Süddeutsche Zeitung - 02.10.2019

(avery) #1
von johannes knuth

Doha– Am Ende ging dann alles sehr
schnell.Am Dienstagmorgen donnerte die
Sperre auf den Leichtathletiktrainer Alber-
to Salazar nieder, schon kurz darauf entzog
ihm der Weltverband IAAF die Akkreditie-
rung. Salazar, 61, darf bei der WM in Doha
das Khalifa-Stadion nicht mehr betreten,
er darf seine Athleten nicht mehr betreuen.
Er verpasste, wie Donavan Brazier am
Dienstagabend zu WM-Gold über 800 Me-
ter stürmte, in 1:42,34 Minuten. Er wird in
den kommenden Tagen auch nicht am Ort
erleben, wie die Niederländerin Sifan Has-
san sich über 1500 Meter um ihren zweiten
Titel bemüht – und Konstanze Klosterhal-
fen die 5000 Meter läuft. Die
deutsche Hochbegabung also,
die von Salazars Co-Trainer Pe-
te Julian betreut wird.
Und so markierte der fünfte
WM-Tag in Doha das vorläufige
Ende einer Affäre, die den Sport
seit Jahren bewegt – und die
nun erneut Erschütterungen
durch die Szene jagt. Ein unab-
hängiges Schiedsgericht ver-
bannte Salazar – den Cheftrai-
ner des „Nike Oregon Project“
(NOP) und eine der mächtigsten
Figuren des Langstreckenge-
werbes – für vier Jahre aus dem
Sport. Wie auch den Mediziner
Jeffrey Brown, der einst für das
NOP arbeitete. Begründung: Sa-
lazar und Brown hätten verbote-
ne Mittel besessen, Infusionen
unerlaubt eingesetzt und spä-
ter versucht, die Verstöße zu ver-
tuschen. „Unter ihnen war das
Gewinnen wichtiger als das Wohlergehen
der Athleten“, assistierte Travis Tygart, der
Chef der amerikanischen Anti-Doping-Be-
hörde Usada, die den Fall vor das Gericht
gebracht hatte. Salazar reagierte „scho-
ckiert“, alle Vorwürfe seien „komplett
falsch“. Im NOP sei nie gedopt worden und


werde nie gedopt. Und natürlich lege er Ein-
spruch ein, wofür ihm der Sponsor Nike so-
fort Unterstützung versprach.
Die Deutsche Konstanze Klosterhalfen
ist in den konkreten Fall in keiner Weise
verstrickt, ihr wurden auch noch nie Anti-
Doping-Vergehen angelastet. Aber sie wird
jetzt mehr denn je von der Frage verfolgt
werden, die schon seit Monaten
wie ein Schatten an ihr klebt:
Wie rechtfertigt man sich in ei-
nem Projekt, dessen
Geburtshelfer, Herz und Hirn es
jetzt schriftlich hat, dass er auf
der Seite des Verbotenen steht?
Die Geschichte des NOP
nahm 2001 ihren Lauf, Salazar
und Phil Knight, der mächtige
Gründer von Nike, gossen da-
mals das Fundament des Pro-
jekts. Die Idee: Wenn die Läufer-
körper aus Afrikas Hochebenen
die internationalen Langstre-
ckenrennen so sehr dominie-
ren, dann muss man sie halt mit
Geld und Wissenschaft schla-
gen – von Höhenkammern in
den Athletenhäusern, die sie auf
dem Nike-Campus in Beaverton
hochzogen, bis zu Unterwasser-
laufbänder.
Salazar führte das Projekt so,
wie er auch als Athlet einst über die Lang-
strecken gehechelt war: besessen, bis ins
letzte Detail. Der Erfolg rollte allerdings
erst 2012 heran: Da gewannen der Brite Mo
Farah und der Amerikaner Galen Rupp bei
Olympia in London Gold und Silber über
10000 Meter. Es war der Erweckungsmo-

