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Ist die
Sauna zu heiß
für Keime?
Oft hört man das Argument: In der
Sauna ist es so heiß, dass Bakterien,
Viren und Pilze keine Überlebens-
chance haben. Das mag für die Luft-
temperaturen gelten, die knapp unter
dem Siedepunkt liegen. Aber das
Holz der Bänke erreicht diese Tem-
peratur nicht, und insbesondere
wenn es feucht ist, entsteht hier ein
idealer Brutplatz für Erreger aller Art.
Das mussten die Bewohner eines
entlegenen 700-Seelen-Dorfs in
Alaska im Jahr 2000 erfahren. Eine
große Zahl der Bewohner steckte
sich dort mit einer antibiotika-
resistenten Form des Erregers Sta-
phylococcus aureus an, die Symptome
bestanden vor allem in Furunkeln
auf der Haut. Man kennt solche
Infektionen meist aus Kranken-
häusern, wo vermehrt Bakterien auf-
treten, die für Medikamente unemp-
findlich sind.
Die Patienten aus Alaska aber wa-
ren längere Zeit in keiner Klinik gewe-
sen. Forscher des National Center for
In fectious Dis eases machten sich auf
Spurensuche und veröffentlichten ihre
Ergebnisse im Journal of Infectious
Diseases. Die Indizien deuteten auf die
in dem kalten Bundesstaat beliebten
Saunen hin, in denen die Wissen-
schaftler tatsächlich den garstigen Er-
reger nachweisen konnten. Auf den
porösen Holzoberflächen, so die For-
scher, bilden sich sogenannte Biofilme,
in denen die Erreger auch Saunatem-
peraturen trotzen können.
Wenn nackte Haut, die vielleicht
ein paar winzige Schnitte von der
letzten Ganzkörperrasur aufweist,
mit einem solchen Biofilm in Kon-
takt kommt, besteht akute Gefahr
einer In fek tion. Zudem können auf
den feuchten Böden der Sauna und
vor allem drum herum allerlei Fuß-
pilze gedeihen. Und auch die ge-
fürchteten Papillomaviren, die zu
Feigwarzen im Genitalbereich füh-
ren, können im Schwitzbad übertra-
gen werden.
Nein, eine Sauna ist alles andere
als steril. Deshalb sollten die Betrei-
ber auf peinliche Sauberkeit achten.
Und die Besucher sollten sich nie-
mals mit dem nackten Hinterteil auf
die Holzflächen des Schwitzbads
setzen. CHRISTOPH DRÖSSER
Stimmt’s?
... fragt Wilhelm Schmid
aus Berlin
Die Adressen für
»Stimmt’s«-Fragen:
DIE ZEIT, Stimmt’s?,
20079 Hamburg,
oder [email protected].
Das »Stimmt’s?«-Archiv:
http://www.zeit.de/stimmts
A http://www.zeit.de/audio
Keine nachgewiesene Wirkung über den Placeboeffekt hinaus, trotzdem beliebt: Zuckerkügelchen
D
ie Homöopathie taugt für
vieles: Sie bedient Sehnsüch-
te nach einer sanften Medi-
zin, bei ihr wird der Mensch
ganz individuell betrachtet.
Für eines aber taugt sie nicht:
für die Behandlung von
Krankheiten. Deswegen lässt sich an ihr so gut die
Inkonsequenz vieler Menschen im Umgang mit
Wissenschaft zeigen. Aber von vorn.
Die Homöopathie ist eine sogenannte alterna-
tive Heilmethode. Doch schon die Wörter »alter-
nativ« und »Heil« leiten fehl. Denn eine Alternati-
ve zur Schulmedizin kann sie nicht sein, heilen
kann man mit der Methode nämlich nichts: In
den vielen Studien, die bislang zur Homöopathie
gemacht wurden, hat sich kein Beleg dafür gefun-
den, dass sie eine Wirkung hat, die über den so-
genannten Placeboeffekt hinausgeht. Sie wirkt also
nicht besser als Scheinmedikamente.
