Täglicher Durchschnitt in Stunden, nach Altersgruppen
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Umfrage unter ���� Befragten über �� Jahre Quelle: Statista
Schlafdauer in Deutschland
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Quelle: Peter Spork, Das Schlafbuch/Sleepfoundation/Till RoennebergLMU München
Schlafbedarf differenziert nach Alter/Lebensphase
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minimales Schlafbedürfnis
Er-
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Teenager Ältere
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Kinder
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Kleinkinder
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Schlafbedarf in Stunden
WELT AM SONNTAG NR. 40 6. OKTOBER 2019 DEUTSCHLAND & DIE WELT 19
sich die Arbeit mit extremen Kurz-
schläfern wie den Johnsons aus Utah
herausgestellt. In der Familie ist eine
seltene Genmutation verbreitet, fand
Fu heraus, die jeden Wecker ersetzt.
Sein Bruder Paul schlafe nach ähn-
lichem Muster wie er, sagt Brad John-
son. Seine Schwestern Janice und Ka-
thy kommen mit wenig Schlaf aus.
Sein Bruder Rand war ebenfalls Kurz-
schläfer, aber seit er einen Unfall mit
dem Motorrad hatte und viele Medi-
kamente braucht, ist sein Rhythmus
gestört. Rand wurde von den Studien
ausgeschlossen. Zur Familie gehören
auch drei Brüder, die so viel Schlaf wie
die meisten Menschen benötigen. Sie
haben die Mutation nicht.
UNRUHIGE FÜSSEImmer mehr For-
scher gehen davon aus, dass geneti-
sche Faktoren neben Umwelteinflüs-
sen eine Schlüsselrolle für das Schlaf-
verhalten spielen. „Der Einfluss der
Gene liegt wahrscheinlich zwischen 35
und 70 Prozent, möglicherweise sogar
höher“, sagt David Rye, Neurologe
und Schlafforscher an der Emory Uni-
versity in Atlanta. Rye war einer der
führenden Autoren einer bahnbre-
chenden Studie aus dem Jahr 2007
über die genetischen Komponenten
von Schlafstörungen.
Die Studie identifizierte erstmals
eine Gen-Variante, die mit der Entste-
hung des Restless-Legs-Syndroms
verbunden ist, einer verbreiteten
Schlafstörung, die sich durch Miss-
empfindungen in den Beinen äußert.
„Wir haben mit fünf oder sechs Genen
angefangen und haben später bis zu
20 Gene identifiziert, die eine Rolle
spielen“, sagt Rye.
Das Schlafverhalten von Menschen
genetisch zu kartografieren, die Gene
und deren Informationen, Signalwege
und Wirkungsmechanismen zu iden-
tifizieren, zu verstehen und zu erklä-
ren – das sei „ein hochkomplexes,
mehrdimensionales Puzzle“, sagt
Rye. Ein Puzzle, dessen Fertig-
stellung Jahrzehnte dauern
dürfte.
2009 fanden Wissenschaft-
ler dabei ein erstes Kurzschlä-
fer-Gen, DEC2. Eine Mutation die-
ses Gens kann dazu führen, dass die
Produktion des Hormons Orexin, das
Einfluss auf das Essverhalten und den
Schlafrhythmus hat, im Gehirn ange-
regt wird – ein Prozess, der zu einem
kürzeren Schlafverhalten beiträgt.
Ying-Hui Fu und ihr Team waren
überzeugt, dass es noch andere gene-
tische Ursachen geben müsse. Sie un-
tersuchten 150 Kurzschläfer aus 50 Fa-
milien und fanden eine Mutation auf
einem zweiten Gen, ADRB1. Dessen
Information wird vor allem auf der
Rückseite des Pons, einer Region des
Hirnstamms, die für die Schlafregulie-
rung zuständig ist, umgesetzt. Diesen
Mechanismus haben die Forscher vor
Kurzem in einem Artikel im Fachma-
gazin „Neuron“ beschrieben. Die Mu-
tation ist nur in einem von 25.
Menschen zu finden. Fu fand sie bei
den Johnsons. Eine Verbindung zwi-
schen den Kurzschläfer-Genen be-
steht offenbar nicht; auch haben die
Wissenschaftler bisher keine Proban-
den gefunden, die beide Mutationen
haben. Mittlerweile hat Fus Team ein
drittes Kurzschläfer-Gen identifiziert.
Die Studie soll im Laufe dieses Mo-
nats veröffentlicht werden.