ment des NOP und der Beginn des Ab-
schwungs zugleich, denn als Farah in Lon-
don ins Ziel taumelte, saß Steve Magness,
ein ehemaliger Trainer des Projekts, fas-
sungslos in den USA vor dem Fernseher.
„Das NOP“, schrieb er ein paar Monate spä-
ter an die Usada, „ist hoch verdächtig.“
Magness erging es zunächst wie vielen
Kronzeugen: Er fühlte sich nicht ernst ge-
nommen. Also wandte er sich auch an Re-
porter der BBC und des PortalsProPublica,
und mit ihm einige ehemalige NOP-Athle-
ten. Erste Berichte vor vier Jahren legten of-
fen, dass Salazar Testosteroncremes beses-
sen habe. Kara Goucher, unter Salazar
einst WM-Zweite über 10000 Meter, er-
zählte, dass sie gedrängt worden sei,
Schilddrüsenmedikamente zu nehmen, oh-
ne Notwendigkeit. Das sei gut für die Leis-
tung, habe Salazar beteuert, alles im
Dienst des Erfolgs! Er schwärmte in
E-Mails vom Stoff L-Carnitin, das Fett ver-
brennen und die Testosteronproduktion
ankurbele, und den Salazar und Brown in
unerlaubt hohen Mengen in die Athleten
gepumpt haben sollen. Wer sich wehrte,
sagten einige, sei eingeschüchtert worden.
Salazar wies alles feurig zurück. Ein
260-seitiger Zwischenbericht der Usada,
der 2017 an die Öffentlichkeit kam, stellte
aber fest, dass der Cheftrainer „ziemlich si-
cher“ die Anti-Doping-Regeln verletzt ha-
be. Die Agentur zerrte den Fall vor das
Schiedsgericht, das bestätigte nun die
Kernvorwürfe: Infusionen, die das erlaub-
te Limit teils ums Zehnfache überschrit-
ten, manipulierte Patientenakten, Besitz
von Testosteron, das Salazar seinen Söh-
nen verabreicht hatte. Das geschah übri-

gens in einem Labor auf dem Nike-Cam-
pus. Und unter Mitwisserschaft von Nike-
Chef Mark Parker, wie Emails in den 5800
Seiten an Dokumenten zeigen, die die Usa-
da dem Schiedsgericht präsentierte. Nur
ein Test, beteuerte Salazar schon 2015, um
herauszufinden, ob Masseure seine Athle-
ten mit Cremes sabotieren könnten. Aha.
Mo Farah taucht übrigens in keinem der
Berichte und Urteile auf. Er hatte sich im
fraglichen Zeitraum unter Salazar von ei-
nem Mittelklasseläufer in einen viermali-
gen Olympiasieger verwandelt, 2017 ver-
ließ er das NOP. Aber nicht wegen der Vor-
würfe, beteuerte er. „Ich toleriere nieman-
den, der die Regeln bricht“, teilte er am
Dienstag mit. Sifan Hassan, die seit zwei
Jahren unter Salazar trainiert, sagte sie sei
„schockiert“, sie habe mit all dem nichts zu
tun. Hassan hatte in Doha die 10 000 Meter
gewonnen, die letzten 1500 Meter war sie
so schnell gerannt, wie es viele Spezialistin-
nen nicht schaffen: in 3:59 Minuten.

