Die Welt - 15.10.2019

(Steven Felgate) #1

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Carsten Rausch und Gunter Ernst,
Geschäftsführer medDV GmbH und
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„ Digitalisierung und


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DIENSTAG,15.OKTOBER2019 SPEZIALMITTELSTAND: GESELLSCHAFTLICHE VERANTWORTUNG


Wo Chefs ihre sozialen


Kompetenzen stärken Seite 5


Perspektivwechsel


Wie sich Firmen in ihrem


Umfeld engagieren Seite 4


Einsatz in der Region


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A


lles begann mit einem alten
Gepäckwaggon aus dem
Jahr 1929. Der historische
Ein-Wagen-Zug war nach
Jahrzehnten auf dem Ab-
stellgleis in einem desolaten Zustand.
Zwischen 2009 und 2014 wurde er
gründlich saniert und zu einem fahrba-
ren Jugendzentrum umgebaut. Von sei-
nem Standort in Dörentrup aus erreicht
das rollende Jugendzentrum nun die ge-
samte Region Nordlippe: Er verbindet
entlang einer 30 Kilometer langen Ei-
senbahnstrecke verschiedene Orte und
Projekte miteinander.


„Jugend unter Dampf“ heißt das viel-
fach ausgezeichnete Projekt. Zu den
treibenden Kräften dahinter gehört
auch das „Büro für Soziale Architektur“
aus dem ostwestfälischen Sennestadt
und mit ihm Innovationsmanager Thor-
sten Försterling. „Wir haben zunächst
ein flexibles Konzept für die Innenein-
richtung des Waggons entworfen“, er-
zählt Försterling. Und auch als der Wag-
gon schließlich fertig war und den Ju-
gendlichen übergeben, ging es mit Voll-
dampf weiter. „Es ist immer was zu tun,
mal gibt es Reparaturen, mal neue Ideen
für die Nutzung und Veranstaltungen –
er lässt uns nicht los.“ Im vergangenen
Jahr etwa wurde der Waggon blau ge-
strichen und erhielt glänzende Europa-
sterne an seine Seiten – seitdem ist er
als „Demokratieexpress“ unterwegs
und wirbt für Europa.
Architektur-Unternehmerin Elke Ma-
ria Alberts, Innovationsmanager Thor-
sten Försterling und der Pädagoge Marc
Wübbenhorst vom Büro für Soziale Ar-
chitektur begleiten für gewöhnlich Bil-
dungseinrichtungen oder Stadtentwick-
lungsprozesse. Sie sehen in ihrem eh-
renamtlichen Engagement für das rol-
lende Jugendzentrum einen wichtigen
Beitrag für die Entwicklung ihrer Regi-
on, für die dort lebenden Menschen.
Für sie als Unternehmer ist es dabei
ganz selbstverständlich, anzupacken
und zu gestalten. Sie haben auch einen
Namen für ihre vielfältigen Aktivitäten:
Sie nennen es „Heimatarbeit“.
Tatsächlich ist die Bandbreite von
Unternehmensaktivitäten zum Wohle
der Gesellschaft beträchtlich. „Corpo-
rate Citizenship“ wird solches Engage-
ment heutzutage international genannt



  • das Unternehmen wird dabei als Bür-
    ger begriffen, der sich über seine recht-
    lichen Verpflichtungen hinaus positiv
    für das Gemeinwesen einsetzt. Wie das
    genau passiert, ist dabei jedoch keines-
    wegs klar – keine amtliche Statistik bil-
    det in Deutschland die vielfältigen Ak-
    tionen und Varianten des Einsatzes ab,
    den Unternehmen unterstützen oder
    selbst initiieren.
    Eine Untersuchung des Stifterbandes
    hat in das unübersichtliche Dickicht
    eine Informationsschneise geschlagen:


„Für den Corporate Citizenship Survey
(CC-Survey) haben wir im Jahr 2018
rund 120.000 der insgesamt 3,4 Millio-
nen Unternehmen in Deutschland ange-
schrieben, darunter Unternehmen aller
Größen, unterschiedlicher Regionen
und verschiedenster Branchen“, erläu-
tert Anaël Labigne, Leiter Unterneh-
mensengagement bei ZiviZ (Zivilgesell-
schaft in Zahlen) im Stifterverband.
Rund 7800 Unternehmen beantwor-
teten die Fragen der Wissenschaftler.
„Diese Zahl ist groß genug, um aussage-
kräftige Daten zu erhalten“, sagt Labi-
gne. Für 2020 ist eine Nachfolgestudie
geplant.
Die positive Erkenntnis der Untersu-
chung: Fast zwei Drittel aller Unterneh-
men (63 Prozent) engagieren sich in ir-
gendeiner Form für das Gemeinwohl.
„Für sie ist Engagement in der eigenen
Region und Engagement in Kooperation
mit Vereinen und NGOs (Nichtregie-
rungsorganisationen) Teil ihres unter-
nehmerischen Selbstverständnisses. Ei-
nige sind überzeugt, dass sich das auch
auf das Geschäft auszahlt, viele wollen
aber auch explizit uneigennützig han-
deln“, erklärt Labigne.

Die Zahl engagierter Unternehmen
könnte sogar noch größer sein – nach
den Ergebnissen des CC-Survey sind
sogar neun von zehn Unternehmens-
vertretern der Meinung, dass Unterneh-
men als Vorbilder wieder mehr Verant-
wortung für die Gesellschaft überneh-
men sollten.
Die wichtigsten Motive für die enga-
gierten Unternehmen sind die Gestal-
tung einer lebenswerten Region, die Be-
wältigung des demografischen Wandels,
bessere Integration und – gerade in
städtischen Gebieten – sogar Armutsbe-
kämpfung. Dabei gibt es signifikante
Unterschiede zwischen Unternehmen
in ländlichen Regionen und solchen aus
der Stadt, wie Anaël Labigne erklärt:
„Auf dem Land sind die Unternehmen
stärker in die Gesellschaft eingebettet
als in der Stadt, ihr Interesse gilt daher
eher der Gestaltung einer lebenswerten
Region. Sie sind auch eher vom demo-
grafischen Wandel betroffen, weil viele
junge Menschen in die Städte abwan-
dern.“ Zahlenmäßig liegen Unterneh-

men auf dem Land klar in Führung: 70
Prozent der Betriebe engagieren sich
für Belange des Gemeinwohls.
In den großen Städten sieht das
schon anders aus, dort sind gerade ein-
mal 56 Prozent aktiv. Auch die Motive
für ein Engagement sind andere – in den
Städten geht es laut den Daten aus dem
Jahr 2018 vielen Unternehmen vor
allem um die Integration von Menschen
mit Migrationshintergrund, da wurde
und wird eine große Herausforderung
gesehen.
Bei der Art und Weise, wie sich Un-
ternehmen einsetzen, dominieren die
Spenden – an erster Stelle Geldspenden
aber auch Sach- und Zeitspenden, in-
dem Mitarbeiter sich während der Ar-
beitszeit um ehrenamtliche Belange
kümmern können.
Laut dem CC-Survey stellt, wenn
auch unregelmäßig, mehr als jedes zwei-
te Unternehmen für gute Zwecke ko-
stenlos seine Dienstleistungen zur Ver-
fügung oder überlässt beispielsweise
Räume, Fahrzeuge oder Geräte zur Nut-
zung. Und das Engagement ist keines-
wegs immer unpolitisch: Fast die Hälfte
aller Unternehmen gibt an, Flagge für
einen guten Zweck zu zeigen.
Einen Unterschied zwischen großen
Unternehmen einerseits und den klei-
nen und mittleren sieht der Soziologe
und Volkswirt des Stifterverbandes in
der Zielgerichtetheit von Engagement.
„Große Unternehmen oder Konzerne
sind dabei oft etwas besser aufgestellt
und haben in der Regel klarere Vorstel-
lungen, wie sich soziale Ziele und der
Nutzen für das Unternehmen miteinan-
der verbinden lassen, etwa wenn sie et-
wa Forschung und Wissenschaft för-
dern.“ Die Aktivitäten sind in der Regel
auch langfristig angelegt.
Bei kleineren Unternehmen dagegen
sei die Art des Einsatzes oftmals noch-
von Zufällen abhängig oder ganz kon-
kret von den Interessen des Chefs. Der
Bezug zum Unternehmen hängt dann
von der Personalunion der Chefs als
Geschäftsführer einerseits und Bürger
andererseits ab.
Ein Thema, das derzeit intensiv dis-
kutiert werde, ist die Wirksamkeit von
Unternehmens-Engagement. „Wie kann
man Engagement erfassen und seine
Wirksamkeit maximieren – das ist die
Frage. Hilfreich ist dabei weniger die
Scheuklappe für das eigene Projekt, als
die Zusammenarbeit mit anderen Un-
ternehmen, aber auch weiteren Akteu-
ren wie etwa NGOs.“ Gemeinsames
Handeln von Unternehmen ist am er-
folgreichsten. „Collective Impact“,
übersetzt die gemeinsame Wirkungs-
entfaltung unterschiedlicher Akteure,
sei gerade sehr im Trend und müsse
weiterentwickelt werden
Der Engagement-Experte hat ein paar
Ratschläge für Unternehmen, die etwas
fffür das Gemeinwohl tun möchten. „Fürür das Gemeinwohl tun möchten. „Für
die Teambildung innerhalb der Beleg-
schaft muss man nicht gemeinsam am

