Politiker wollen »gestalten«, sagen sie
gern, wenn man sie fragt, warum sie Poli-
tiker sind. Kalthoff gestaltet für die Politik
sein Leben um. Was gibt sie ihm? Was gibt
ihm die SPD?
Man braucht einen ruhigen Abend, um
darüber zu reden, er lädt dafür in seinen
Kleingarten ein, am Hang, mit Blick auf
die Dächer der Stadt.
Es ist ein überwucherter Garten, Kalt-
hoff hat ihn vor Kurzem übernommen, hat
begonnen, Schutt abzuräumen, Gestrüpp
zu bekämpfen, »eigentlich kannst du nur
noch brandroden«, er zitiert den Kommen-
tar von Freunden. Eine Baustelle. Die Pa-
rallele zur SPD zieht er gleich selbst.
Kalthoff, das muss hier gesagt werden,
war nicht immer Briefträger, sondern auch
mal Student der Geschichte und Politolo-
gie.
So einer hat das natürlich im Kopf, dass
er hier im Ursprungsland der Sozialdemo-
kratie um deren Fortbestand kämpft. Thü-
ringen, das ist SPD-Geschichte. Eisenach,
1869: Gründungsort der »Sozialdemokra-
tischen Arbeiterpartei«. Gotha, 1875: Ver-
einigung der SDAP mit dem Allgemeinen
Deutschen Arbeiterverein. Verabschie-
dung des »Gothaer Programms«, das in
den Augen von Karl Marx zu lasch und zu
widersprüchlich war. Das »Erfurter Pro-
gramm«, 1891, das sich wieder deutlicher
am Marxismus orientierte und den Namen
festschrieb, der blieb: SPD.
Eine häufig gefährdete, mehrmals wie-
dergeborene Partei. Zerschlagen in den
Fotos: Sven Döring / DER SPIEGEL 61
24-Stunden-Wahlkämpfer Kalthoff: Unzumutbar viele Bratwürste