Süddeutsche Zeitung - 07.09.2019 - 08.09.2019

(Rick Simeone) #1

Tue Gutes und rede kein Wort darüber. Das
scheintder Leitsatz von Norbert Thaller zu
sein. Der steirische Koch macht nämlich in
seinem Familienbetrieb alles richtig, aber
überhaupt kein Aufsehen darum. Der Thal-
ler liegt ein bisschen ab vom Schuss der
Südsteirischen Weinstraße, nahe an der
Grenze zu Slowenien. Wer ohne Navi in das
noch immer als Geheimtipp gehandelte
Gasthaus will, verfährt sich beim ersten
Mal garantiert. Beim zweiten Mal auch,
aber ab dann steigert es nur die Vorfreude.
Der „Gasthof Thaller“ liegt im steiri-
schen St. Veit am Vogau, an einem Kirchen-
platz wie aus dem Bilderbuch. Er besteht
seit 1882, Norbert Thaller führt ihn in fünf-
ter Generation, seit 18 Jahren. Die viele Ar-
beit sieht man dem blendend gelaunten jun-
gen Mann nicht an, vielleicht, weil er die Na-
turweine seiner Heimat so liebt oder wegen
der Qualität seiner Zutaten. Jedenfalls ist
das Haus sehr einladend, stattlich, heraus-
geputzt, „es atmet Tradition“, würden man-
che sagen. Schon im Gang wird klar, dass es


um gute Produkte geht: Man sieht Tonfla-
schen mit hausgemachtem Wermut oder
Gewürze von außergewöhnlicher Qualität


  • von einem ähnlich stillen Handwerker
    wie Norbert Thaller: Hannes Pinterits aus
    dem Burgenland, der dort zum Beispiel seit
    zehn Jahren wieder Safran anbaut.
    Bei Schönwetter sollte man aber sofort
    weiter in den Garten, den schönsten und
    prächtigsten Gastgarten der Welt der Steier-
    mark nämlich. Dort wächst Ungewöhnli-
    ches wie Shisoblätter oder gelb-orange ge-
    streifte Tomaten, außerdem duftet es
    himmlisch spätsommerlich, und man trifft
    auf herumtollende Hunde. Sehr bald be-
    ginnt man sich angesichts der vielen Hoch-
    und Normalbeete zu fragen, ob es hier even-
    tuell endlich einmal jemand ernst meint
    mit der so inflationär genannten, aber so
    selten wirklich umgesetzten Farm-to-table-
    Idee. Um später auf Nachfrage zu erfahren,
    dass der Thaller zusätzlich zum riesigen
    Garten, in dem weiter hinten auch noch ein
    großer Fischteich auf Umrundung wartet,


einen Hektar Bio-Acker bewirtschaftet.
Das eigene Gemüse reiche nun locker für
das Gasthaus aus. Ungewöhnlich ist auch,
dass auf der Speisekarte bei den Fleischge-
richten „Bio“ steht – eine Seltenheit in
Österreichs Gastronomie. BOA steht auch
oft dabei, gemeint ist eine Farm in Niederös-
terreich, auf der in Bio-Freilandhaltung An-
gus- und Galloway-Rinder gezüchtet wer-
den, mit Hofschlachtung, das Fleisch rich-
tig gereift, so rar wie köstlich.
Mittags kombiniert Thaller diese herrli-
chen Zutaten zu bodenständigeren Gerich-
ten, abends zu feingliedriger komponier-
ten Menüs. Aber es ist egal, zu welcher Ta-
geszeit man hier isst. Norbert Thaller hat zu
Hause gelernt, von seiner Mutter übernom-
men, war nie auf Küchenstation oder Welt-
reise. Doch das, was aus seiner Küche
kommt, scheint nicht zu dieser Geschichte
zu passen, so viel Erfahrung am Gaumen
und so viel Weitblick zeigt es: Hauchdünn
geschnittene, kräuterwürzige Porchetta
vom Freilandschwein (10 Euro) mit einem

