Die Zeit - 24.10.2019

(lu) #1
sagt, das Reetdachdecker-Handwerk habe in den vergan-
genen 25 Jahren »große Entwicklungsschritte gemacht«.
Vieles davon findet sich heute in einem 20-seitigen
Regelwerk.
Dass all das erst so spät geschah, ist erstaunlich. Im DIN-
normierten und von vermeintlicher Eurokratie überzoge-
nen Deutschland, in dem es für alles Regeln gibt, war das
jahrtausendealte Reetdachdecker-Handwerk irgendwie
durchgerutscht. Zum Vergleich: 1989 beschloss die EU
die »Gurkenverordnung«, die festschrieb, dass Gurken
der »Extra«-Klasse auf zehn Zentimeter Länge höchstens
zehn Millimeter gekrümmt sein dürfen. Und die Reet-
dachdecker? Die waren 1989 so weit weg von einer Ver-
ordnung, wie man nur sein konnte. Viele maßen nicht
einmal, wie feucht ihre Halme waren, oder fragten nach,
woher sie überhaupt kamen.
Es brauchte die Globalisierung, ihre neuen Handelsströme
und den Import von Handwerkern, die alles ganz anders
machten, damit sich die deutschen Reetdachdecker ihrer

Tra di tion und deren Regeln bewusst wurden. Und viel-
leicht steckt darin auch eine Lehre: dass sich lokale Tradi-
tionen nur gegen die Grenzenlosigkeit der Welt schützen
lassen, wenn man die Weisheit explizit macht, die in ih-
nen steckt. Da steht dann etwa:
Die Regeldachneigung für Reetdeckungen beträgt 45°
(100 Prozent), wobei die Neigung der Halme zwischen
Stoppelende und Bindung ≥ 30° sein muss.
Viele der Dachdecker hielten sich aber einfach nicht da-
ran, sagt Junker, denn wirklich bindend sind die Fach-
regeln letztlich nicht. An den meisten Reetdächern der
Gegend hat er etwas auszusetzen: Mal reicht das Reet
nicht weit genug über den Giebel hinaus, mal wurde bei
der Ausbesserung gepfuscht.
Auch bei dem Haus in der Wingst habe ein Kollege
pfuschen wollen, sagt Junker. Er habe an der Dämmung
sparen wollen. Und das, obwohl auf dem Dachboden die
Heizungsanlage liegt, die im Winter einzufrieren droht.
Junker schließt die Haustür auf und tritt in den Flur. Das

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