Neue Zürcher Zeitung - 20.09.2019

(Ron) #1

56 WOCHENENDE Freitag, 20. September 2019


„Vertrag, 22. März 1518.Der spa-
nischeKönig Carlos I erteilt Magel-
lan denAuftrag zur Erkundung eines
Westwegs nach den Molukken.Der
Seefahrer will beweisen, dass die Ge-
würzinseln gemäss demVertrag von
Tordesillas von1494 in der spanischen
Hälfte derWelt liegen,nichtin der por-
tugiesischen. EineWeltumsegelung ist
nicht beabsichtigt. DerKönig ist ge-
rade 18 Jahre alt. Erst imVorjahr ist
er von Flandern nach Spanien gekom-
men. Im folgendenJahr wirdderHabs-
burger als KarlV.zum Kaiser gekrönt
und gesalbt.


„Instruktion, 8. Mai 1 519. Nach
einem zweitenTr effen mit KarlV.er-
hält Magellan ausführliche Anweisun-
gen. Magellan soll den Leuten in fernen
Ländern freundlich begegnen. Frauen
dürfen nicht belästigt, Güter nicht ge-
stohlen werden. Man will Handel trei-
ben, nicht sichFeindeschaffen. Nur
die Muslime soll man nötigenfalls be-
kämpfen.


„Offizieller Start, 10.August 1519.
Unter Kanonendonner verabschiedet
sich die Magellan-Flotte mit fünf alten,
aberrenovierten Schiffen aus Sevilla.
Sie fährt zur Mündung des Flusses Gua-
dalquivir, dort werden die Schiffe fertig
beladen.


„Abfahrt, 20. September 1519. 237
Mann stechen von San Lúcar in See.
Alle Besatzungsmitglieder haben die
Beichte abgelegt. Die Flotte nimmt
Kurs auf die Kanarischen Inseln. Am



  1. Oktober beginnt die Überquerung
    des Atlantiks.


„Die fünf Schiffe der Magellan-Flotte
sind zwischen 20 und 30 Meter lang
und 6 bis 10 Meter breit, etwas grös-
ser als ein heutiges Zürcher Limmat-
schiff.Sie sind beim Start überladen mit
Nahrungsmitteln,Waffen,Werkzeugen
und Geschenken. Die Mannschaft ist auf
einem einzigen Zwischendeck zusam-
mengepfercht. ZurAusrüstung gehören
unteranderem: 700FassTr inkwasser
undWein,6 Küheund3 Schweine, 100
Tonnen Zwieback, 5 grosseKupferkes-
sel, 80 Kanonen unterschiedlicher Kali-
ber mitKugeln und Pulver,50 Arm-
brüste, 60 Pfeilbogen, 40 00 Pfeile, 1120
Lanzen, 100 Halbrüstungen, 200Rund-
schilde, 6 Tonnen Blei, 30 00 Nägel, Seile
und Segeltuch, ½Tonne Elfenbein, 30
Purpurtücher, 200 rote Kappen, 20 0
rote Taschentücher, 10 000 Angelhaken,
600 Scheren, 5 000 Messerschlechtester
Qualität aus Deutschland, 10 00 Kämme,
1000 Spiegel (100 grosse und900 kleine).
Das Inventar ist im Archiv der Casa de la
Contratación in Sevilla erhalten.

„Amerika, 13. Dezember 1519.Die
Flotte erreicht Rio deJaneiro. Die Spa-
nier werden von den einheimischen
«Menschenfressern» freundlichemp-
fangen; diese sind laut dem Chronisten
nackt, schmutzig und leichtgläubig. Die
Matrosen bewundernPapageien und
essenerstmalsKartoffeln und Ananas.
Weiterfahrt am1. Januar1520.

„Enttäuschung, 12. Januar 1520.
Magellan merkt: Der Río de la Plata ist
ein Fluss, kein Meereskanal zurWest-
küste des amerikanischenKontinents.
Er hatte aufgrund irreführender Hin-
weise anderer Entdecker fest damit ge-
rechnet, hier einenDurchlass zum Indi-
schen Ozean und zu den Gewürzinseln
zu finden. Man fährt weiter südwärts.

„Meuterei, 1.April 1520. In der Bucht
von SanJulián will Magellan überwin-
tern, doch drei seiner Kapitäne meu-
tern, sie wollen heimkehren. Ein Kapi-
tän wird im Handgemenge erstochen,
einer wird standrechtlich geköpft. Die
beiden Leichname werden gevierteilt,
dieKörperstücke an derKüste auf Holz-
gabeln gespiesst und ausgestellt, zur Ab-
schreckung. 1578 wird der britische See-
fahrerFrancis Drake Knochen und Ga-
beln finden. 40 minderrangige Meute-
rer oderVerdächtige werden in Eisen
gelegt, einige gefoltert.

