Süddeutsche Zeitung - 21.09.2019

(Greg DeLong) #1

Als Erma Franklin 1999 vor laufender Ka-
merazugab, dass sie von den allermeisten
Menschen vor allem als Schwester der
Queen of Soul erkannt werde, da schritt
eben diese energisch ein. Nein, sagte die
weltbekannte Aretha Franklin, und fügte
eine Lob auf ihre große Schwester an: „She
is her own woman“, also etwa: Vergesst mal
mich und seht her, meine Schwester kann
auch was! Schließlich konnte Erma, die
Background-Sängerin von Aretha, auch
eigene musikalische Erfolge vorweisen.
Allen voran die Liebesballade „Piece of My
Heart“, die auf dem zehnten Platz derUS-
amerikanischen R&B-Charts gelandet war.


Dass das Stück später erst so richtig durch
Bluessängerin Janis Joplin bekannt wurde,
ist symptomatisch für die Musikkarriere
der glücklosen Erma Franklin. Ein Vater,
der sie zum Studium drang, ein Musik-
Boss, dem die Proben nicht reichten, ein er-
mordeter Orchesterleiter, ein frühzeitig
verstorbener Förderer – es wirkt, als wollte
das Schicksal ihren Weg stets blockieren.
1969 waren beide Schwestern als beste
R&B-Stimmen für den Grammy nomi-
niert. Wer gewann? Na klar, Aretha. Sie war
es, die fortan in den Musik-Olymp auf-
stieg. Erma Franklin blieb die Stimme im
Background. vfs

Manchmal waren sie sich sogar politisch
einig, etwa als sie sich vor den Bundestags-
wahlen 2013 beide gegen eine mögliche
große Koalition in Berlin aussprachen:
Hans-Jochen Vogel (SPD), Jahrgang 1926,
Ex-Justizminister, Oberbürgermeister in
München und Berlin, Parteivorsitzender,
Kanzlerkandidat. Und Bernhard Vogel
(CDU), Jahrgang 1932, Ministerpräsident
in Rheinland-Pfalz und Thüringen. Viel-
leicht war es ein Glück, dass sie nie wirk-
lich gegeneinander antreten mussten.
Auf einer persönlichen Ebene haben
sich die beiden immer gut verstanden.
Auch wenn es Anekdoten gibt, wonach


Hans-Jochen seinen kleinen Bruder im
Kinderzimmer einst rumkommandierte.
Beim Eisenbahnspielen etwa ließ Bern-
hard die Züge fahren, sein älterer Bruder
schrieb die Fahrpläne.
Womöglich schweißten sie die gemein-
samen Kriegserfahrungen zusammen.
Hans-Jochen diente als 17-Jähriger der
Wehrmacht und geriet nach einer Verlet-
zung in Gefangenschaft. Bernhard ver-
brachte viele Nächte mit seiner Mutter im
Bombenkeller. „Nie wieder“, da waren sie
sich einig und arbeiteten beide am Aufbau
eines besseren Landes – trotz unterschied-
licher politischer Ansichten. cwb

Im Leben eines Sportlers gibt es immer
Konkurrenz, mal läuft das Nachbarskind
einfach ein paar Sekunden schneller, mal
der Superstar von Übersee. Wenn Ge-
schwister zu Konkurrenten im Sport wer-
den, ist der Streit meist groß. Da ist es gar
nicht so falsch, wenn einer der beiden in
sicherem Abstand ein paar Ligen weiter un-
ten sein Spiel treibt, siehe die Beispiele der
Brüder Kroos, Hummels oder Schweinstei-


ger. Oder aber, und das ist die eleganteste
Variante, man macht sich seinen Bruder
oder seine Schwester zum ernst zu neh-
menden Gegner. Das gelingt allerdings ei-
gentlich nie, außer vielleicht den Williams-
Schwestern, die alleine dafür schon einen
Pokal verdient hätten.
Dazu muss man aber wissen, dass die
beiden Schwestern, die schon seit Kind-
heitstagen zusammen trainieren, nicht

nur gegeneinander, sondern auch noch
miteinander auf dem Tennisplatz Sieg und
Ruhm erkämpft haben. Das ist dann quasi
die letzte Stufe der Verbrüderung, die
offenbar eher Schwestern schaffen. Die Bi-
lanz von Serena (geboren 1981 in Saginaw,
Michigan) und Venus Williams (geboren
1980 in Lynwood, Kalifornien) ist beeindru-
ckend, sowohl auf, als auch neben dem
Platz. fehu

