mich hin- und zurückgefahren.‹ Wenn seine Mutter ihn
also nicht zu Hause unterrichtet und ständig in die Stadt
gefahren hätte, wäre er kein Großmeister geworden.«
Als sein Gegenüber fühlt man sich jetzt wie in einer Live-
Version seines Podcasts Revisionist History. »Ich sollte
wirklich eine Folge darüber machen«, sagt er lachend.
»Aber ich will mich auch nicht zu viel damit beschäftigen,
die Leute werden schon darüber hinwegkommen.«
Als er 50 geworden ist, hat Malcolm Gladwell die Re li gion
wieder für sich entdeckt. »Ich komme ja aus einer sehr
religiösen Familie. Meine Spiritualität ist wieder erwacht,
je älter ich geworden bin, ja.« Glaubt er an Gott? »Oh ja,
das tue ich.« Betet er? »Nein, ich bete nicht im klassischen
Sinn, meine Vorstellung vom Glauben hat mehr mit ak-
tivem Handeln zu tun, weniger mit kontemplativen Mo-
menten.« In seinem neuen Buch geht es auch mehr um den
Tod als in seinen früheren Veröffentlichungen. »Ja. Tod,
Folter, Nötigung. Ich wünschte, es wären mehr heitere
Geschichten darin. Sie haben schon recht, das war anders
in meinen älteren Büchern.« Und er widmet sich ausführ-
licher als früher dem großen amerikanischen Trauma, dem
Verhältnis von Schwarzen und Weißen, dem Rassismus,
der die Gesellschaft bis heute spaltet. »Ich dachte immer,
das wird verschwinden, aber das Gegenteil ist passiert. Wir
in den USA kämpfen jeden Tag mit den tiefen Wunden,
die die Vergangenheit des Landes hinterlassen hat.«
Als Sohn eines Weißen und einer Schwarzen hat Malcolm
Gladwell seine eigenen Erfahrungen gemacht, auch er ist
schon von Polizisten auf der Straße festgehalten worden
als Verdächtiger, nur weil der Gesuchte eine ähnliche Fri-
sur wie er hatte – und schwarz war. (Seine Podcast-Firma
Pushkin hat Gladwell nach dem russischen National dichter
Alexander Puschkin benannt, der ebenfalls schwarze und
weiße Vorfahren hatte.)
In seinem Buch schreibt er über den Fall der schwarzen
Amerikanerin Sandra Bland, die im Jahr 2015 von einem
weißen Polizisten angehalten wird, weil sie vergessen hatte,
den Blinker zu setzen. Im Verlauf des Gesprächs deutet der
Polizist ihr Verhalten falsch, sie ist extrem nervös, er denkt,
sie verhält sich wie eine typische Kriminelle, und die Si-
tuation zwischen den beiden eskaliert. Er nimmt sie fest.
In der Gefängniszelle nimmt sie sich das Leben. »Eines
war mir hier besonders wichtig«, sagt Gladwell. »Ich will
auch Menschen auf der konservativen Seite des Landes
erreichen, die von der ständigen Präsenz der Rassismus-
debatte ermüdet sind, auch wenn sie das Thema grund-
sätzlich gar nicht ablehnen. Viele Demokraten machen es
sich zu einfach, wenn sie diese Leute abschreiben.« Wen
meint er mit »diese Leute«? »All die Amerikaner, die keine
U-Bahn fahren, wo sie Schwarzen begegnen würden, die
auch keine Rapmusik hören – für diese Leute spielt das
Thema in ihrem Alltag schlicht keine Rolle. Und ich woll-
te nicht, dass solche Leute denken: Oh Gott, schon wieder
ein Buch über Rassismus. Ich schreibe in diesem Buch
übrigens nirgendwo explizit über Rassismus, aber das ist
DIE JUNGEN
JAHRE DER
ALTEN
MEISTER
- SEPT. 2019–
- JANUAR 2020
HALLE FÜR
AKTUELLE KUNST
DEICHTOR
HALLEN
INTERNATIONALE KUNS T
UNDFOTOGRAFIE
HAMBURG
GUTE
AUSSICHTEN
JUNGE
DEUTSCHE
FOTOGRAFIE
2018/19
- JULI–3.OKT. 2019
HAUS DER
PHOTOGRAPHIE
WALTER
SCHELS
LEBEN
- JULI–
- OKT. 2019
HAUS DER
PHOTOGRAPHIE
FUZZY
DARK SPOT
VIDEOKUNST
AUS HAMBURG
- APRIL 2019–
- NOV. 2019
SAMMLUNG
FALCKENBERG,
HAMBURG-HARBURG
STEFAN PANHANS
FREEROAMÀREBOURS, MOD#I.1,
2016 (DETAIL)
DIE AUSSTELLUNG IST EINE KOOPERATION
DER DEICHTORHALLEN HAMBURG UND DER
STAATSGALERIE STUTTGART
WALTER SCHELS
LIAS, AUS DER SERIE
»TRANSSEXUELL« (2016)
BENJAMIN KUMMER
KONSTRUKTION RAUM, 2017 (DETAIL)
BASELITZ
RICHTER
POLKE
KIEFER
DIEJUBILÄUMSAUSSTELLUNG
PARTNER DER DEICHTORHALLEN KULTURPARTNER