Der Spiegel - 19.10.2019

(John Hannent) #1

den Macron verhindert hat, nun dessen
Kandidatin helfen? Weber lässt die Dinge
einfach laufen.
Auch Angela Merkel meldet sich bei
Weber und betont noch einmal, wie
wichtig die Französin sei. Nach dem Wil-
len Deutschlands und Frankreichs soll
sich Goulard auf ihrem neuen Posten als
Binnenmarktkommissarin auch darum
kümmern, dass Rüstungsvorhaben in der
EU stärker aufeinander abgestimmt wer-
den. Weber erzählt der Bundeskanzlerin
dasselbe wie von der Leyen: Goulard
habe eine »faire Chance«. Eine Zusage,
Goulard durchzuboxen, gibt er allerdings
nicht ab. Weder Weber noch Merkels


Sprecher wollen sich zu dem Telefonat
äußern.
Am Tag vor Goulards zweiter Anhö-
rung am Donnerstag vor einer Woche tagt
die EVP-Fraktion. Eine von Webers engs-
ten Verbündeten kritisiert die Französin
scharf. Monika Hohlmeier (CSU), Chef-
Haushaltskontrolleurin, erinnert daran,
dass der Justizausschuss die Kandidaten
aus Ungarn und Rumänien wegen mögli-
cher Interessenskonflikte abgelehnt habe.
Da könne man Goulard nicht einfach
durchlaufen lassen.
Spätestens jetzt weiß jeder im Parla-
ment, dass Goulard in ernsten Schwierig-
keiten steckt. Doch von der Leyen schaltet
sich noch immer nicht ein. Bekommt sie
von dem sich abzeichnenden Drama wo-
möglich gar nichts mit?
Diesen Eindruck haben mehrere CDU-
Parlamentarier, als sie versuchen, von der
Leyen vor der drohenden Abstimmungsnie-
derlage zu warnen. Andreas Schwab, CDU-
Mann aus Baden-Württemberg, ruft von
der Leyens Büroleiter an, auch David Mc -
Allister, von der Leyens Parteifreund aus
Niedersachsen, hinterlässt eine Nachricht.
Doch von der Leyens Team geht offen-
bar immer noch davon aus, dass die Sache
glattgeht. Es passt zu der grundsätzlichen
Kritik, die manche an der künftigen Kom-
missionspräsidentin nach ihren ersten
Monaten in Brüssel haben: Sie verbunke-
re sich mit einem kleinen Team Berliner
Vertrauter, habe bislang kaum Kommis -
sionsexperten angeheuert und halte sich
mit öffentlichen Auftritten zurück. Letz-
teres liegt allerdings auch daran, dass
von der Leyen offiziell noch gar nicht im
Amt ist.
Hinzu kommt, dass viele Abgeordnete
nach wie vor tiefen Groll in sich tragen,


weil anstelle eines Spitzenkandidaten un-
vermittelt von der Leyen Kommissions-
präsidentin wurde – auf Druck Macrons.
Von der Leyen weiß das und hält sich be-
wusst zurück: Das Parlament solle unge-
stört seine Arbeit machen, niemand solle
den Eindruck gewinnen, sie sehe sich über
den gewählten Abgeordneten.
Eine riskante Strategie, wie die zweite
Anhörung Goulards zeigt: Die Französin
weigerte sich, ihren Rücktritt für den Fall
zu versprechen, dass die französische Jus-
tiz in der Scheinbeschäftigungsaffäre An-
klage gegen sie erhebe. Am Ende stößt sie
auf breite Ablehnung, die EVP senkt den
Daumen, Grüne, Konservative und weite
Teile der Sozialdemokraten ebenso.
Die Klatsche gilt vor allem Macron, der
die Abgeordneten oft genug spüren ließ,
wie wenig er von ihnen hält. Macrons Be-
hauptung, von der Leyen habe ihm im Vor-
hinein die Zustimmung der Chefs der gro-
ßen Fraktionen zugesichert, scheint unbe-
rechtigt zu sein: Neben EVP-Fraktionschef
Weber bestreitet auch die Fraktionschefin
der Sozialdemokraten, von der Leyen einen
Blankoscheck ausgestellt zu haben.
Ursula von der Leyen selbst äußert sich
dazu nicht. Sie weiß natürlich, dass die
Europaparlamentarier nicht so zackig auf
Ansagen gehorchen, wie Macron das aus
der französischen Nationalversammlung
gewohnt sein mag. Mit Engelsgeduld ver-
sucht sie ihm am Montag unter vier Au-
gen im Élysée-Palast begreiflich zu ma-
chen, wie es zu der Blamage kommen
konnte.
Von der Leyen muss nun dafür sorgen,
dass das Goulard-Debakel ein einmaliger
Vorgang bleibt, sonst wird es in den kom-
menden fünf Jahren schwer für sie. Dazu
muss sie ihre Strategie überdenken.
Als deutsche Familien- und Arbeits -
ministerin setzte von der Leyen ihre An-
liegen oft durch, indem sie erst mal öffent-
lich um Rückhalt für ihre Themen warb,
etwa beim Kita-Ausbau oder der Frauen-
quote für Aufsichtsräte. Mit dem so ent-
standenen Druck nötigte sie ihre Partei-
freunde dann, zähneknirschend auf ihre
Linie einzuschwenken.
In Europa, wo die Dinge viel komplexer
liegen und immer auch noch 28 Mitglied-
staaten und deren Empfindlichkeiten mit-
zudenken sind, kann diese Strategie nur
scheitern. Von der Leyen ist darauf ange-
wiesen, dass Leute wie Weber ihr Mehr-
heiten organisieren.
Manfred Weber sitzt recht entspannt in
seinem »War Room«. Nein, mit Rache an
Macron oder gar einer Warnung an Partei -
freundin von der Leyen habe das Aus für
Goulard wirklich nichts zu tun, versichert
Weber treuherzig. »Das Parlament hat
schlicht seine Arbeit gemacht.«
Julia Amalia Heyer, Peter Müller

DER SPIEGEL Nr. 43 / 19. 10. 2019 35


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