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05.10.19 Samstag, 5. Oktober 2019DWBE-HP
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DWBE-HP
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DIE WELT SAMSTAG,5.OKTOBER2019 SEITE 25
Ein Journal für das
literarische Geschehen
Gegründet von Willy Haas, 1925
Vor vierzig Jahren schien die Welt noch in
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Vor vierzig Jahren schien die Welt noch in
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Ordnung, die der Bücher wenigstens. Seit
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Ordnung, die der Bücher wenigstens. Seit
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sich die Gruppe 47 formiert hatte, schien kei-
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sich die Gruppe 47 formiert hatte, schien kei-
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ne Zeit vergangen. Günter Grass schrieb
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ne Zeit vergangen. Günter Grass schrieb
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über „Das Treffen von Telgte“ und band sei-
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über „Das Treffen von Telgte“ und band sei-
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ner Erzählung allerlei Barockgedichte bei.
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ner Erzählung allerlei Barockgedichte bei.
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Siegfried Lenz war mit „Heimatmuseum“ am
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Siegfried Lenz war mit „Heimatmuseum“ am
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Start, so wie Heinrich Böll mit „Fürsorgliche
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Start, so wie Heinrich Böll mit „Fürsorgliche
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Belagerung“. Es gab wie immer einen neuen
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Belagerung“. Es gab wie immer einen neuen
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Walser und Siegfried Unseld thronte über
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Walser und Siegfried Unseld thronte über
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dem Suhrkamp-Verlag, der über einer Ver-
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dem Suhrkamp-Verlag, der über einer Ver-
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lagshauptstadt namens Frankfurt thronte.
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lagshauptstadt namens Frankfurt thronte.
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Erich Fromms „Haben und Sein“ war wie Se-
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Erich Fromms „Haben und Sein“ war wie Se-
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bastian Haffners „Anmerkungen zu Hitler“
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bastian Haffners „Anmerkungen zu Hitler“
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ein Verkaufsschlager, der „Stern“ konnte
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ein Verkaufsschlager, der „Stern“ konnte
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noch Bestseller machen (in diesem Jahr „Wir
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noch Bestseller machen (in diesem Jahr „Wir
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Kinder vom Bahnhof Zoo“), und spinnerter
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Kinder vom Bahnhof Zoo“), und spinnerter
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als Erich von Däniken („Riskante Gedanken
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als Erich von Däniken („Riskante Gedanken
VVVum die Allgegenwart der Außerirdischen“)um die Allgegenwart der Außerirdischen“)
wurde es nicht. Dass Steve Jobs zur selben
Zeit am Apple II herumschraubte, wusste
kein Mensch, zumindest kein Mensch, der
wusste, wer Siegfried Unseld war. Und der
kleine, auf den ausgebauten Dachboden ge-
schleppte Fernseher zeigte zwei grisselige
Programme und das dritte im Schnee.
VON WIELAND FREUND
Und doch muss dieses Jahr 1979 mit seiner
so selig bundesbürgerlichen, ziemlich vor-
hersagbaren Jahresbestsellerliste ein Wen-
dejahr gewesen sein – nicht nur, wie wir seit
Frank Böschs „Zeitenwende 1979“ wissen, in
der großen weiten Welt der Geopolitik, son-
dern auch in der kleinen Welt der Bücher, die
doch eigentlich nur Nachttische erobern und
Regalbretter besetzen. J.R.R. Tolkiens
„Herr der Ringe“ zum Beispiel, auch ein
79er-Verkaufserfolg, wollte so gar nicht zu
den üblichen Verdächtigen Grass, Böll, Wal-
ser passen, und dann erschien im Herbst
auch noch der deutsche „Harry Potter“,
knapp zwanzig Jahre, bevor irgendjemand
wusste, was ein „Harry Potter“ eigentlich
war.
Die Rede ist natürlich von Michael Endes
„Unendlicher Geschichte“, einem Buch von
derartiger Durchschlagskraft, dass die Buch-
welt es noch heute feiert: mit prachtvollen
Sonderausgaben, öffentlichen Geburtstags-
festen und voller süßer Erinnerung an einen
alten Triumph. Worüber man sich eigentlich
wundern dürfte. Denn eigentlich war „Die
unendliche Geschichte“, als sie 1979 er-
schien, ein Krisensymptom. Michael Ende,
dem eine nicht nur wohlmeinende Biografin
neulich attestierte, er habe den Zeitgeist im-
mer dann verkörpert, „wenn er ihm entge-
genzutreten vermeinte“, hat im Grunde
unternehmen, für das jede Abteilung ein Pro-
fitcenter ist. Und das alles, weil die da drau-
ßen sich seit Jahrzehnten zu Tode amüsie-
ren. Erst mit drei und dann mit hundert Pro-
grammen und jetzt mit diesem Internet.
