schmetterling

(Martin Jones) #1

Elmars Gast zu sein, ist nicht das Schlechteste. Die Unterbringung gereicht
jedem Luxushotel zur Ehre.
»Das WLAN-Passwort ist Nordvisk Coast.« Katie hat ihre rüde Art fast
völlig abgelegt und wirkt nun beinahe fürsorglich. »Brauchen Sie sonst noch
was, Luther?«
»Danke.«
»Falls Sie es sich anders überlegen«, sie tritt vor ihn hin und steckt ihm
ihre Visitenkarte in die Hemdtasche, »rufen Sie an.«
Sie geht. Er schaut aus den bodentiefen Fenstern hinaus auf die im
Mittagslicht bleichenden Hügel. Das Gästehaus bildet den westlichsten Punkt
des Areals, sodass The Drop und die übrigen Gebäude außer Sicht liegen.
Das verstärkt sein Gefühl des Alleinseins, allein mit teils gelösten, teils
gordisch verschlungenen Problemen, doch Trostlosigkeit und Einsamkeit, die
angesichts seiner Lage zu erwarten gewesen wären, bleiben aus. An ihre
Stelle ist die Möglichkeit Jodies getreten, nun nicht länger zunichtegemacht
durch ältere Ansprüche. Immer noch krampft sich sein Magen zusammen,
wenn er sich vergegenwärtigt, welchem Umstand er das verdankt. Sein von
feuchter Erde und Getier bedecktes Gesicht zu erblicken, in seine blinden
Augen zu starren, hätte ihn wohl um den Verstand gebracht. Arme Ruth,
doch sie hat nicht ihren eigenen Leichnam gesehen. Die Evolution erspart es
jedweder Kreatur, ihren Tod zu überdauern, und nimmt ihr dafür die Chance,
ihn zu überlisten.
Bis heute.
Ist es Zufall, dass diese Dinge passieren, während Leute wie Elmar vom
ewigen Leben phantasieren?
Um fünf stemmt er sich aus den Sofapolstern, ohne Erinnerung,
eingeschlafen zu sein. Er öffnet die Terrassentür und geht nach draußen. Ein
scharfer Wind fällt vom Küstengebirge herab, und Luther fühlt sich lebendig
wie seit Tagen nicht. Hierzubleiben, in dieser Wirklichkeit, entfaltet einen
faustischen Sog. Es würde in der Tat bedeuten, einen Pakt einzugehen. Nicht

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