Und Klosterhalfen? Die hatte sich im ver-
gangenen April offiziell dem Projekt ange-
schlossen, dessen Logo einen Totenkopf
und zwei Lorbeerblätter zeigt. Sie könne
dort noch besser ihr ohnehin tiefes Potenzi-
al heben. Sie verbesserte allein in diesem
Sommer drei deutsche Rekorde, über die
Meile, die 3000 und die 5000 Meter, auch
wenn ihr das viele schon vorher zugetraut
hatten. Die laufenden Ermittlungen gegen
Salazar? Die Berichte und Vorwürfe? Sie
könne die Skepsis verstehen, sagte Kloster-
halfen, andererseits: „Die Journalisten wis-
sen ja nicht, wie’s da drüben abgeht.“ Alles
im Dienst des Sports, meinte sie. Sebastian
Weiß, der zuständige Bundestrainer im
Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV),
hatte zuvor im Gespräch gesagt: „So lange
nichts konkret bewiesen oder ein Ab-
schlussbericht veröffentlich ist, gehen wir
davon aus, dass alles sauber ist.“ Und jetzt?
Das Urteil ändere nichts, fand ihr Mana-
ger Dany Biegler am Dienstag auf Anfrage:

„Konstanze lehnt jede Form von Betrug
strikt ab.“ Sie sei allein in diesem Jahr fast
20 Mal außerhalb der Wettkämpfe kontrol-
liert worden, im Testpool der nationalen
und internationalen Fahnder. Außerdem
werde sie ja nicht von Salazar, sondern von
Pete Julian betreut. Julian hatte vor zwei
Jahren freilich gesagt, dass man im NOP da
gar nicht so genau trenne: „Wir sind alle
ein Team, immer.“ Stimmt nicht, sagte
Biegler nun, Salazars und Julians Gruppe
würden unabhängig arbeiten.
Julian hatte übrigens laut Usada-Zwi-
schenbericht die damalige NOP-Athletin
Tara Erdmann in die Praxis des nun ge-
sperrten Doktor Brown begleitet, im Sep-
tember 2012. Dort habe sie womöglich eine
unerlaubt hohe L-Carnitin-Zufuhr erhal-
ten. Dem Fall wird im jüngsten Urteil nicht
mehr nachgegangen, 2017 stand der Vor-
wurf aber noch im Raum. Hat man Julian
oder das NOP damit nie konfrontiert?
„Nicht explizit“, sagt Biegler, „aber es war
natürlich klar, dass Pete Julian zum NOP-
Team gehört.“ Und damit tief im Schatten
des Verdachts stand. Oder hatten sich die
Praktiken seines Chefs für ihn wie hinter ei-
ner Milchglastür abgespielt?
Der Manager Biegler sagte am Dienstag,
man werde sich nach der Saison zusam-
mensetzen, „dann wird das Thema in Ruhe
diskutiert“. Der deutsche Verband, selbst-
ernannter „Vorreiter im Kampf gegen Do-
ping“, befand in Person von Präsident Jür-
gen Kessing, dass man „zum jetzigen Zeit-
punkt“ noch zu wenig wisse, um das Urteil
einzuordnen. Aber Klosterhalfen lehne Do-
ping ja strikt ab. Letztlich erwirkten auch
die DLV-Vertreter in Doha diesen Ein-
druck: dass man sich problemlos in einem
Umfeld bewegen könne, in dem alles auf
Leistungsmaximierung ausgelegt ist, aber
gleichzeitig nichts mit dem Herz und Kopf
des Ganzen zu tun habe, der diese Maximie-
rung über Jahre bis ins Verbotene betrieb.
Klosterhalfen sagte dazu am Dienstag
nichts. An diesem Mittwoch steht in Doha
ihr Vorlauf an, über 5000 Meter.

