Soldaten waren immer wieder überrascht, wenn sie das blankrasierte
Schambein erblickten. Manche an Bord kauften verschiedenste Waren,
andere nicht, doch alle lauschten Maria Uva, die unterschiedliche Beinamen
trug: Heilige Jungfrau des Legionärs, Edle Blume, Mutige Brennende Fackel
der Reinen Italienischen Rasse, Erwählte Schwester des Imperiums, Singende
Braut, während sie sich die flammende Italianität aus dem Leib schrie. Was
tat es da schon, wenn die Nutten an Bord auf ihrem Weg in die Bordelle von
Asmara und Massaua, die dezenter und zurückhaltender gekleidet waren als
die Hausfrauen, die ihre hochgestellten Ehemänner besuchen fuhren, über sie
behaupteten: »Sie ist eine von uns, nur ohne Genehmigung.«
An Maria Uva waren Soldaten aller Art vorbeigekommen, Eingezogene
und Freiwillige, alte und junge, Berufsoffiziere oder Schwarzhemden wie
Attilio. Letztere waren am schwersten zu bändigen, Männer ohne jede
Erfahrung und Disziplin, die sich aber für die direkten Abgesandten des Duce
hielten. Viele waren arbeitslos, mittellos und hatten kaum die Schule besucht,
oder waren vorzeitig entlassene Delinquenten, die im Tausch nun in den
Krieg gingen. Die eingezogenen Soldaten hassten sie, die Offiziere rauften
sich wegen ihrer Arroganz die Haare, in den Schreibstuben der
Militärverwaltung fragte man sich, wie man sie alle nicht nur mit
Wollgamaschen versorgen sollte, sondern auch mit Unterhosen, denn manche
hatten nicht einmal diese. Ganz zu schweigen von denen, die aus
unerfindlichen Gründen nicht ausgemustert worden waren, Leute mit
geistigen Behinderungen, denen eigentlich niemand ein Gewehr in die Hand
drücken wollte, Bucklige, Epileptiker, Verstümmelte. Attilio hatte mit
eigenen Augen gesehen, wie sich ein Einarmiger auf der Vulcania
eingeschifft hatte.
Sie jedoch, die Sirene von Port Said, sang unterschiedslos für alle. Sie
sang für die Soldaten auf dem Weg zu den Höhen des Amba Aradam, zu den
Schluchten von Tembien oder dem Ashangisee. Für jene, die tagelang durch
Staub marschieren und vor Dehydrierung braune Tropfen pinkeln würden, für
jene, die von einem Dum-Dum-Geschoss durchbohrt würden. Für jene, die
sich vor Grauen beim Anblick von Leichen übergeben würden, welchen ihr
Geschlecht in den Mund gestopft war, und für jene, die einen noch lebenden
Mann festhalten würden, während ihr Kamerad ihn entmannte. Sie sang für
jene, die Strohhütten in Brand setzen würden, selbst wenn noch Frauen und
Kinder darin waren, um dann von den Vorgesetzten wegen
jeff_l
(Jeff_L)
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