»Ich mochte die Seefahrt noch nie«,
sagt Carola Rackete, die sich heute vor
allem bei Extinction Rebellion engagiert
Foto: Johanna Maria Fritz/OSTKREUZ für DIE ZEIT
»Mein Leben wird auf 21 Tage reduziert«
Carola Rackete wurde als Kapitänin eines Flüchtlingsrettungsschiffs berühmt, sie selbst tritt öffentlich aber lieber als Umweltschützerin auf.
Ein Gespräch über ihr neues Buch zur Klimakrise und die Frage, wie sie von einer »World of Warcraft«-Spielerin zur Aktivistin wurde
Ein Morgen in Berlin. Carola Rackete wartet
in Fleecepulli und Wanderschuhen vor dem
Café Morgenrot in Prenzlauer Berg. Mit der
ZEIT will sie hier erstmals über ihr neues Buch
sprechen, das am 4. November im Droemer
Verlag erscheint. Schon bevor das Interview
beginnt, verfolgen sie Blicke. Tischnachbarn
tuscheln noch über sie, als Rackete längst sitzt.
DIE ZEIT: Frau Rackete, vor vier Monaten steuer-
ten sie gegen den Wunsch des italienischen Präsi-
denten ein Schiff mit 42 Geflüchteten in den Ha-
fen von Lampedusa. Hätten Sie damals erwartet,
dass diese Entscheidung Sie berühmt macht?
Carola Rackete: Tatsächlich erkennen mich heute
Leute auf der Straße, manche sprechen mich an.
Gerechnet hätte ich damit aber nie. Klar, ich wuss-
te, nach der Mission habe ich höchstwahrschein-
lich was Juristisches am Hacken. Aber weder ich
noch die Organisation Sea-Watch, für die ich un-
terwegs war, hätten diese mediale Aufmerksamkeit
erwartet, schon gar nicht für mich als Person.
ZEIT: Die meisten kennen Sie als Kapitänin und
Flüchtlingsaktivistin. Sie selbst bezeichnen sich
lieber als Umweltschützerin und haben jetzt auch
ein Buch geschrieben, in dem es viel um die Kli-
makrise geht. Wie kommt das?
Rackete: In den letzten Monaten ist eine Symbol-
figur erschaffen worden, die mit mir persönlich
wenig zu tun hat. Ja, ich habe eine Kapitänslizenz
und habe das Rettungsboot gesteuert. Aber davor
war ich hauptsächlich Umweltaktivistin. Ich habe
an Polarexpeditionen teilgenommen und Natur-
schutz studiert. Es ist eine witzige Situation: Die
meisten Leute arbeiten darauf hin, dass sie für ihr
Kernprojekt bekannt werden. Mein Leben wird
auf 21 Tage reduziert, in denen ich vor Lampedusa
lag und verhaftet wurde.
ZEIT: In Ihrem Buch schreiben Sie sogar, dass Sie
damals lieber nicht auf das Rettungsschiff gegan-
gen wären. Warum?
Rackete: Ich mochte die Seefahrt noch nie. An
Bord ist es ultralangweilig, schon mein Nautik-
Studium wollte ich deshalb abbrechen. Bei Sea-
Watch fing ich an, weil ich Seenotrettung wichtig
finde. Andere hat diese Arbeit aber richtig reinge-
zogen, mich nie. Sea-Watch hat mir auch mehrfach
Jobs angeboten, die habe ich abgelehnt. Weil ich
gesagt habe: Mein Thema ist die Ökologie. Wir
zerstören den kompletten Planeten! Als dann der
Anruf für den Einsatz kam, habe ich gerade in
Schottland Bäume gepflanzt. Es war klar, kein an-
derer war da, um das Schiff zu lenken. Und dann
muss man halt abwägen: Menschen oder Bäume.
Ich habe mich für die Menschen entschieden, die
Bäume hat hoffentlich jemand anders gepflanzt.