leuchtend gelben, fast überschwänglich sü-
ßen Kompott von German-Gold-Tomaten
(eine Köchin hat gerade welche aus dem
Garten geholt), zart nach frischem Zitronen-
gras und Basilikum duftend. Oder Tigerfo-
relle in dicken Tranchen mit Gurke, Butter-
milch und besten Haselnüssen, eine erfri-
schende Vorspeise mit Substanz (12 Euro).
Dann gibt es ein Beuscherl vom Bio-Angus-
Kalb (12 Euro), kraftvoll, aber nicht zu dicht
und feinst geschnitten, dazu flaumige Top-
fen-Serviettenknöderl. Oder sein Bohn-
scharlsalat (7 Euro): Grüne-Bohnen-Salat
mit Kernöl und Grammeln vom Rind (!), die
exakt so schmecken wie das knusprig ge-
bratene Fett von gut gereiften Steaks.
Mustergültig auch das Bio-Backhendl
(16 Euro), weil es nach Hendl schmeckt, saf-
tig ist, nicht breiig und trocken wie seine
Artgenossen aus enger Stallhaltung. Und
weil die köstliche Panier knusprig ist, auch
rund um Leber und Hals. Dazu gibt es Erb-
senreis ohne jede Aufhübschung wie bei
Oma, das muss man sich erst mal trauen.

Der Saibling aus dem Teich kommt mit un-
wirklich tomatig schmeckenden Toma-
ten, Sorten und Gargrade verschieden, da-
zu warm aufgeschlagene Zitrusmayo
(24 Euro), ein Signature-Gericht von Thal-
ler. Auf den Speisen liegen zarte Kräuter
und Blüten, die kein noch so luxuriöser
Gastro-Großhändler in der Frische lie-
fern könnte. Die Topfenknöderl mit Maril-
lenröster und -eis (9 Euro) sind ein weite-
res Beispiel puren Wohlgeschmacks, weil
guter Topfen, weil reife Marillen, buttrige
Brösel und perfekte Konsistenzen. Der
Koch nimmt sich zurück und überlässt
die Bühne dem Eigengeschmack der bis
ins Detail ungewöhnlich guten Zutaten.
Manuela Thaller ist, wie ihr Mann, dem
Naturwein verfallen. Wer biodynamische,
maischevergorene Weine liebt, wird bei
der sehr fair kalkulierten und extrem um-
fassenden Weinkarte kein Halten kennen.
Es gibt aber auch 15 (!) der Weine glaswei-
se. Als sie beim Einschenken des fabel-
haften Chardonnay Salamander 2017
(7,50 Euro) vom Bio-Weingut Andreas
Tscheppe sagt, dass in die Schweizer Glä-
ser – ungewöhnliche, extrem leichte Uni-
kate – nur Demeter-Weine dürften, glaubt
man an einen Scherz, aber sie meint es mit
herzlichem Lachen wirklich so: „Die ande-
ren haben das nicht verdient.“
Dabei kommen weder Küche noch Ser-
vice sektiererisch oder missionarisch da-
her. Das ist es, was den unwiderstehlichen
Thaller-Sog ausmacht: von allem nur das
Beste, und zwar echt. Kein Dünkel, viel
Freude, das schmeckt man. Wenn es nach
den Thallers geht, noch für Jahrzehnte:
Sohn Simon steht schon mit in der Küche.

Dem Kürbis wird oft vorgeworfen, etwas
langweilig zu sein. Allerdings meist von Leu-
ten, die auch im realen Leben die Vorteile
gepflegter Langeweile nicht zu schätzen
wissen. Denn seine süßliche Behäbigkeit
macht etwa den Moschus-Kürbis zum ge-
duldigen Partner für starke Aromen. Diese
geschmackliche Leinwand mit Salz, Knob-
lauch und Gewürzen vollzuballern, bringt
köstliche Ergebnisse. Der britische Herd-In-
tellektuelle Hugh Fearnley-Whittingstall
(kurz: HFW) kombiniert Hokkaido sogar mit
geschmortem Eisbein, mediterranen Kräu-
tern und Orangenmarmelade. Sehr interes-
sant! Schneller an den Tisch kommt man
mit HFWs schönem Vorschlag, Pappardelle
mit einem Sugo aus nussig-süßem Butter-
nut-Kürbis, Salbeibutter und Knoblauch zu
servieren. Dafür 750 g Kürbis schälen, in
2-3 cm große Würfel schneiden und mit
5 ungeschälten, zerdrückten Knoblauchze-
hen in einen Bräter geben. Alles mit 4 EL Oli-
venöl benetzen und bei 190 Grad im Ofen
für 45 Minuten garen. Derweil 50 g Butter
in der Pfanne sanft erhitzen (nicht bräu-
nen!) und darin 20 Salbeiblätter drei Minu-
ten anschwitzen. Salbeibutter mit Kürbis,
Knoblauch und Bratensaft mischen, salzen
und pfeffern und auf 500 g bissfest gegar-
ter Pasta servieren. Geriebener Parmesan
und geröstete Walnusskerne machen die-
sen Herbstteller perfekt. MARTEN ROLFF

