Der Spiegel - 19.10.2019

(John Hannent) #1
Deutschland

44 DER SPIEGEL Nr. 43 / 19. 10. 2019


Heimliche Wahlkampfhilfe


ParteienDer Rechnungshof hat die Bundestagsfraktionen dabei
ertappt, wie sie Steuergeld für Parteiwerbung missbrauchten. Die Strafzahlungen
fielen allerdings äußerst milde aus, vor allem bei Union und FDP.

E


nde September erhielten die Par-
teizentralen von CDU, SPD, Grü-
nen und Linken Post mit vertrau-
lichem Inhalt. Absender war das
Referat PM3 der Verwaltung des Deut-
schen Bundestags, zuständig für die Be-
strafung illegaler Parteienfinanzierung.
Die Kuverts enthielten amtliche Sank -
tionsbescheide: Wegen der Annahme
unzulässiger Spenden im Bundestagswahl-
jahr 2013 wurden die Parteien zu Straf-
zahlungen von bis zu 90 000 Euro ver-
pflichtet.
Auslöser war ein jahrelang unter Ver-
schluss gehaltener Prüfbericht des Bundes-
rechnungshofs. Der hatte die Ausgaben
der damaligen Bundestagsfraktionen un-
tersucht und war zu einem sehr klaren
Ergebnis gekommen.
Obwohl es Parlamentsfraktionen ver-
boten ist, das ihnen anvertraute Steuergeld
für Parteizwecke zu nutzen, war genau das
geschehen: Die Prüfer stießen auf Kino-
werbespots, Briefaktionen und Veranstal-
tungen, die den Parteien im Wahlkampf
zugutekamen und Millionen kosteten.
Laut Bundesrechnungshof hatten alle
im Jahr 2013 im Bundestag vertretenen
Fraktionen ihre Mittel teilweise »rechts-
widrig für Parteiaufgaben« eingesetzt: Uni-
on und Grüne in »einzelnen Fällen«, SPD
und Linke in »mehreren Fällen« und die
FDP »in erheblichem Umfang«. Die AfD
war damals noch nicht im Parlament.
Obwohl das Urteil der Rechnungsprüfer
eindeutig regelwidriges Verhalten offen-
barte, hatte es zunächst keine Konsequen-
zen. Der Rechnungshof kann nur prüfen
und rügen, die Parteien aber nicht bestra-
fen. Dies fällt in den Zuständigkeitsbereich
der Bundestagsverwaltung unter Bundes-
tagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU).
Dessen Parteienkontrolleure haben nun
Sanktionen gegen die Parteien verhängt:
Die Linke soll 90 168,15 Euro zahlen, die
SPD 44 234,01 Euro und die Grünen
17 063,97 Euro. Die CDU kommt mit ge-
rade einmal 93,96 Euro Strafe davon.
Die FDP blieb straffrei, und das, obwohl
sie laut Rechnungshof am meisten Steuer-
geld missbraucht hatte. Wie kann das sein?
Am Beispiel der Fraktionsmittel offen-
bart sich ein schwerer Konstruktionsfehler
im deutschen Parteienrecht. Anders als
etwa in Frankreich oder Österreich kon-
trolliert und sanktioniert hierzulande nicht

Aus dem Vollen geschöpft
Steuerfinanzierte Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit
der Bundestagsfraktionen* im Wahljahr 2013,
in Millionen Euro

* Die AfD war 2013 noch nicht im Parlament vertreten.
Quelle: Deutscher Bundestag

Berliner Reichstag

CDU/ CSU 0,77

SPD 0,81

Grüne 0,95

Linke 1,55

FDP 1. Januar bis 22. Oktober 6,09

THOMAS TRUTSCHEL / PHOTOTHEK.NET
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