Der Spiegel - 07.09.2019

(Ron) #1
Geld macht. Sie reanimieren das alte Ge-
schäftsmodell.
Dabei war mit dem Friedensabkommen
von 2016 auch die Hoffnung verknüpft,
die Produktion von Kokain unattraktiver
zu machen. Der Staat wollte die Bauern
und die Rebellen auf die Seite des Geset-
zes ziehen. Den Rebellen bot man nach
Jahren im Dschungel Programme zur
Resozialisierung an. Die Bauern sollten
finanzielle Unterstützung erhalten. In
Putumayo sieht man, dass die Regierung
beides versäumt hat.
Der Bauer, der William Wallace die wei-
ße Paste verkauft, ist zufrieden. Er schätze
die Guerilla, sagt er. Seit die Farc wieder
die Gegend kontrollierten, herrsche Ord-
nung. Er könne nachts sogar die Ketten -
säge an der Hauswand hängen lassen, ohne
dass sie geklaut werde. Wenn der Staat die
Menschen hier vergisst, klammern sie sich
an andere, die für Sicherheit sorgen.
Am nächsten Morgen ruft Comandante
Alviuz seine Truppe zusammen. Der Tag
ist voll mit Terminen. Am Abend kommt
ein Käufer, der die Berge von Kokapaste
mitnehmen wird, für 2600 Peso pro
Gramm. Den Farc bleiben davon 10, 15
Prozent Gewinn. Außerdem haben sich
vier weitere Milizionäre angekündigt. Sie
sind beauftragt, Geld von Unternehmern
zu erpressen, unter anderem von einer
Baufirma, die in der nächstgrößeren Stadt
eine Straße bauen soll. Alviuz wollte eine
Auflistung der Projektkosten, um zu er-
mitteln, was den Farc zusteht. Bevor es so
weit ist, muss er aber noch mit seinen Gue-
rilleros reden.
Früher bekamen die Neuen eine mehr-
monatige Grundausbildung, das muss jetzt
schneller gehen. Das gilt auch für Indoktri-
nation und Propaganda. Die Guerilleros
tragen grüne Uniform, am Arm die klassi-
sche Farc-Binde in den kolumbianischen
Nationalfarben, Gelb, Blau, Rot, darauf der
Name der Kampffront, zu der sie gehören.
In diesem Fall: Carolina Jiménez, eine Ärz-
tin der Farc, die beim letzten Bombarde-
ment der Regierung, kurz vor Ende des
Krieges, ums Leben kam, erzählt Alviuz.
Er redet von der Revolution, die jetzt
weitergehe, und von einem neuen Anfang.
Man dürfe nie die Herzen der campesinos
vergessen, der Bauern. Solange sie zu den
Farc hielten, niemanden verrieten, solida-
risch mit der Sache seien, könne man ge-
winnen. Denn für sie, die campesinos, wür-
den sie in den Kampf ziehen. Er schaut in
sehr ernste, sehr junge Gesichter.
Vorne links zum Beispiel, mit ernstem
Blick, steht Lorena, 15 Jahre alt, langes
dunkles Haar, die Kalaschnikow fest in ih-
ren Händen. Sie ist seit acht Monaten dabei
und hat in der Zeit mehr Kampferfahrung
gesammelt als weite Teile der Bundeswehr.
Daneben steht Alejandra, 13 Jahre alt,
vor zwei Monaten der Revolution beige-

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Guerillera, verwundeter Kamerad: Wer zu viel redet, stirbt

Kommandant Alviuz mit Kämpfern: Zermürbt vom Frieden


Bauer beim Wiegen von Kokainpaste: »Das Zeug ist gut«
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