Alle ausser mir

(Jeff_L) #1

zu ihren italienischen Altersgenossinnen. Er hatte an die Worte Telesio
Interlandis gedacht, die er vor seiner Abreise gesagt hatte, und musste ihm
zustimmen: Seine Fotos sollten besser nicht die schwarze Schönheit
verbreiten.
Als Profeti ihn aufforderte, sich das Objekt vor der Linse genauer
anzusehen, hatte er daran denken müssen. Dieses Foto war nicht nur das
Gegenteil von »grauenerregend«, wie der Kollege es wollte, sondern
geradezu gefährlich. Dieses Exemplar von Frau hatte einen Langschädel, ein
ovales Gesicht und die Nase leptorhinisch. Ihre hohe Stirn, das wusste der
Anthropologe, würde von vielen unweigerlich mit Intelligenz assoziiert
werden. Sie hatte weiche, aber zivile Lippen, ohne diese peinliche Prallheit,
die bei so vielen Negerinnen ihre tierische, zügellose Natur offenbarten. Ihre
Beine waren lang, sowohl absolut gesehen als auch im Verhältnis zu ihrem
Restkörper, und die Proportion Schenkel / Rumpf wäre im Vergleich für viele
Italienerinnen wenig schmeichelhaft ausgegangen. Grund genug, auf Profeti
zu hören und sie wegzuschicken.
Erst am nächsten Tag begriff der Anthropologe, dass sein Scharführer
noch andere Motive hatte, als er das Mädchen am Morgen aus seinem Zelt
huschen und verschwinden sah. »Profeti, Ihr enttäuscht mich«, sagte er, als
sie sich zum Frühstück trafen. Und zum ersten Mal schnauzte Cipriani Attilio
so zornig an, wie er es sonst nur mit den anderen tat. »Ihr lasst es Euch wohl
gutgehen. In einem Zelt meiner Expedition. Mit einer Negerin.«
»Macht Euch keine Sorgen, Professore«, erwiderte Attilio ruhig. »Ich
habe meine Wahl wohlüberlegt getroffen.«
Ciprianis Stimme klang schrill und gereizt. »Dass sie schön ist, sehe ich
selbst, Profeti. Aber Ihr wisst sehr wohl, dass ich nichts von Beziehungen
zwischen den Rassen ...«
»Die Rasse ist in Sicherheit.«
Der Professore war es nicht gewohnt, unterbrochen zu werden. Die Adern
an seinem Hals schwollen an, doch Attilio redete schon weiter.
»Sie ist unfruchtbar. Das haben meine Askaris auf dem Markt erfahren.«
Cipriani bekam den Mund nicht mehr zu. Die Beleidigung, die ihm auf
der Zunge lag, verhakte sich in seinem Mund. Nach ein paar Sekunden
schnaufte er laut, widerstrebend nachsichtig. Und musste gegen seinen
Willen lächeln, als er den Kopf schüttelte.
»Ach, Profeti ... Allmählich verstehe ich, warum man Euch Attila nennt.

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