ZEIT: Vor ein paar Wochen sind Sie noch einmal
an Bord gegangen: auf der Arche Rebella, einem
Holzschiff, das Aktivisten von Extinction Rebel-
lion in Berlin aufgebaut haben, als Symbol für Um-
weltprotest. Was verbindet Sie mit dieser Gruppe?
Rackete: Auf Extinction Rebellion wurde ich
schon vor einem Jahr aufmerksam. Ich war gerade
bei der Räumung im Hambacher Forst, als ich auf
Twitter zufällig von der Gruppe aus England gele-
sen habe. Wenig später fuhr ich nach London, um
mir ein Bild zu machen, seitdem bin ich dort aktiv.
Mir gefällt, dass Extinction Rebellion keine reine
Klimabewegung ist und andere ökologische Aspek-
te wie das Artensterben mit einbezieht. Das zieht
viele Naturschützer und Ökologinnen an.
ZEIT: Die Gruppe wird aber auch kritisiert. Unter
anderem, weil einer ihrer Gründer, Roger Hallam,
in einem Interview gesagt hat: »Wenn eine Demo-
kratie so unmoralisch handelt, wird sie irrelevant.«
Rackete: Der Satz wurde aus dem Kontext gerissen.
Wir merken ja, dass etwas mit dieser Demokratie
nicht richtig läuft: Alle vier Jahre werden Politiker
gewählt, aber danach handeln sie oft nicht im Sin-
ne der Bürger. Das sieht man auch an den Protes-
ten von »Fridays for Future«. Für mich ist die Lö-
sung aber nicht weniger Demokratie, sondern viel
mehr. Der Ansatz von Extinction Rebellion ist es,
eine Bürgerversammlung zu gründen.
ZEIT: Dabei sollen Bürger per Los ausgewählt
werden, die bei bestimmten politischen Entschei-
dungen mitreden. Die Frage ist, ob das für mehr
Klimaschutz sorgen würde. Was, wenn dort Men-
schen zusammensitzen, denen das Klima egal ist?
Rackete: Die wären ganz sicher in der Minderheit.
ZEIT: Es gibt aber auch Menschen, die Klima-
schutz gut finden und trotzdem sagen: Ich möchte
nicht aufs Fliegen oder das Auto verzichten.
Rackete: Vielen ist die enorme Dramatik noch
nicht ganz klar. Ein Beispiel: Wissenschaftler sagen
schon jetzt, 2050 haben wahrscheinlich 25 Pro-
zent der Weltbevölkerung nicht ausreichend Zu-
gang zu Wasser. Wir reden von Wasser und nicht
von Avocados oder so einem Scheiß. Trotzdem
wird über die Klimakrise immer noch so gespro-
chen, als sei es ein kleines Problem, um das man
sich noch morgen kümmern kann.
ZEIT: Sie selbst haben sich aber auch nicht immer
um die Umwelt gesorgt. In Ihrem Buch schreiben
Sie über Ihre Zeit als Jugendliche: »Etwas für ande-
re tun kam mir nicht in den Sinn.«
Rackete: Das stimmt. Als Jugendliche habe ich die
meiste Zeit nur World of Warcraft gezockt. Essen,
Schule, Computer spielen, das war mein Alltag.
Das lag daran, dass ich Probleme hatte: familiäre
und mit den Leuten in der Schule. Im Grunde war
es ähnlich, wie wenn man Menschen, die keine Ar-
beit finden, erzählt, sie sollen etwas gegen den
Klimawandel tun. Dann sagen die: Ich habe
Wichtigeres im Kopf. Wer geht denn in Europa
für das Klima auf die Straße? Die weiße Mittel-
schicht. Weil die halt Freizeit hat und Möglich-
keiten, die manchen Leuten, die gerade so über die
Runden kommen, nicht zur Verfügung stehen.