„Schiffbruch, 22.Mai 1520. Die
«Santiago» zerschellt im Sturm auf Er-
kundungsfahrt an derKüste. 37 Mann
können sich retten, ein gefesselter
schwarzer Sklave ertrinkt. DieLadung
kann grösstenteilsgeborgen werden.
Die Flotte hat noch vier Schiffe.

„Ausgesetzt, 24.August 1520. Die
Flotte fährt weiter, aber ohneJuan de
Cartagena, den Generalinspektor der
Flotte. Er ist bestens vernetzt am spani-
schen Hof, eristder spanischeAufpasser
über den portugiesischen Generalkapi-
tän. NachRang steht er über diesem,
sein Lohn ist höher. Doch alsRädels-
fü hrer der Meuterei wirder jetzt am
Ufer ausgesetzt, zusammen mit einem
Priester, der einen Anschlag auf Magel-
lan versucht hat.

„Magellanstrasse, 1. November
1520.Die Flotte entdeckt die Einfahrt
in eine Meerenge – es ist die spätere
Magellanstrasse. Die Erkundung dauert
einen Monat.

„Desertion, 8. November 1520.Die
«San Antonio», das grösste Schiff der
Flotte, nimmt in der Nacht mit 57 Mann
an BordReissaus in Richtung Spanien.
Es erreicht am 6. Mai1521 Sevilla, mit 55
Mann. Magellan bleiben noch drei Schiffe.

„Pazifik, 28.November 1520. Die
Flotte erreicht das offene Meer. Magel-
lan und die Lotsen meinen, den Indi-
schen Ozean erreicht zu haben. Die Ge-
würzinseln scheinen inReichweite. Ent-
lang derKüste fährt man nach Norden,
am 16. Dezember beginnt die Über-
fahrt über das bisher völlig unbekannte
Meer. Sie dauert viel länger als gedacht.
Der Schiffszwieback ist verdorben und
vermadet, dasTr inkwasser faulig. Die
Matrosen essen Sägemehl, dazu gibt
es Mäuse und Leder von derTakelage.
Viele leiden an Skorbut, über 20 ster-
ben. Die Flottekommt an einigen kah-
len Inseln vorbei, diekeinWasser und
keine Nahrung bieten; immerhin kann
man Haifische fangen.

„Räuber, 6.März1521. Die Flotte er-
reicht Guam, hier gibt esWasser und
Nahrungsmittel, aber derAufenthalt
dauert nur dreiTage. Die Einwohner
stehlen allerleiAusrüstung von den
Schiffen und ein Beiboot. Die Spanier
holen es mit Gewalt zurück. «Diese
Leute leben inFreiheit und nach ihrem
Willen, denn sie habenkeinen Herrn»,
schreibt Pigafetta.

„Philippinen, 17. März 1521.Die Spa-
nier erreichen die Philippinen-Inseln
Homonhon und Limasawa. Sie finden
Wasser und Nahrung,sie können sich
erholen. Die Einheimischen zeigen sich
hilfsbereit.

„Massentaufe, 14.April 1521.Auf
Cebu taufen die Spanier den Inselkönig
Humabon und dessenFamilie. Magellan
ernennt ihn zum Statthalter desKönigs
vonSpanien über die ganzen Philippinen.

«Schweiss und Hunger und Durst und Kälte»


Magellans Weltumrundung war voller Schrecken und Gefahren. Wir zeichnen die wichtigsten Etappen


der Expedition vor 500Jahren nach.


Es starten fünf Schiffe... ...mit 237 Mann.

984 Laib Käse984 Laib Käse

508 Fässer508 FässerWeinWein

Trinkwasser in FässernTrinkwasser in Fässern

480 Liter Öl480 Liter Öl

3234 Liter Essig3234 Liter Essig

100 Tonnen Zwieback100 Tonnen Zwieback

1367 kg Bohnen1367 kg Bohnen

55 kg Linsen55 kg Linsen

180 kg Rosinen180 kg Rosinen

339 kg Zucker339 kg Zucker

2461 kg Kichererbsen2461 kg Kichererbsen

200 Fässer Sardellen200 Fässer Sardellen

250 Zöpfe Knoblauch250 Zöpfe Knoblauch
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