von patricia bröhm

D


er heilige St. Urban, Schutzpa-
tron aller Winzer, schaut Mi-
chael Moosbrugger als holzge-
schnitzte Statue über die Schul-
ter, als der eine Flasche seines
besten Grünen Veltliners entkorkt. Im Ver-
kostungsraum von Schloss Gobelsburg ver-
gisst man die große Geschichte in keinem
Moment, dafür sorgen schon das uralte
Kreuzgewölbe, die barocken Engel an der
Wand oder die Nussbaumvitrinen aus dem



  1. Jahrhundert. Das Renaissance-Schlöss-
    chen liegt malerisch im Kamptaler Wein-
    bauort Langenlois, eine Autostunde nord-
    westlich von Wien. Mit seinen knapp
    850 Jahren ist das Weingut nicht nur einer
    der ältesten kontinuierlich geführten Win-
    zerbetriebe Europas, sondern auch einer
    der wenigen, die sich noch in klösterlichem
    Besitz befinden. Eigentümer sind die Mön-
    che der Zisterzienserabtei Zwettl. Bemer-
    kenswert ist aber nicht nur die Geschichte,
    sondern auch die Qualität. Das Gut gilt als
    Ikone des österreichischen Weinbaus.
    Großen Anteil an dem Status hat Micha-
    el Moosbrugger, der das Weingut seit 1996
    führt, als erster weltlicher Kellermeister.
    Der erwähnte Wein, ein 2017er Jahrgang
    aus der Einzellage „Ried Lamm“ gilt als ei-
    ner der besten Grünen Veltliner im Land.
    Ein kraftvoller Wein, der nach reifen Äpfeln
    und Quitten duftet und mit viel Würze am
    Gaumen nachhallt, seine Mineralik ver-
    dankt er der Spitzenlage Zöbinger Heiligen-
    stein. Nicht von ungefähr lagern in Gobels-
    burger Kellern Weine aus den berühmtes-
    ten Lagen des Kamptals – Lamm und Grub,
    Zöbinger Heiligenstein, Kammerner Gais-
    berg: „Seit 1171 besitzt das Stift Weingärten
    in der Region, über die Jahrhunderte konn-
    ten sich die Mönche die besten Lagen si-
    chern“, sagt Moosbrugger. „Und sie besa-
    ßen früher als alle anderen das Knowhow,
    deren Potenzial herauszukitzeln.“


Klöster waren von jeher Zentren des Wis-
sens und der Forschung, auch was Land-
wirtschaft und Ernährung betrifft – man
war ja Selbstversorger. Heute bieten Klos-
terläden ihre Produkte online an, von Trap-
pistensenf über Käse bis Kräuterschnaps.
Und Bier aus bayerischen Klosterbrauerei-
en wie Andechs oder Ettal ist ein Renner.
Ein wenig in Vergessenheit geraten ist dage-
gen, dass Mönche auch die Geschichte des
Weinbaus entscheidend prägten. Und dass
einige der besten Weine Europas bis heute
hinter Klostermauern gekeltert werden.
Michael Moosbruggers Vorgänger als
Kellermeister war Pater Bertrand Bau-
mann, Abt von Zwettl im österreichischen
Waldviertel und ein echter Fachmann, wie
die gereiften Weine aus seiner Zeit belegen,
die noch in den Tiefen des Kellers schlum-
mern. Pater Bertrand, ein frühes Marke-
tinggenie, machte den „Gobelsburger Mess-
wein“ zur bekannten Marke. Er ist noch
heute im Programm und darf als Messwein
in Österreich, anders als in Deutschland,
auch an Privatleute verkauft werden. Für
rund zehn Euro steht er als Grüner Veltliner
für den klassischen Stil des Kamptals: ein
leichter, trinkfreudiger Wein, feinwürzig
und mit angenehmer Frucht, aber nicht zu


