rückführen, um die es letztlich ginge: wer die SPD am
besten führen könne.
An diesen Punkten ist zwar viel Wahres dran. „Frau
Schwan als Kanzlerin, Herr Stegner oder Herr Lauter-
bach als Kanzler. Das ist doch einfach abwegig“, sagt
auch Forsa-Chef Güllner. Von den Kandidaten um den
Vorsitz könnten sich die Bürger einzig Scholz als
Nachfolger von Kanzlerin Merkel vorstellen. Doch ob
Scholz mit seiner Analyse richtig liegt, ist dennoch
nicht ausgemacht.
Bis Sonntagabend hatten sich erst 30 Prozent der
Genossen am Mitgliederentscheid beteiligt. Die bis
dato niedrige Wahlbeteiligung schade vor allem
Scholz, heißt es aus der SPD. Denn als Erstes gäben
in der Regel die aktiven Parteimitglieder ihre Stim-
me ab – und die sind gegen Scholz.
„Ich bin mir auch nicht sicher, ob Olaf nicht SPD-
Sympathisanten mit SPD-Mitgliedern verwechselt“,
sagt einer seiner Gegner im Rennen um den SPD-Vor-
sitz. Unter SPD-Sympathisanten sei Scholz wegen sei-
ner Politik ohne jeden Zweifel beliebt, das zeigten Um-
fragen. „Aber unter SPD-Mitgliedern herrscht keines-
wegs nur bei den Jungen ein unglaublicher Frust über
den Zustand der SPD und die Große Koalition. Das
zieht sich durch die gesamte Partei.“
Genau diesen Frust versuchen Scholz’ Gegner zu
nutzen. Am Mittwoch haben Saskia Esken und Nor-
bert Walter-Borjans die Hauptstadtpresse zu einem
Pressegespräch bei Currywurst und Kartoffelsalat ge-
laden, um Bilanz ihrer Kandidatur zu ziehen. „Wir
möchten uns auch bei Ihnen bedanken“, sagt Walter-
Borjans zu den Journalisten. Der frühere NRW-Fi-
nanzminister kann mehr als zufrieden sein. Für ihn
und seine Partnerin ist das Rennen bis hierhin gut ge-
laufen. Viele glauben, die beiden gehen gegen Scholz
in die Stichwahl. Und dann werden die Karten völlig
neu gemischt.
Die beiden Teams sollen dann in verschiedenen Me-
dienformaten gegeneinander antreten. Walter-Borjans
gibt am Mittwoch schon mal einen Vorgeschmack, wie
ein Duell aussehen könnte. Gäbe es ein „Weiter so“ à la
Scholz, würde das bedeuten, dass dank neuer sozial-
demokratischer GroKo-Projekte wie dem Ende der
sachgrundlosen Befristung die in Scharen davon gelau-
fenen Wähler erkennen würden, wie falsch sie gelegen
hätten und daraufhin in die Arme der SPD zurückkeh-
ren würden. „Ich weiß nicht, ob Sie daran glauben.
Mir fällt das jedenfalls schwer“, sagt Walter-Borjans.
In einer Stichwahl hätte Scholz allerdings eine
mächtige Verbündete: Angela Merkel. Die Kanzlerin
hat größtes Interesse, dass ihr Vizekanzler SPD-Chef
wird und nicht einer seiner Gegner, der die SPD auf
dem Parteitag im Dezember aus der Koalition führen
könnte. Die Kanzlerin rollt Scholz daher bei der
Grundrente den roten Teppich aus. Unions-Abgeord-
nete beschweren sich, Merkel versuche, mit einer Ei-
nigung die Koalition um nahezu jeden Preis zu retten.
Die Aufwertung der Rentenansprüche von Geringver-
dienern ist für viele Sozialdemokraten zu einer
Schicksalsfrage der Großen Koalition geworden.
Brächte Scholz diesen Pokal mit nach Hause, würde
das seine Chancen im Rennen um den SPD-Vorsitz er-
heblich steigern.
Kommentar Seite 20
Frau Schwan
als Kanzlerin,
Herr Stegner
oder Herr
Lauterbach
als Kanzler.
Das ist doch
einfach
abwegig.
Manfred Güllner
Forsa-Chef
Mitgliedervotum
Wer unterstützt wen?