Trotzdem ist sie bei vielen Menschen äußerst
beliebt, auch wenn die sich noch so aufgeklärt
und abgeklärt geben. Aktuelles Beispiel sind die
Grünen. Hier hat die Homöopathie unter Mit-
gliedern und Anhängern so viele Fans, dass sie die
Parteispitze derzeit in ein Dilemma stürzt. Denn
die Partei muss auf ihrer Bundesdelegiertenkon-
ferenz Mitte November womöglich darüber ent-
scheiden, wie sie es mit der Homöopathie hält –
und damit auch, wie sie mit wissenschaftlicher
Evidenz umgeht. Für die Grünen scheint das
Konfliktpotenzial so groß, dass ein Antrag, der
sich kritisch mit der Homöopathie auseinander-
setzt, auf der Konferenz womöglich gar nicht erst
diskutiert wird. Stattdessen möchte der Bundes-
vorstand wohl lieber abseits der Versammlung
einen Kompromiss finden.
Die Frage ist eine ganz grundsätzliche: Ziehen
die Grünen wissenschaftliche Fakten nur dann
heran, wenn sie ihnen passen, und begründen da-
mit ihre Politik – oder halten sie sich generell an
die Erkenntnisse der Forschung? Sie stellt sich
auch bei der Kontroverse um neue Gentechnik-
Methoden wie Crispr (siehe Seite 34).
Beim Klimawandel gibt es für die Partei keinen
Zweifel: Der ist menschengemacht, und es bedarf
großer Anstrengungen bei der Einsparung von
CO₂, um ihn auch nur einigermaßen zu begren-
zen. Das ist auch Konsens unter allen seriösen
Wissenschaftlern. Die Grünen folgen den Emp-
fehlungen dieser Forscher wie keine zweite große
Partei in Deutschland. Ihr Image als unerschro-
ckene Kämpfer fürs Klima trägt nicht unerheblich
zu ihrem Erfolg bei den Wählern bei.
Mit der Homöopathie aber tun sich viele Grü-
ne schwerer, da hören sie nicht so gern auf das Ur-
teil der Wissenschaft. Es ist schon erstaunlich: Ge-
bildete, aufgeklärte Menschen zweifeln auf einmal
die Erkenntnisse der Wissenschaft an. Und das ist
ein Problem, das weit über die Grünen hinaus-
reicht. An der Homöopathie zeigt sich eine fast
schon unglaubliche Inkonsequenz im Umgang
mit wissenschaftlicher Erkenntnis – in einer Ge-
sellschaft, die von Wissenschaft und Bildung
durchdrungen ist wie keine vor ihr.
Menschen verlassen sich auf der einen Seite
ganz selbstverständlich auf die Errungenschaften
der Naturwissenschaften: Sie nutzen den Strom,
der aus der Steckdose kommt, und das Wasser aus
dem Hahn; sie nehmen ein Antibiotikum, wenn
sie eine Lungenentzündung haben; sie verlassen
sich auf die statischen Berechnungen von Archi-
tekten und Ingenieuren, wenn sie ein Gebäude
betreten oder über eine Brücke fahren; es ist für sie
ganz klar, dass sie bestimmte Eigenschaften an ihre
Kinder vererben.
Auf der anderen Seite aber wollen sie nichts
von wissenschaftlicher Evidenz wissen: Sie verteu-
feln die Impfung und damit eine der größten me-
dizinischen Errungenschaften überhaupt; sie ha-
ben Angst vor Elektrosmog und Handystrahlung;
sie richten ihre Wohnung nach Feng-Shui-Krite-
rien ein; sie studieren Horoskope, richten ihr Le-
ben danach aus. Und sie feiern die Homöopathie
als eine sanfte, ganzheitliche Heilmethode.