aromatisch, ein perfekter Essensbegleiter.
Der Messwein animierte einst die Mönche,
sich für Weinbau zu interessieren, für den
täglichen Gottesdienst waren sie ja auf
Nachschub angewiesen. Zudem ließ sich
mit Wein Geld verdienen:Im Mittelalter, als
sauberes Trinkwasser rar war, galt Wein als
Grundnahrungsmittel, im Bayerischen
Chorherrenstift Schäftlarn etwa hatte jeder
Mitbruder Anrecht auf 500 Liter pro Jahr.
Oft wurden Klöster schon bei der Stiftung
mit Weingärten beschenkt; sie setzten alles
daran, diesen Besitz auszudehnen. Wohl nie-
mand in der Geschichte hat den Weinbau
derart vorangebracht wie die Zisterzienser,
deren Mutterabtei Cîteaux zum Schrittma-
cher der Entwicklung im Burgund wurde.
Viele heute berühmte Appellationen sind ih-
nen zu verdanken, etwa in Pommard, Vol-
nay oder Chablis, wo Mönche als Erste den
Chardonnay gepflanzt haben sollen.
Die Mönche erkannten rasch, dass Wei-
ne aus bestimmten Lagen viel besser gerie-
ten als andere, und wurden zu Vordenkern
der Lagenklassifikation. Eine der damals
wie heute berühmtesten Grand-Cru-Lagen
ist der „Clos de Vougeot“ an der Côte de Nu-
its, rund 50 Hektar bester Rebflächen, die
sie als Versuchsweinberg nutzten und
schon 1330 mit hohen Mauern vor Trauben-
Diebstahl schützten.
Auch in Deutschland wurden Neuerun-
gen im Weinbau von Ordensbrüdern voran-
getrieben. Im Rheingau hatten die Zisterzi-
ensermönche von Kloster Eberbach schon
im 12. Jahrhundert durch Tausch und Kauf
von Parzellen einen 37 Hektar großen Wein-
berg in bester Lage geschaffen, den Stein-
berg – bis heute wachsen hier einige der be-
gehrtesten Weine der Region.Auf das Kon-
to der Benediktiner vom damaligen Kloster
Johannisberg wiederum geht nicht nur die
erste verbürgte Pflanzung einer Rieslingre-
be im Rheingau im Jahr 1716, sondern auch
die Erfindung der Spätlese (1775), also einer
gezielt späteren Lese vollreifer Trauben.
Die beiden großen Rheingauer Riesling-
Domänen gingen wie fast alle Klosterkelle-
reien in Zentraleuropa nach der Säkularisie-
rung um 1803 in private Hände über, doch
die Weinkultur, die sie begründet hatten,
lebte fort. Vielerorts legten Zisterzienser
den Grundstein für deutsche Weinkultur,
so in Saale-Unstrut mit dem heutigen Lan-
desweingut Kloster Pforta oder am Boden-
see mit dem Weingut von Kloster Salem,

heute im Besitz des Markgrafs von Baden.
In Würzburg gründete Bischof Julius Ech-
ter, als Teil einer gemeinnützigen Stiftung,
1576 das Juliusspital, das heute mit
180 Hektar Deutschlands zweitgrößtes
Weingut ist. Und in der Schatzkammer des
Ortsrivalen Bürgerspital, bereits 1316 gestif-
tet, lagert noch heute eine Flasche Silvaner
des Jahrtausendjahrgangs von 1540.
Weingüter bis heute in geistlicher Hand
zu halten, gelang am ehesten in katholi-
schen Regionen wie Italien oder Österreich.
Zu den ältesten Kellereien der Welt zählt
die Stiftskellerei Neustift (1142), die umge-
ben von Reben im Südtiroler Eisacktal bei
Brixen liegt, wo sich Weinberge bis auf
900 Meter Höhe hinaufziehen. Unter der
prächtigen Basilika des Klosters liegt ein
wahrer Schatz: Im uralten Weinkeller lagern

bei rund ums Jahr konstant kühlen Tempe-
raturen einige der besten Gewächse Südti-
rols. Die Augustiner-Chorherren sind klug
genug, ihrem Kellermeister freie Hand zu
lassen. Die Rieslinge und Sylvaner der Pres-
tigelinie „Praepositus“, lateinisch für
Probst, heimsen in Italiens Weinführern je-
des Jahr höchste Auszeichnungen ein.
Die durchweg hohe Qualität der noch be-
stehenden Klosterweingüter hat weniger
mit himmlischer Vorsehung zu tun als mit
handfesten irdischen Gründen. Schließlich
hatten die Mönche viele Jahrhunderte Vor-
sprung, sich die jeweils besten Lagen zu si-
chern. Ein weiterer Vorteil ist, dass man bei
allen weltlichen Interessen in Klöstern ein-
fach ein wenig anders tickt. So waren die
Mönche von Zwettl aufgrund ihres Glau-
bens von jeher bestrebt, möglichst naturbe-
lassene Weine zu machen, eine Stilistik, die

erfreulich modern wirkt und die Michael
Moosbrugger fortführt. Seine wertvollsten
Lagen lässt der Gobelsburger Kellermeis-
ter seit Jahren nach biologisch-integrierten
Grundsätzen bewirtschaften, auch im Kel-
ler greift er so wenig wie möglich in die na-
türliche Entwicklung ein. Das geht so weit,
dass Fässer auf Rädern eingesetzt werden