Doha– Sie wollte jetzt am liebsten weiter-
laufen, draußen, in der Hitze Katars. Gut,
Gesa Felicitas Krause, 27, dachte auch an
den bevorstehenden Urlaub nach einem
Jahr ohne freien Tag, sie dachte an Gummi-
bärchen und Wein, worauf sie lange ver-
zichtet hatte wegen ihrer strikten Ernäh-
rung. Aber bevor nun die Gelenke Erho-
lung bekommen sollen nach einer zehren-
den Zeit, wollte sie es in Doha wenigstens
einmal draußen probieren. „Das gönne ich
mir noch“, sagte sie. Läufer haben biswei-
len spezielle Wünsche und Träume. Aber
sie führen ja auch ein spezielles Leben.
Auch so ein Hindernislauf birgt Momen-
te, die für Außenstehende schwer zu be-
greifen sind. Am Montagabend in Doha
zeigte Krause eine fulminante Schlussrun-
de, das ganze Rennen zuvor hatte sie um
den Anschluss an die Verfolgergruppe von
Beatrice Chepkoech kämpfen müssen –
und dann entdeckte sie auf den letzten
300 Metern noch eine Energiequelle. „Hin-
tenraus mobilisiert der Körper einfach
noch mal Kräfte, die man vorher gar nicht
verspürt. Das ist dann natürlich die Eupho-
rie. Da gibt es kein Schmerzempfinden
mehr“, erklärte Krause, nachdem sie
schließlich über 3000 Meter Hindernis zu
WM-Bronze gelaufen war. In neuem deut-
schen Rekord von 9:03,30 Minuten. Chep-
koech holte in 8:57,84 Minuten Gold, vor
der US-Amerikanerin Emma Coburn
(9:02,35), nie war eine Hindernisläuferin
bei einer WM schneller als die Kenianerin.
Voller Zuversicht war Gesa Felicitas
Krause nach Doha gereist, denn in den ver-
gangenen Wochen hatte sich ihr Weg in

diesem Jahr als richtig erwiesen: Beim Dia-
mond-League-Finale in Zürich Ende Au-
gust unterbot sie ihren deutschen Rekord
schon einmal um vier Sekunden, beim Is-
taf in Berlin gelang ihr über die seltener ge-
laufene Strecke über 2000 Meter sogar ei-
ne Weltbestmarke. Das waren Erfolgser-
lebnisse mit Auswirkung auf Doha. „Das
hat mir sehr viel Sicherheit gegeben“, sag-
te sie nun, „manchmal muss einfach so ein
Knoten platzen.“ Das Rennen in Zürich
war auch aus taktischer Sicht ein wichti-
ger Ratgeber: Damals ist sie zum ersten
Mal mit einer Geschwindigkeit von drei
Minuten pro Kilometer gestartet, ein sehr
hohes Tempo. „Zürich hat mir gezeigt,
dass ich das kann“, sagte Krause.
Und tatsächlich lief Chepkoech dann so
schnell vorneweg, dass die Verfolgergrup-
pe von sechs Läuferinnen, Krause auf
Rang acht liegend, keinen gemächlichen
Start hinlegen konnte. Krause musste wie-
der so schnell loslaufen wie in Zürich und
heftete sich an die Gruppe, verlor mal ein
paar Meter, holte wieder auf. „Wenn man
dran ist, dann kommt bei mir diese Eupho-
rie“, sagte sie, „ich bin jemand, ich stehe
gerne im Wettkampf.“ Die ersten Hinder-
nisse nahm sie noch mit einiger Vorsicht,
wurde zum Ende hin mutiger. „Wenn ich
merke, dass es der Konkurrenz schlechter
geht als mir, dann spornt mich das an.“
Und der Konkurrenz ging es dann vor al-
lem auf der letzten Runde schlechter als
ihr. Vor dem Wassergraben lag Winfred
Mutile Yavi noch vor ihr auf dem dritten
Rang, doch den Wassergraben beherrscht
Krause wie kaum eine andere. „Jeder

bringt sein gewisses Talent mit, und ich
denke, das ist meins“, sagte sie, „ich laufe
mit einer höheren Geschwindigkeit auf
den Graben zu, habe damit die beste Tech-
nik und kann dadurch ein paar Meter gut-
machen.“ Das tat sie und zog an der Frau
aus Bahrain vorbei.
Schon bei der WM 2015, als Krause in
Peking Bronze gewonnen hatte, war der
Sprung über den letzten Wassergraben
der Sprung ins Glück gewesen. Und 2017
konnte sie sich hier wenigstens noch auf
Rang neun herankämpfen, nachdem ein
Sturz sie zu Fall gebracht hatte.