N
och bis Freitag um Mitternacht können die
425 630 SPD-Mitglieder über ihre neue
Führung abstimmen. Einfluss auf die Ent-
scheidung mancher unentschiedener Mitglieder
könnte das Wahlverhalten prominenter Genossen
gespielt haben. Einige SPD-Politiker haben sich of-
fen für ein Kandidatenpaar ausgesprochen:
Olaf Scholz/Klara Geywitz: Der Bundesfinanz-
minister und seine Partnerin haben ihre Unterstüt-
zer vor allem in der Bundestagsfraktion. So be-
kannte sich Johannes Kahrs, Sprecher des wirt-
schaftsfreundlichen Seeheimer Kreises, zu den
beiden. „Sie wollen regieren, unser Land aktiv ge-
stalten, Klimaschutz sozial gerecht und wirtschaft-
lich vernünftig umsetzen, ein langfristiges Renten-
und Pflegekonzept, die Bürgerversicherung und ei-
nen Mindestlohn von zwölf Euro“, twitterte er.
Auch Carsten Schneider (parlamentarischer Ge-
schäftsführer der Bundestagsfraktion) und Niels
Annen (Außen-Staatsminister) erklärten in einem
Brief, warum sie Scholz und Geywitz ihre Stimme
geben. Die beiden stünden „für Erfahrung und Er-
neuerung“ und hätten bewiesen, „dass sie das
sozial demokratische Reden auch in sozialdemo-
kratisches Handeln übersetzen“.
Norbert Walter-Borjans/Saskia Esken: Der frü-
here NRW-Finanzminister und die Bundestagsab-
geordnete können auf einen wichtigen Wahlhelfer
zählen: Juso-Chef Kevin Kühnert sprach sich früh
für die beiden aus. Esken und Walter-Borjans traue
man „aufgrund ihrer bisherigen politischen Arbeit
in besonderer Weise zu, unsere Erwartungen zu
erfüllen“, erklärte Kühnert. Weitere Unterstützung
erhalten die beiden von nordrhein-westfälischen
Kommunalpolitikern. Esken und Walter-Borjans
seien „Anwälte der Städte und Gemeinden“ und
setzten sich „klar und entschieden für gleichwerti-
ge Lebensbedingungen in Deutschland“ ein.
Boris Pistorius/Petra Köpping: Auch der nie-
dersächsische Innenminister und die sächsische
Integrationsministerin können auf einige Unter-
stützer bauen. So sprach sich der frühere SPD-
Chef Sigmar Gabriel für Pistorius und Köpping
aus. „Beide haben feste Wurzeln in der Kommu-
nalpolitik, sind nah am Alltag der Menschen und
deshalb gut geerdet“, sagte er dem „Redaktions-
netzwerk Deutschland“. Auch die stellvertretende
SPD-Chefin Natascha Kohnen hat für die beiden
gestimmt, ebenso riefen 50 Kommunalpolitiker
zu ihrer Wahl auf.
Michael Roth/Christina Kampmann: Die Unter-
stützer für den Staatsminister im Auswärtigen Amt
und die NRW-Landtagsabgeordnete sind weniger
prominent. Die bekannteste ist noch Eva Högl,
stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfrakti-
on. Mit Roth und Kampmann an der Spitze der
SPD „hätten wir nicht nur gute Laune und viel
Herz, sondern auch Haltung, klare Inhalte und
echte Erneuerung“. Ebenso haben sich etliche
Bundestagsabgeordnete, die wie Roth aus Hessen
stammen, für die beiden ausgesprochen.
Für die Duos Ralf Stegner/Gesine Schwan und
Karl Lauterbach/Nina Scheer ist die öffentliche
Unterstützung zurückhaltender. Bei Twitter und
Facebook sprechen sich nur wenige Mitglieder für
sie aus, bekannte Sozialdemokraten sind nicht da-
runter – was allerdings nicht heißen muss, dass sie
an der Parteibasis unbeliebt sind. cro/mgr
Kanzler-Duell
Wenn es eine Kanzler-Direktwahl gäbe,
wen würden sie wählen?
A. Kramp-Karrenbauer Olaf Scholz
Robert Habeck
15 % 32 %
16 %
26 %
30 %
24 %
A. Kramp-Karrenbauer
Robert Habeck Olaf Scholz
HANDELSBLATT Stand: 19.10.2019 • Quelle: Forsa
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Wirtschaft & Politik
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WOCHENENDE 25./26./27. OKTOBER 2019, NR. 206
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