  • so muss man den Wein nicht mehr um-
    pumpen, was ihn im wahrsten Sinne auf-
    wühlt, sondern kann ihn bei Bedarf einfach
    in eine andere Temperaturzone rollen. „Dy-
    namic cellar concept“ nennt Moosbrugger
    das – so verschmilzt Marketingsprech des



  1. Jahrhunderts mit uralter Tradition.
    Die größten Schätze von Gobelsburg la-
    gern im ältesten Teil des Kellers, der auf
    das 12. Jahrhundert zurückgeht – man wird
    andächtig, wenn man hier steht und auf die
    gut erhaltenen Bruchsteinmauern schaut.
    Auch Moosbrugger denkt in dieser Kontinu-
    ität, er beschäftigt sich intensiv mit histori-
    scher Weinbereitung und brachte die Linie
    „Tradition“ auf den Markt, deren Weine so
    gekeltert sind, wie es vor 200 Jahren üblich
    war. Weil er derzeit den Fasskeller erwei-
    tern lässt, setzte er sich mit zisterziensi-
    scher Architektur auseinander, die er mit ih-
    rer geradlinigen, schmucklosen Formen-
    sprache als frühes Beispiel von „form fol-
    lows function“ sieht. Seine Vorgabe an die
    Architekten: „Die Kellererweiterung muss
    die nächsten 500 Jahre überstehen.“ Das be-
    deutet: kein Stahlbeton, nur Ziegel und
    Stein, wie zu Zeiten der Klostergründer.
    „Die Mönche sollen sich im Weingut wie-
    derfinden“, meint Moosbrugger. Daher
    macht er auch in seiner Funktion als Keller-
    meister Kompromisse. Das derzeit so ange-
    sagte Thema Natur- und Orangewein wür-
    de ihn reizen, aber er verkneift sich derarti-
    ge Experimente: „Das hat mit unserer
    850-jährigen Geschichte nichts zu tun.“


GESCHMACKSSACHE


Butternut-Kürbis


In einem Satz:Einideal-
typisches Gasthaus mit
einer Konsequenz bei der
Qualität, die anderen ein
Vorbild sein sollte.

64 STIL ESSEN UND TRINKEN Samstag/Sonntag,7./8. September 2019, Nr. 207 DEFGH


Qualität: ●●●●●
Ambiente:●●●●●
Service: ●●●●●
Preis/Leistung: ●●●●●

Michael Moosbrugger, Keller-
meister auf Schloss Gobelsburg.

Kaum einer hat


den Weinbau so nachhaltig


geprägt wie Mönche


Flaschengeist


AlsBrauer sind Mönche berühmt, als Winzer fast


vergessen. Dabei ist es heute ein Gütesiegel,


wenn ein Weingut noch zu einem Kloster gehört


FOTO: IMAGO/WESTEND61

LOKALTERMIN


Köche tönen oft, wie ernst sie die Farm-to-table-Bewegung


nehmen. Dass auch bei ihnen alles frisch vom Feld auf dem


Tisch landet. Meist bleibt das aber ein Lippenbekenntnis. Was


schade ist, denn die Qualitätsunterschiede kann man sehr


wohl schmecken, sagtKatharina Seiser. Wie viel sich aus


wirklich guten Produkten herausholen lässt, erleben Gäste


imGasthof Thallerin der südlichen Steiermark. Die Zutaten:


ein prächtiger Garten, ein eigener Fischteich, ein Bio-Acker,


Naturwein und ein fantastischer Koch. Besser geht’s nicht!


In Klosterkellereien weiß man,
wie Marketing-Sprech mit
uralter Tradition verrührt wird

Die Mauern der Kellergewölbe auf Schloss Gobelsburg bei Wien gehen zum Teil auf das


  1. Jahrhundert zurück. Das Gut gehört bis heute zur Zisterzienser-Abtei Zwettl. Seit fast 850 Jahren
    bauen Mönche hier Wein an.FOTOS: IMAGO, WEINGUT UND SCHLOSS GOBELSBURG (2)

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