Dabei ist die erwiesene Wirkungslosigkeit der
Methode fast schon Allgemeingut – genauso wie
ihre andere ganz große Schwäche: Sie ist wissen-
schaftlich nicht plausibel. Wie soll ein Mittel eine
spezifische Wirkung haben, dessen Ausgangsstoff
so weit verdünnt wurde, dass seine Konzentration
etwa der einer Aspirintablette entspricht, die über
dem Atlantik zerbröselt wurde? Oder von dem
kein einziges Molekül mehr vorhanden sein kann?
Beides entspricht üblichen Wirkstoffkonzentratio-
nen von Homöopathika. Das Prinzip der Verdün-
nung (Homöopathen nennen es »Potenzierung«)
ist entscheidend. Zur Ehrenrettung wird dann
häufig das »Gedächtnis des Wassers« herangezo-
gen, es soll sich die Wirkung des Ausgangswirk-
stoffs gemerkt haben, der irgendwann einmal da-
rin enthalten war, und es soll sich im rechten Mo-
ment auch daran erinnern – dann nämlich, wenn
der Mensch die Lösung einnimmt. Viele Homöo-
pathen machen es sich noch einfacher und sagen,
die Wissenschaft habe eben noch nicht herausge-
funden, wie die Homöopathie wirke. Immerhin
sind erst 200 Jahre vergangen, seit Samuel Hahne-
mann sie erfunden hat. Bei all diesen Befunden
müsste das Urteil eigentlich eindeutig ausfallen:
Homöopathie ist Quatsch, absoluter Nonsens.
Trotzdem ist die Methode bei vielen Menschen
ungemein beliebt.
Zugegeben: (Natur-)Wissenschaft ist oft kom-
plex, nicht immer einfach zu verstehen, auch leicht
misszuverstehen. Und dann hat sie auch noch die
unangenehme Eigenschaft, dass längst nicht alles
für immer gilt. Neue Erkenntnisse stürzen die al-
ten. Diese Schwäche ist aber gleichzeitig auch ihre
Stärke: Gute Wissenschaft lebt davon, dass sie hin-
terfragt wird, immer und immer wieder. Das hält
sie aktuell. Die Evidenzen in der Medizin etwa
haben sich in den vergangenen 200 Jahren, ja so-
gar in den vergangenen 20 Jahren unglaublich ge-
wandelt. Neue Erkenntnisse haben alte abgelöst.
Zum Vorteil der Patienten. Im Unterschied zur
Homöopathie: Die hat sich seit ihrer Erfindung
durch Samuel Hahnemann vor 200 Jahren nicht
groß verändert.
Um es klarzustellen: Wer sich mit der Homöo-
pathie wohlfühlt, soll sie gern als eine Form von
Wellness nutzen. Mehr darf sie aber nicht sein, vor
allem darf sie keinesfalls echte Medizin ersetzen
und damit Therapien verhindern, die tatsächlich
einen Nutzen haben.
Wissenschaft erfordert Konsequenz. Man kann
sich nicht einfach bei ihr bedienen, wenn es einem
gerade passt. Wenn man das berücksichtigt, ist sie eine
gute Basis für viele Entscheidungen. Gerade dann,
wenn es so eindeutig ist wie bei der Homöopathie.
Quellen
Dieser kritische Antrag zur Homöopathie vom
Grünen Tim Demisch sorgt vor der Delegierten-
konferenz für Diskussionen: bit.ly/2pMSXRJ
Der Bundesvorstand der Grünen möchte ein
gemeinsames Fachgespräch und schreibt das
auch in seinem Antrag: bit.ly/2N5EFDJ
Links zu diesen und weiteren
Quellen finden Sie unter:
zeit.de/wq/2019-44
Foto: StudioTusch für DIE ZEIT; Illustration: Armando Veve für DIE ZEIT
Süße Versuchung
Auch scheinbar aufgeklärte Menschen picken sich die Erkenntnisse heraus, die ihnen passen.
Doch wer beim Klima auf die Forscher hört, muss das auch bei der Homöopathie tun VON JAN SCHWEITZER
- OKTOBER 2019 DIE ZEIT No 44 33