Handelsblatt - 15.10.2019

(やまだぃちぅ) #1

Jaroslaw Kaczynski


Herrscher im Hintergrund


N


ach ihrem klaren Sieg bei der Parla-
mentswahl in Polen sieht sich die
nationalkonservative Regierungspar-
tei Recht und Gerechtigkeit (PiS) in ihrem
Kurs bestätigt. Die Partei werde das Land im
Sinne ihrer Politik des „guten Wandels“ um-
gestalten, sagte Ministerpräsident Mateusz
Morawiecki am Wahlabend.
Doch der Mann, der hinter dem Erfolg
der Partei steht, ist nicht der Ministerpräsi-
dent. Der Herrscher im Hintergrund der PiS
heißt Jaroslaw Kaczynski, 70. Nichts läuft
ohne den Segen des Parteichefs, der in den
Jahren 2006 bis 2007 bereits Ministerpräsi-
dent des Landes war. Da der Abgeordnete
beispielsweise gerne lange schläft, beginnen
die Sitzungen des Parlaments erst am spä-
ten Vormittag. Er selbst hatte die PiS zusam-
men mit seinem 2010 bei einem tragischen
Flugzeugabsturz gestorbenen Zwillingsbru-
der Lech, damals Staatspräsident, aus rech-
ten Splittergruppen gegründet. Die PiS setzt

auf Katholizismus, ein traditionelles Famili-
enbild, die Ausgrenzung Homosexueller
und die Absetzung widerstrebender Richter.
Am Sonntag gelang es ihr erstmals in der
polnischen Geschichte, als Regierungspartei
ihren Stimmenanteil auszubauen – auf 43,8
Prozent und die absolute Mehrheit der Man-
date.
Kaczynski hat seinen Wählern verspro-
chen, „einen echten Sozialstaat zu schaffen,
mit echtem Wohlstand für die Bewohner“.
Die Polen hätten schließlich jahrelang hart
geschuftet, nun müssten die Zeiten der Ent-
behrungen vorbei sein. Der Rechtspopulist,
der in Warschaus Norden allein mit seiner
Katze lebt, hatte im Wahlkampf eine Ver-
doppelung des Mindestlohns bis 2023 ver-
sprochen. 4 000 Zloty monatlich (umgerech-
net fast 930 Euro) wären das. Zudem eine


  1. Rentenzahlung, die Erhöhung des Kin-
    dergelds und den massiven Ausbau der In-
    frastruktur. Zahlen soll gerade Letzteres
    aber die EU: Von Brüssel erwartet sich War-
    schau die höchsten Fördergelder – obwohl
    die EU-Kommission Strafverfahren gegen
    Polen eingeleitet hat – wegen einer Justiz -
    reform, die mutmaßlich gegen die Grund-
    werte der EU verstößt. Mathias Brüggmann


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imago images/ZUMA Press

Andrea Nahles


Das Ende einer Politkarriere


G


enau an dem Tag, an dem die Mit-
gliederabstimmung für den SPD-Vor-
sitz startete, zog Andrea Nahles den
Schlussstrich. Die 49-Jährige wird nach Par-
tei- und Fraktionsvorsitz zum 1. November
auch ihr Bundestagsmandat niederlegen.
Das schrieb sie am Montag an Bundestags-
präsident Wolfgang Schäuble (CDU). Damit
geht eine einzigartige Politkarriere zu Ende.
Mit Nahles führte Anfang 2018 zum ersten
Mal eine Frau die älteste Partei Deutsch-
lands. Mit ihrer Wahl waren große Hoffnun-
gen verbunden. Nahles – die „Trümmerfrau
der SPD“ – sollte das Kunststück vollbrin-

gen, die Partei trotz des erneuten Gangs in
die Große Koalition aus der Krise zu führen.
Sie versuchte mit aller Kraft, die inneren Wi-
dersprüche der SPD aufzulösen.
Doch auch sie konnte den Niedergang
nicht stoppen. Besonders die Europawahl
im Mai 2019 geriet zum Desaster, als die
Grünen die SPD als zweitstärkste Kraft ab-
lösten. Und Nahles, über zwei Jahrzehnte in
vielen Partei- und Regierungsämtern poli-
tisch aktiv, war bereits geschwächt, nach-
dem ihr etwa in der Affäre um Ex-Verfas-
sungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen
schwere Fehler unterlaufen waren. In der
Folge gab sie Anfang Juni alle Ämter ab. „An-
drea hatte eigentlich nie eine echte Chan-
ce“, sagt ein Genosse heute. Schon bei ihrer
Wahl zur Parteivorsitzenden hatte sie nur
66 Prozent erhalten. Jetzt will sie sich beruf-
lich neu orientieren. Martin Greive

BusinessLoungeLounge


Unterredung:Frankreichs PräsidentEmmanuel
Macron empfängt in ParisEU-Kommissionspräsi-
dentin Ursula von der Leyen. Bei dem Treffen
geht es darum, wen Frankreich als neuen Kandi-
daten ins Rennen schicken wird – Sylvie Goulard
war vom Europaparlament abgelehnt worden.

Gegen rechte Gewalt:Die Berliner Staatssekretä-
rin Sawsan Chebli nimmt in der Hauptstadt an ei-
ner Demonstration gegen Antisemitismus teil. Es
geht darum, nach dem Terroranschlag von Halle
ein Zeichen gegen rechts zu setzen.

Gegen rechteGewalt:DieBerlinerSt t


Bücherbahn:Norwegens Kronprinzessin Mette-
Marit, Thronfolger Haakon (l.) und Bahn-Chef Ri-
chard Lutz lassen sich in Berlin vor dem Litera-
turzug fotografieren. Der Sonder-ICE fährt zu-
nächst nach Köln, Endstation ist die Frankfurter
Buchmesse. Norwegen ist Gastland der Messe.

Bücherbahn:Norwegens KronprinzessinMette


Wahlkampf-Modus:Kanadas PremierJustin Tru-
deau (r.), besucht in der Nähe von Toronto eine
Veranstaltung in einem Hindutempel. Am 21. Ok-
tober finden in Kanada Parlamentswahlen statt.

Wahlkampf Modus:Kanadas PremierJustin Tru


dpa, dpa, imago images/Christian Spicker, REUTERS

Der Wahlerfolg der Rechts-


populisten in Polen trägt die


Handschrift des Parteichefs


und ehemaligen Premiers.


Die Ex-Parteivorsitzende der SPD


macht jetzt endgültig Schluss – und


legt zum 1. November ihr


Bundestagsmandat nieder.


Andrea Nahles:
Die 49-Jährige will
sich beruflich neu
orientieren.

dpa


43,8


PROZENT


der polnischen
Wähler stimmten für
die nationalkonser -
vative Regierungs -
partei PiS.

Namen des Tages


DIENSTAG, 15. OKTOBER 2019, NR. 198


47

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