Lagerfeuer sitzen, man kann auch zu-
sammen sinnvolle Aktionen machen, bei
der die Qualitäten und Fähigkeiten der
Mitarbeiter gebraucht werden. Ein
Handwerksbetrieb beispielsweise kann
damit zeigen, dass er ein gutes Unter-

nehmen ist, auf das die Mitarbeiter stolz
sind. Und viele machen das auch schon.“
Es erweitere auch den Horizont der Mit-
arbeiter, wenn sie sich für gemeinnützi-
ge Projekte einsetzten. „Das vermittelt
eine andere Perspektive auf viele Din-

ge“. Bei IBM, so berichtet Anaël Labi-
gne, würden IT-Spezialisten für NGOs
arbeiten – und ihre Arbeitsleistung
schließlich der hauseigenen Corporate-
Citizenship-Abteilung in Rechnung stel-
len, dies sei aber schon „die Königsklas-
se“, da hier wirklich vom Engagement
des Unternehmens gesprochen werden
könne
Insgesamt empfiehlt Anaël Labigne
den Unternehmen ein Umdenken beim
Engagement. „Zunächst einmal ist laut
Gemeinnützigkeitsrecht ein Projekt nur
dann gemeinnützig, wenn es selbstlos
ist und keine Auswirkungen auf die
Quartalszahlen hat.“ Trotzdem sollten
Unternehmen stärker überlegen, ob sie
aus dem Einsatz für einen guten Zweck
nicht auch einen Nutzen ziehen könn-
ten. „Es kann einzelne Mitarbeiter wei-
terbringen oder auch ganze Teams,
wenn sie sich engagieren. Das Unter-
nehmen positioniert sich als guter Un-
ternehmensbürger. Diese Positionie-
rung wird für Unternehmen aktuell wie-
der wichtiger.“ Ein professioneller und
kreativer Umgang mit dem Thema wür-
de allen Seiten nutzen.
Thorsten Försterling und Marc Wüb-
benhorst vom Sennestädter Büro für
Soziale Architektur sind überzeugt da-
von, dass ihr jahrelanger Einsatz für ‚Ju-
gend unter Dampf‘ und andere Projekte
wichtig und richtig sind. „Wir leben in
einer Gesellschaft, in die sich jeder ein-
bringen muss, damit sie sich entwic-
kelt“, sagt Marc Wübbenhorst. Die Idee,
aus einem schrottreifen Eisenbahnwag-
gon ein rollendes Jugendzentrum zu
machen, das in der ostwestfälischen Re-
gion Jugendlichen einen attraktiven
Treffpunkt mit jeder Menge Gestal-
tungsmöglichkeiten bietet, sei so ein
Beispiel. „Es geht immer darum, aus
einem Nachteil einen Vorteil zu machen


  • dabei ist reines Nachahmen langwei-
    lig. Mit ‚Jugend unter Dampf‘ wurde
    etwas Einmaliges geschaffen.“ Das
    nützt der Jugend vor Ort – und erwei-
    tert auf kreative Weise die Expertise des
    Büros für Projekte der Regionalent-
    wicklung.


ZUR TEAMBILDUNG


KANN MAN AUCH


GESELLSCHAFTLICH


SINNVOLLE


AKTIONEN MACHEN


ANAËL LABIGNE,Stifterverband

Unternehmen


machen DAMPF


Zwei Drittel aller Betriebe engagieren


sich für das Gemeinwohl – auf dem


Land mehr als in der Stadt


VON CHRISTINA PETRICK-LÖHR

GETTY IMAGES

/ANDY RYAN

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