„Laufen ist ein einsamer Sport“, hat
Krause neulich gesagt. Sie ist permanent
unterwegs, das ganze Jahr über in
Höhentrainingslagern: Kenia, Südafrika,
USA, Schweiz, immer wieder drei Wochen
am Stück oder länger. Ende August war sie
kurz daheim in Frankfurt, „das fiel mir
erst mal total schwer, mich wieder einzu-
finden, selbständig den Alltag zu meis-
tern“. Seit einem Jahr hat sie keinen freien
Tag gehabt. „Für mich ist es manchmal die
bessere Regeneration, leichte Läufe zu ma-

chen als gar nichts“, sagte Gesa Krause
nun in Doha, überhaupt: „Ich werde auch
manchmal unausstehlich, wenn ich gar
nichts mache.“
Ihren Eifer weiß Trainer Wolfgang Hei-
nig zu schätzen. Der 68-Jährige feierte
1988 als Heimtrainer seiner späteren Frau
Katrin Dörre-Heinig im Marathon Olym-
pia-Bronze für die DDR, nach der Wende
1991 WM-Bronze. Er war später Bundes-
trainer der Sparten Laufen/Gehen und
Langstrecke/Marathon, machte sich aber
bei einigen Athleten aufgrund seiner allzu
harten Ansprache unbeliebt. Doch Krause
und Heinig haben sich gefunden. „Ich glau-
be, viele Menschen urteilen über ihn zu
schnell, ohne ihn wirklich zu kennen“, sag-
te sie in Doha, „er ist wirklich ein Genie,
was Trainingsplanung angeht. Ohne ihn
wäre ich nicht da, wo ich heute bin.“
So steht der Plan bis zu den Olympi-
schen Spielen in Tokio auch schon. Wieder
viele Wochen Trainingslager, 170 Kilome-
ter läuft Krause pro Woche. Doch für sie ist
selbst die Abgeschiedenheit in Afrika kei-
ne Entbehrung. Für Ziele müsse man et-
was investieren, findet sie, „das, was die-
ser Sport mir gibt, diese Emotionen, das
macht mich nicht nur als Athletin, son-
dern auch als Menschen aus“.
Auf ihren Urlaub freute sie sich in Doha
trotzdem schon, „das, was andere Leute Le-
ben nennen“, sie lachte dabei. Einfach mal
nichts machen, ohne Plan in den Tag zu ge-
hen. „Das ist jetzt auch schön, wenn man
entscheiden kann, was der Geist gerade
möchte – und nicht, was der Körper gera-
de braucht.“ saskia aleythe

Im Schatten des Totenkopfs


Die Vier-Jahres-Sperre gegen den Trainer Alberto Salazar, Gründer und Kopf des „Nike Oregon Project“,
erschüttert die Leichtathletik – und wirft Fragen auf: auch an die deutsche Hochbegabte Konstanze Klosterhalfen

Doha –Irgendwann kommt er, der ganz
weite Wurf. Christin Hussong (FOTO: KIRILL KU-
DRYAVTSEV / AFP) hatte das gesagt, locker nach
ihrer Qualifikation in Doha, die sie mit ih-
rem ersten Versuch und einem Wurf auf
65,29 Meter gemeistert hatte, da gab sie
dann schon die ersten Interviews, als der
Rest noch ums Finale bangte. Im ersten
Versuch war sie 2018 Europameisterin ge-
worden, „ich kann auch im zweiten weit
werfen oder im letzten“, sagte Hussong,
„irgendwann kommt er“. Doch an diesem
Dienstagabend, als es dann um die Medail-
len ging, gelang der weiteste Wurf einer
anderen: Kelsey-Lee Barber, die sich im
sechsten und letzten Versuch mit 66,56
Metern um fast drei Meter steigerte.
So war die Frau aus Australien die Über-
raschung des Abends, die 28-Jährige holte
ihre erste WM-Medaille. Hussong musste
sich mit Platz vier begnügen, Barber hatte
sie und die Konkurrenz im letzten Ver-
such überholt. Sonst hätte es für die
25-jährige Deutsche mit Bronze geklappt,
zwischenzeitlich sah es gar nach Silber
aus. Im sechsten Versuch steigerte sie sich
auf 65,21 Meter, das reichte nur nicht, um
den Chinesinnen Lui Shiying (65,88 Me-
ter) und Lyu Huihui (65,49) die Medaillen
wegzuschnappen. „Die Medaille habe ich
nicht verloren, ich habe sie ja gar nicht ge-
habt“, sagte Hussong am ARD-Mikrofon,
„es ist mein bestes WM-Ergebnis bisher,
ich habe noch einige WMs vor mir, eine
Medaille werde ich mir noch holen.“
Auf der anderen Stadionseite hatte
sich zeitgleich ein unterhaltsamer Abend