In zehn Tagen nun wird in der alten, mitt-
lerweile suhrkamplosen Verlagshauptstadt
Frankfurt wieder Buchmesse sein, aber die
Klagen sind seit vierzig Jahren strukturell
dieselben. Gerade ist vor allem das
Smartphone am Niedergang schuld: die vie-
len Stunden Bildschirmzeit sind mutmaßlich
ja alle einmal Lesezeit gewesen. Seit im ver-
gangenen Jahr eine „Buchkäuferstudie“ die
Runde gemacht hat, die auf sechs Millionen
verlorene Leser binnen vier Jahren kam,
scheint das Ende jedenfalls abzusehen. Und
es stimmt ja: Der stationäre Buchhandel ver-
liert Fläche, selbstständige Buchhändler beu-
ten sich aus, und auf die Forderung des Jah-
res 1979, nämlich die Preisbindung zu lo-
ckern, käme im Amazon-Zeitalter niemand
mehr. Auf Verlags- und Autorenseite wieder-
um wird auch eher bescheiden verdient. Ei-
nige wenige globale Bestseller machen in
großen Abständen einige wenige Akteure
reich; manch solider Midlisttitel hingegen
hätte früher rundheraus als Flop gegolten.
Immerhin sind die neuen Influencer, die auf
Instagram ihre Buchfotos posten, billig; An-
zeigen in Literaturzeitschriften, die es sehr
wohl noch gibt, schalten Verlage ja in aller
Regel nicht mehr, auch wenn die Autoren das
so gerne hätten wie auf Lesereisen bessere
Hotels.
Aber das ist eben nicht die ganze Ge-
schichte. Seit 1979 ist der Buchmarkt ge-
schrumpft, seit fünfzehn Jahren jedoch ist er
erstaunlich stabil, auch ohne die sechs Mil-
Die Erfindung des
Zauberbuchs Vor vierzig Jahren erschien
Michael Endes „Unendliche Geschichte“. Ihr ungeheurer
Erfolg markiert einen Wendepunkt in unserem Verhältnis
zu den Büchern
Im Moment der
Bedrohung wird die
technische
Reproduzierbarkeit
Nebensache und das
Buch wieder zum
auratischen
Gegenstand
„
schließlich ein Klagelied verfasst. Denn wäh-
rend die Helden der Gruppe 47, deren eifrige
Schüler Ende als eskapistischen Märchenon-
kel diffamierten, im Bewusstsein ihrer un-
auslöschlichen Bedeutung einfach weiter-
machten wie bisher, hatte Ende die Krise der
Lesekultur schon heraufdämmern sehen und
beschrieb die Welt der Bücher, die er in der
„Unendlichen Geschichte“ Phantásien nann-
te, als vom großen heranrückenden „Nichts“
bedroht – einem Nichts, könnte man mei-
nen, mit zwei Programmen und einem drit-
ten im Schnee.
Marshall McLuhans berühmte These vom
„Ende der Buchzeitalters“ war zu diesem
Zeitpunkt zwar schon fünfzehn Jahre alt, Ro-
man aber wurde sie erst mit Michael Ende.
Es ist schließlich kein Zufall, dass die „Un-
endliche Geschichte“ mit gar nicht mehr les-
baren, weil gespiegelten Buchstaben beginnt;
und es ist auch kein Zufall, dass alles in ei-
nem Antiquariat anfängt, dem Altenheim für
Bücher. Und drittens ist kein Zufall, dass sich
allein Bastian Balthasar Bux in diese Abstell-
kammer verirrt, ein „Versager auf der ganzen
Linie“, der sich vor der drängenden Gegen-
wart in einem unwirtschaftlichen Laden ver-
steckt. Natürlich, jeder weiß es: „Die unend-
liche Geschichte“ erzählt von der Rettung
der (und der Rettung durch die) Fantasie;
der ungeheure Erfolg von Michael Endes
großem Roman aber markiert den Moment,
in dem uns die Bücher historisch wurden.
Plötzlich waren sie ein Kuriosum und keine
zerfleddernde Selbstverständlichkeit mehr,
kein Gebrauchsgegenstand, der sich dut-
zendfach in jedermanns Ecken stapelte und
auch kein Bezugspunkt, dem sich ein Ge-
spräch so selbstverständlich zuwenden
konnte wie dem „Tatort“ oder der nächsten
Bundestagswahl.
