schmetterling

(Martin Jones) #1

sodass Knochen und Sehnen bloßliegen wie Innereien eines nutzlos
gewordenen mechanischen Apparats. Mehrere Finger fehlen, offenbar
ausgerissen. Der Kybernetiker stöhnt, seine Lider flattern.
»Ruhig, Junge.« Luther streicht ihm die schweißnassen Strähnen aus der
Stirn. »Ich bring dich hier weg.«
Er packt Jayden unter den Schultern, stemmt ihn hoch – verharrt.
Etwas ist neben ihm.
Dicht neben ihm.
Die ewige Kinderseele, die im Keller laut und falsch pfeift, beharrt darauf,
es zu ignorieren und den Wissenschaftler zurück in den Hauptgang zu ziehen.
Doch noch viel weniger kann das Kind der Versuchung widerstehen,
hinzuschauen, und der Ermittler, vertraut mit jeglichen Expertisen der
Niedertracht, kann es schon gar nicht.
Langsam dreht er den Kopf.
Inzwischen hat der Nebel begonnen, in Schwaden hereinzudrängen und die
Korridore mit Monstrositäten zu bevölkern, wo gar keine sind. So kann
Luther, immer noch benommen, nicht genau sagen, was er sieht: ein tieferes,
plastisches Schwarz auf metallenem Grund, dessen Reglosigkeit nicht
darüber hinwegtäuscht, dass es lebt. Unterarmlang, mit kompaktem Corpus
und pfeilartig zulaufendem Hinterleib. Falls Beine, dann unbestimmbar viele.
Im Zwielicht schält sich etwas heraus, das nur einer fremden, bei aller Exotik
natürlichen Ordnung von Leben oder aber einer zutiefst krankhaften
Phantasie entsprungen sein kann, etwas der Evolution künstlich Beigeselltes,
das nicht existieren dürfte. Als das Dunstgespinst kurz auseinandertreibt,
wird ein segmentierter Körper ahnbar, gekreuzte Furchen, Reihen von
Dornen und abstehende Röhren. Kein erkennbarer Kopf, kein Gesicht. Oder
vielleicht doch, sofern die elliptischen Ausbuchtungen Augen sind, von
denen die Kreatur dann allerdings sehr viele hätte, gruppiert um eine Art
verschränktes Spalier –

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