bei den Stabhochspringern abgespielt.
Armand Duplantis hatte schon Bronze si-
cher, als er sich bei 5,87 Meter den ersten
Patzer leistete. Der 19-jährige Schwede ist
schon ein Gesicht in der Szene, obwohl er
gerade erst seine zweite WM erlebt – aber
wer schon dreimal die sechs Meter über-
quert hat, der wird ungeachtet seines Al-
ters geschätzt, als amtierender Europa-
meister ohnehin. Frankreichs Renaud La-
villenie war in der Qualifikation überra-
schend gescheitert. Duplantis musste
sich so im Finale am Ende nur noch Sam
Kendricks, Titel-Verteidiger aus den USA,
und dem Polen Piotr Lisek, WM-Zweiter
von 2017, erwehren. Deutschlands Bo Kan-
da Lita Baehre und Ex-Weltmeister Rapha-
el Holzdeppe guckten da schon zu, sie wur-
den Vierter und Sechster.
Die 5,92 Meter gelangen Duplantis im
letzten Versuch, da gab es von Kendricks
einen Stubser mit der Faust, man versteht
sich ganz gut. Auch die 5,97 Meter sicherte
er sich in letzter Not, er streifte die Latte
mit der Brust, sie wackelte gehörig. Dies-
mal kam Lisek zum Kuscheln vorbei, der
Pole hatte sich mittlerweile auf den Bron-
zerang verabschiedet. Kendricks oder Du-
plantis war schließlich die Frage des
Abends. Weil er sich weniger Fehlversu-
che geleistet hatte, siegte schließlich der
Amerikaner mit 5,97 Metern. Das Medail-
lentrio lag dann nach dem finalen Sprung
zusammen auf der Matte und vollführte
synchron einen Salto. Die launigste Vor-
stellung der bisherigen Weltmeister-
schaft. saskia aleythe

Das ist jetzt auch schön,
wenn man entscheiden kann,
was der Geist gerade
möchte, und nicht, was der
Körper gerade braucht.“

Gesa Krause freut sich auf Urlaub

Blech


für Hussong


Deutsche Speerwerferin verpasst Bronze im letzten Moment


Energie aus dem Wassergraben


Einmal um die Welt – und dann Bronze in Doha: Läuferin Gesa Felicitas Krause belohnt sich bei der WM


Trainiert in umstrittenem Umfeld: Kon-
stanze Klosterhalfen. FOTO: HOPPE / DPA

Beteuert, mit Doping nichts zu tun zu
haben: Alberto Salazar. FOTO: KIN / DPA

Erfolg über alles?
Sogar das Logo
des „Nike
Oregon Project“
polarisiert.

DEFGH Nr. 228, Mittwoch/Donnerstag, 2./3. Oktober 2019 HMG SPORT 37


„Jeder bringt sein Talent mit, und ich denke, der Wassergraben ist meins“: Gesa Feli-
citasKrause, 27, auf dem Weg zu WM-Bronze. FOTO: MICHAEL KAPPELER / DPA

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