eingestuften Identitären Be-
wegung. Am Tag nach dem ausführli-
chen Interview meldet sie sich per
WhatsApp: „Hab übrigens noch ziem-
lich lange (mit Unterbrechungen)
über die Frage des zivilen Ungehor-
sams nachgedacht und die Antwort ist
eigentlich (!) echt easy. Die einen wol-
len die Menschen auf diesem Planeten
retten und streiten für globale Klima-
gerechtigkeit und gegen eine Politik,
die jetzt bereits Menschenleben kos-
tet, die anderen propagieren eine
Ideologie der Ungleichheit von Men-
schenleben!“
Es wird spannend, welche Punkte
Hammecke und ihre Parteifreunde nun
schaffen werden, in den anstehenden
Verhandlungen im Koalitionsvertrag
unterzubringen. Die junge Grüne, die
für die Wahlkreise Dresden und Baut-
zen zuständig ist, meint: Sollte eine
mögliche Regierung in ein, zwei Jahren
nicht ausreichend grüne Inhalte umge-
setzt haben, müsse ihre Partei die Koali-
tion eben wieder verlassen.
Wie lange sie selbst in der Berufspoli-
tik bleiben will, sagt Hammecke nicht.
Fest steht, dass sie auf ihren Politikwis-
senschafts-Bachelor noch einen Master
draufsatteln will. Ob dafür nach fünf
Jahren Landtag Schluss mit dem Abge-
ordnetendasein ist oder sie das Studium
berufsbegleitend angeht, wisse sie aber
noch nicht.
Fest steht für sie: „Ich will zumindest
versuchen, in Sachsen möglichst viel zu
verändern“ – ohne sich selbst dabei
durch den nach wie vor männlich domi-
nierten Politikbetrieb selbst zu sehr
verändern zu lassen.

SEBASTIAN WILLNOW

/.

LUCIE BRINGT


ANDERE THEMEN


MIT, DIE JUNGEN


MENSCHEN WICHTIG


SIND – DAFÜR IST SIE


ANGETRETEN


KATJA MEIER,
Spitzenkandidatin

,,


DIE JUGEND BANGT


GERADE UM IHRE


ZUKUNFT. DA TUT SO


EIN FRISCHER GEIST


MANCHEM ALTEN


HERRN GANZ GUT


CHRISTIN MELCHER,
Landesvorsitzende

,,


2 3 Jahre alt,


GRÜN,


bildet


Regierung


Lucie Hammecke sitzt seit



  1. Oktober als jüngste Abgeordnete


im Sächsischen Landtag. Sie nimmt


sich zurück – unterschätzen sollte


man sie deshalb aber nicht


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