ZEIT: Geldprobleme sind aber nicht der einzige
Grund, warum Menschen nicht protestieren. Sie
schreiben, auch Ihre Eltern haben sich nicht gegen
Atomkraft an Gleise gekettet. Verstehen Sie, wenn
Menschen die Umwelt nicht interessiert?
Rackete: Ich kann es schon verstehen, ich interes-
siere mich auch für viele Themen nicht, die andere
wichtig finden. Andererseits: Um den Zusammen-
bruch der Ökosysteme kümmert man sich nicht,
weil man Lust dazu hat, sondern weil man muss.
Die Generation von »Fridays for Future« kommt
jetzt langsam an den Punkt, wo Umweltschützer
in anderen Ländern schon lange sind. Diese Men-
schen verteidigen ihr Land nicht vor den Interes-
sen von Minen- und Agrarkonzernen, weil es ih-
nen Spaß macht. Sondern weil sie da wohnen und
weiter wohnen möchten. Ähnlich geht es denen,
die jetzt in den Industrienationen aufwachsen: Sie
sind direkt von der Klimakrise betroffen und sind
gezwungen, aktiv zu werden.
ZEIT: Wie kam es, dass Sie zur Aktivistin wurden?
Rackete: Mir hat es geholfen, aus meinem norma-
len Umfeld herauszukommen. Nach dem Ab-
schluss brachte mein erster Job mich ins Polar-
gebiet. Das war so extrem schön! Gleichzeitig sah
ich, dass das »ewige Eis«, von dem ich als Kind
gehört hatte, immer weniger wird. Da fing ich an,
mich für den Klimawandel zu interessieren. Lange
dachte ich, es gibt Politiker, die sich um das Pro-
blem kümmern. Aber irgendwann habe ich er-
kannt: Du kannst nicht hoffen, dass bei der 25.
Klimakonferenz plötzlich alle sagen, geil, wir be-
schließen jetzt etwas, das richtig hilft. So wurde ich
zur Aktivistin.
ZEIT: Und zwar zu einer sehr bekannten. Wollen
Sie mit Auftritten wie bei Extinction Rebellion
nun auch ein Gesicht der Umweltbewegung wer-
den, wie Greta Thunberg oder Luisa Neubauer?
Rackete: Nee. Ich denke nicht, dass Gruppen wie
Extinction Rebellion mit einzelnen Personen iden-
tifiziert werden sollten. Sie bestehen aus vielen
Menschen. Auch Mahatma Gandhi oder Martin
Luther King hätten ohne die Tausenden anderen
auf der Straße nichts erreicht.
ZEIT: Wenn Sie keine Ikone sein wollen, warum
ist auf Ihrem Buchcover Ihr Gesicht abgedruckt?
Rackete: (stöhnt) Das Foto finde ich furchtbar! Der
Verlag will damit Bücher verkaufen. Ich habe nur
zugestimmt, weil ich will, dass der Inhalt gelesen
wird. Und weil das vielleicht auch geflüchteten
Menschen hilft: Alle Einnahmen werden an die
Organisation Borderline-Europe gespendet, mein
Honorar, alles. Deswegen denke ich mir: Okay, je
mehr Leute das Buch kaufen, desto besser. Egal ob
mein Gesicht drauf ist.
ZEIT: Aber brauchen Proteste nicht auch Identifi-
kationsfiguren, wenn sie mitreißen sollen?
Rackete: Ich glaube schon, dass die Menschen sich
leichter mit Einzelpersonen identifizieren, deren
Geschichte sie nachvollziehen können. Was ich
persönlich aber überhaupt nicht brauche, ist die
Geschichte von Carola, Heldin der Seenotrettung.
Ich finde es okay, wenn man sagt, hier hat sich eine
Person eingesetzt. Aber dass zum Beispiel in Italien
jemand ein Bild von mir mit einem Heiligenschein
an die Wand gemalt hat, finde ich nicht ange-
bracht. Es gibt auf der Welt noch so viele andere,
die Positives tun, ich bin da nichts Besonderes.
Das Gespräch führte Laura Cwiertnia
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