treten, auch sie bewaffnet. Ihre Mutter hat
Gebärmutterkrebs und neun weitere Kin-
der. Sie weiß nicht, wo ihr Vater ist. In die
Guerilla ist sie gegangen, weil sie sich in
einen jungen Guerillero verliebt hat.
Etwas weiter steht Carlos, keine 20 Jah-
re alt. Ihn beschäftigt vor allem, dass er
gern eine Kalaschnikow hätte wie Lorena.
Ein Kamerad sagte ihm, es gebe kein bes-
seres Gewehr für den Dschungel. Leider
seien diese Gewehre derzeit schwer zu
kriegen, Carlos müsse deshalb mit einem
amerikanischen M16 vorliebnehmen.
Frank, vorne links, ist einfach nur froh,
dass er hier ist. Er wird steckbrieflich ge-
sucht. Im Suff hat er erzählt, dass er all
seinen Opfern zwei Schüsse in den Kopf
setze. Einmal Hinterkopf, einmal Schläfe.
Das sei sein Markenzeichen. Als dann
mehrere Menschen auftauchten, die so
ermordet worden waren, sprach sich das
herum. Frank tauchte im Dschungel unter
und ging zur Guerilla. Auf die Frage, ob
er die Leute wirklich ermordet habe, sagt
er: »Aber doch nicht alle!«
Danilo Alviuz richtet sich auf. »Kame-
raden, was die Ausrüstung betrifft, was
fehlt noch?«
Lorena und Alejandra melden sich, die
beiden Mädchen: »Mein Kommandant,
wir haben keine Unterwäsche.«
Dann läuft die Truppe durch den
Dschungel, macht Liegestütze, springt auf
der Stelle, in brutaler Hitze. Die Unifor-
men färben sich dunkelgrün.
Währenddessen bestellt Alviuz die an-
gekündigten Milizionäre ein. Sie sind die
Einzigen im Lager, die nicht fotografiert
werden dürfen. Denn sie werden hin und
wieder in die nächste Stadt fahren, gute
zehn Stunden mit dem Boot, und an Auf-
klärungsmissionen und Spezialaufträgen
teilnehmen müssen. Gezielte Morde gehö-
ren ebenfalls dazu.
Es sind vier, alle Anfang zwanzig. Der
Hagerste von ihnen erzählt, dass man un-
weit von Puerto Asís sechs Millionen Peso
von einem Großgrundbesitzer erpresst
habe. Der Erpresste lasse ausrichten, er
wäre dankbar, wenn die Farc ihm dafür
die anderen Verbrecher vom Hals hielten.
»Wir kümmern uns. Was noch?«
Das Straßenprojekt sei schwierig, der
Chef der Baufirma wolle direkt mit dem
Kommandanten sprechen. Er könne nicht
sagen, was die Straße kosten wird. »Er
lügt«, sagt Alviuz. »Ich kontaktiere ihn.«
Dann will er wissen, was die Farc den
Bauern bieten könnten. Einer der Männer
scheint auf die Frage geradezu gehofft zu
haben. Seit Jahren hätten Landwirte in der
Gegend auf den Bau einer Holzbrücke ge-
wartet. Nie sei etwas passiert. Er habe das
in die Hand genommen, die Brücke sei
fertig. »Fantastisch«, sagt Alviuz.
Abends sitzt er mit der Kameradin, die
sich um die Schusswunde gekümmert hat-
te, unter freiem Himmel. Sie ist 19 und sei-
ne Freundin, obwohl er mit seiner eigent-
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IN DER SPIEGEL-APP Ausland
Im Reich des
Comandante
Die Guerilleros sind wieder da. Im stickigen
Grün der Tropen Kolumbiens formiert sich
die neue Farc. Denn: Der Friedensprozess
sei ge scheitert, das Leid der Landbevölkerung
unverändert, die Produktion und der Handel
von Kokain seien ihre einzige Rettung,
meinen die Kämpfer in Gummistiefeln. Ge-
meinsam mit dem Videofotografen Federico
Rios wurde SPIEGEL-Reporter Juan Moreno
in ein Guerillacamp tief im Dschungel ge-
bracht – um der Welt die Präsenz der selbst
ernannten Revolutionäre zu beweisen.
Ein neuer Krieg um die Macht in Kolumbien
steht bevor.
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»Mein Kopf ist eine hal-
be Milliarde Pesos wert.
Was macht ein General,
der weiß, wo ich bin?«
Junger Farc-Unterstützer: Gezielte Morde gehören dazu