Die Buchkultur selbst ist, seit ihr das be-
wusst geworden ist, im Krisenmodus, die ei-
gene Legende ist seitdem ein Untergangs-
narrativ. Auch 2019 leidet man noch Phan-
tomschmerzen, weil man nicht länger Leit-
medium ist – dabei haben die meisten Prota-
gonisten die goldenen Jahre aktiv nicht mal
erlebt. Sie erinnern sich kaum, aber dafür
wissen sie genau, dass man einmal mit einem
Roman und ganz ohne Talkshow zum öffent-
lich Intellektuellen werden konnte; dass
Schriftsteller einmal berühmt genug waren,
um für die „Espede“ in den Wahlkampf zu
ziehen; dass sich Verleger einmal wie Gott-
könige aufführten und nicht wie Fußballtrai-
ner im immerwährenden Abstiegskampf;
und dass so mancher Traditionsverlag nicht
schon immer ein Imprint mit wechselnden
Adressen war, aufgegangen in einem Riesen-
lionen neuen Nichtleser, die mittlerweile
auch noch auf den jährlichen Reiseführer
und den Diätplan in Buchform verzichten.
Den brutalstmöglichen Strukturwandel aber
hat die Buchbranche nicht durchgemacht.
Während der Hurrikan der Digitalisierung
die Musikindustrie in Trümmer legte, hat der
Buchhandel nur Amazon erlebt, einen Tro-
pensturm, der mittlerweile den ganzen Ein-
zelhandel durchgerüttelt hat. In Abhängig-
keit von Spotify oder YouTube aber sind die
Bücher nicht geraten, sie hängen auch nicht
am Google-Algorithmus, und materialisieren
sich nicht mehrheitlich auf Lesegeräten aus
Hartplastik. Eher sind sie schöner geworden
in den Krisenjahren, teurer, das auch, aber
eben vor allem kostbarer – ganz so, wie es
„Die unendliche Geschichte“ vor vierzig Jah-
ren prophezeit hat.
Erinnern Sie sich? „Die unendliche Ge-
schichte“, das Buch im Buch, in dessen fan-
tastischer Erzählung sich Bastian Balthasar
Bux bald darauf verliert, ist in schimmernde,
kupferfarbene Seide gebunden und auf den
Einband sind neben dem Titel zwei Schlan-
gen geprägt. Herstellerisch muss das ein er-
heblicher Kostenfaktor gewesen sein, aber
im Moment der Bedrohung wird die techni-
sche Reproduzierbarkeit halt Nebensache
und das Buch wird wieder zum auratischen
Gegenstand – zum Objekt, das die vielen
vielleicht kaltlässt, für das einer wie Bastian
Balthasar Bux aber brennt, weil er und einst-
weilen nur er von nun an jedes Buch als Zau-
berbuch erkennt.
Seitdem sind jede Menge Zauberbücher
erschienen. Ein Jahr später, 1980, ist es Um-
berto Ecos „Name der Rose“ gewesen, ein
Retro-Krimi voller geheimer Gänge und Be-
züge, der keineswegs zufällig in einer Klos-
terbibliothek spielt, die noch die seltensten
Folianten verwahrt. Zum Beispiel solche, die
- so wie der „Herr der Ringe“ oder „Die un-
endliche Geschichte“ – von „zebragestreif-
ten Drachen“, „Vierbeinern mit Schlangen-
köpfen“ oder „Sirenen mit Vogelleibern und
Libellenflügeln“ erzählen. Unter dem Kon-
kurrenzdruck der Bildmedien hat sich die Li-
teratur seither immer öfter der Fantastik zu-
gewandt – und der Buchmarkt hat mit fan-
tastischen Stoffen immer öfter gutes Geld
verdient. Vielleicht ist also gar nicht die
Buchkultur in der Krise, sondern nur eine
bestimmte Sorte Literatur, jene die 1979
noch die Buchkultur dominierte, den Iconic
Turnder Gesellschaft aber nicht mit einem
Fantastic Turnbeantwortet hat. Aber das ist
eine andere Geschichte, und weil noch Zeit
ist, bevor das Abendland untergeht, wird sie
ein andermal erzählt.
INHALT
Sentimentalität als Ziel: Ocean Vuongim Interview, S. 27Paris bei Nacht: Barbara Vinken über Rétif de la Bretonne, S. 28
Thomas Mann beim Geisterseher: Zur Geschichte des Okkultismus, S. 29Insta-Poesie: Lara Konradzeigt sich, S. 32
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