Vielleicht liegt es im Menschen tief verbor-
gen, dass er dazu neigt, in Gut und Böse zu
denken, Graustufen jedenfalls stören
meist. Manchmal aber spielt das Leben so,
dass der eine der Teufel, der andere ein gu-
ter Mensch ist. Ein Beispiel für eine solche
Geschichte ist das Leben der beiden Gö-
ring-Brüder. Die Biografie des einen ist be-
kannt, Hermann, geboren im Januar 1893
in Rosenheim, ist der glühende Nazi, von
Hitler zum Reichsmarschall befördert. Im
Juli 1941 lässt er die „Endlösung der Juden-
frage“ in die Tat umsetzen. Er ist damit
mitverantwortlich für die Verfolgung von
Millionen Juden bis zum Kriegsende 1945.

Bruder Albert, am 9. März 1895 in Frie-
denau bei Berlin geboren, wird heute noch
der „gute Göring“ genannt, weil er sich öf-
fentlich gegen die menschenverachtende
Ideologie des Nationalsozialismus aus-
sprach und sogar Verfolgten half; jenen
Menschen also, die sein älterer Bruder in
Konzentrationslagern sehen wollte, gede-
mütigt, vergast, erhängt oder erschossen.
Doch Albert Göring schaffte es zu Lebzei-
ten nicht, seinen Nachnamen und damit
den Schatten der Mörder abzulegen. Nach
dem Krieg kam er in Gefangenschaft, ver-
armte und starb in bescheidenen Verhält-
nissen mit 71 Jahren an Krebs. fehu

Ein Auto und vier Brüder, noch ganz
entspannt und jugendlich: Ferdinand Alex-
ander (o.), Hans-Peter, Gerhard und Wolf-
gang Porsche posieren auf einem Auto
gleichen Namens, Typ 550 Buckelspyder.
Das war 1954. Danach hat die Welt eine
wichtige Lektion erfahren: Wer Familie
hat, braucht manchmal keine Feinde.
Die Auseinandersetzungen im großen
Porsche-Clan – und insbesondere mit dem
verwandten Piëch-Clan – um die Macht in
der Autodynastie beschäftigte die Medien
über Jahrzehnte. Legendär ist der Satz, mit
dem Ferdinand Piëch, ein Enkel des Fir-
mengründers Ferdinand, 1970 die Por-

sches bei einem Krisentreffen begrüßte:
„Ich bin ein Wildschwein, ihr seid die Haus-
schweine.“
Immerhin, gelegentlich bemühten sie
sich auch. So wurde sogar ein Familien-
therapeut eingeschaltet, spezialisiert auf
Gruppendynamik, als sich Ferdinand
Piëch, sein Bruder und seine Cousins Ferdi-
nand Alexander, Hans-Peter, Gerhard und
Wolfgang auf dem Schüttgut trafen, einem
Familiengut der Porsches oberhalb von
Zell am See in Österreich. Dennoch konn-
ten sich die Familienmitglieder nicht eini-
gen, wer in Zukunft an der Spitze des Kon-
zerns stehen soll.

Immer wieder gab es auch persönliche
Duelle in der Familie, etwa zwischen Hans-
Peter, der mal Produktionschef war und
nach Auseinandersetzungen mit dem da-
maligen Entwicklungsleiter Piëch frus-
triert hinwarf. Besonders großes Pech
hatte Gerhard Porsche, dem Piëch die Frau
ausspannte und dabei einen großen Teil
seiner Anteile an dem Unternehmen mit-
nahm.
Lernen kann man aus dem, was letztlich
die Porsches auch entschieden: Alle Famili-
enmitglieder sollten sich aus dem operati-
ven Management zurückziehen. Familie
ist eben manchmal auch Kampf. cwb

Aretha und Erma Franklin


Bernhard und Hans-Jochen Vogel


Serena und Venus Williams


Hermann und Albert Göring


Die Porsches


DEFGH Nr. 219, Samstag/Sonntag, 21./22. September 2019 WISSEN 35


FOTOS: MAURITIUS IMAGES; CPA MEDIA CO./PA; IMAGO (2); GETTY IMAGES (3); ARCHIV PORSCHE AG; ULLSTEIN BILD/PA
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