Das Erstaunlichste ist, wie leis-
tungsfähig die Kurzschläfer mit
ADRB1-Mutation sind. Brad Johnson
war Finanzvorstand für die Outdoor-
Ketten REI und Lands’ End. Statt da-
nach in den Ruhestand zu gehen, wur-
de er Lehrbeauftragter für Wirt-
schaftswissenschaften an der Utah
State University. Er lebt in Logan, 130
Kilometer nördlich von Salt Lake City,
gemeinsam mit seiner Frau engagiert
er sich stark in seiner Kirchengemein-
de. Ausgelastet ist er mit Job, Familie
und Kirchenarbeit allerdings noch
nicht. Er wandert, klettert, fährt
Rennrad und macht an sechs Tagen in
der Woche Krafttraining. Sein Blut-
druck und die Cholesterinwerte sind
ideal, sein Ruhepuls liegt bei knapp
über 40, wie bei einem Spitzensport-
ler. Seine Geschwister sind ähnlich ge-
sund. Weil ihm auch nach dem Sport
noch Zeit bleibt, liest er und schreibt
Tagebuch.
Um den Zusammenhang zwischen
der Mutation des ADRB1-Gens und
natürlichem kurzen Schlaf besser zu
verstehen, führten Fu und ihr Team
eine Reihe von Experimenten an Mäu-
sen durch. Sie fügten der DNA der
Tiere die Mutation zu. Anschließend
stimulierten sie die Neuronen im
Pons – der Region, in der das ADRB1-
Gen seine Wirkung zeigt. Die Mäuse
schliefen in der Folge etwa eine Stun-
de kürzer pro Nacht.
HOFFNUNG FÜR DEMENTEEinige
Zusammenhänge kann sie sich selbst
noch nicht erklären, sagt Fu. Zum Bei-
spiel, warum viele ihrer Kurzschläfer-
Probanden ähnliche Persönlichkeits-
merkmale aufweisen: Sie sind ehrgei-
zig, optimistisch, stressresistent und
haben eine hohe Schmerztoleranz.
Brad Johnson sagt, er habe bei seinen
Marathonläufen oder seinen Aufstie-
gen auf Matterhorn und Kili-
mandscharo „schon irgendwann
Schmerz“ gespürt. Aber es habe ihm
nicht so viel ausgemacht wie seinen
Sportkumpeln – allesamt Normal-
schläfer.
Schlafforscherin Fu hofft, dass ihre
Erkenntnisse über die Johnsons und
andere Kurzschläfer eines Tages Alz-
heimer- und anderen Demenzpatien-
ten helfen können, den Verlauf der
Krankheit zu verlangsamen. In ihren
Studien konnte sie beobachten, dass
Menschen mit Kurzschläfer-Mutation
in der Regel sehr alt werden – ohne
kognitive Einschränkungen, so wie
der Vater Johnsons.
Risiken oder Nachteile der Mutation
hat Fu bei ihren 150 Probanden noch
nicht gefunden. Es klingt fast zu gut,
um wahr zu sein. Ihr Proband Brad
Johnson sagt, er persönlich sei einfach
dankbar. Für drei zusätzliche Stunden
am Tag. Seit seiner Volljährigkeit hat er
so knapp 50.000 Stunden Lebenszeit
gewonnen: mehr als fünfeinhalb Jahre,
die er sich vollgepackt hat.
Gesunde Erwachsene sollten pro
Nacht zwischen sieben und neun
Stunden schlafen. Ein Mangel, der
über längere Zeit nicht ausgeglichen
wird, schwächt Immunsystem und
geistige Leistungsfähigkeit,erhöht
Unfallgefahr und Schmerzemp-
finden. Wer regelmäßig sehr viel
schlafen muss, ist möglicherweise
nicht ganz gesund. Der erste An-
sprechpartner bei Schlafstörungen
oder gesteigertem Schlafbedürfnis
ist der Hausarzt. Mehr als die Hälfte
der Deutschen gibt an, gut zu schla-
fen. 13 Prozent sagten 2017 sogar,
dass ihr Schlaf „sehr gut“ sei. Jeder
Dritte kennt gelegentliche Schlaf-
störungen.Frauen haben häufiger
Probleme als Männer, Menschen über
5 0 schlafen schlechter als jüngere.
Schlafmediziner empfehlen, auf die
eigene „Schlafhygiene“ zu achten.
Dazu gehört: nur zu Bett gehen, wenn
man müde ist, aber immer zur glei-
chen Zeit aufstehen. Mindestens vier
Stunden vor dem Zubettgehen kein
Koffein.Nikotin wirkt aufputschend,
Alkohol macht zwar schläfrig, stört
aber den Schlaf im Verlauf und führt
zum frühzeitigen Erwachen.
Ruhig durch die Nacht
Große Familie
Brad Johnson
(((vorn links),vorn links),
Neben ihm sein
VVVater, der auchater, der auch
KKKurzschläfer war.urzschläfer war.
Hinter ihm die
KKKurzschläferurzschläfer
KKKathy, Paul,athy, Paul,
Rand (von links)
und Janice
(((ganz rechts). ganz rechts).