nicht, länger zu arbeiten. Wer mehr
als 1400 Franken im Monat oder
16 800 Franken im Jahr verdient,
muss weiterhin in die AHV einzahlen,
hat aber nichts davon. Für die AHV
das perfekte Geschäft: Sie nimmt so
zusätzliche 375 Millionen Franken
pro Jahr ein (Stand 2014) , muss aber
keinen Franken mehr Rente aus
zahlen. Beschönigend spricht sie
deshalb von Solidaritätsbeiträgen.
AHV-Aufschub lohnt sich nicht. Hinzu
kommt: AHV und Pensionskassen
renten sowie Einkommen müssen
voll versteuert werden. Es lohnt sich
auch nicht, den Bezug der AHV aufzu
schieben, kritisiert der CVPStände
rat Peter Hegglin in einem Postulat,
das er im März eingereicht hat. Das
zeigt das Beispiel eines Mannes, der
Anspruch auf eine Maximalrente hat,
sie erst mit 70 bezieht und bis dahin
6000 Franken im Monat verdient: Er
erhält 3090 Franken AHV pro Monat
statt 2370. Aber er hat zwischen 65
und 70 auf 142 200 Franken AHV ver
zichtet, 28 290 Franken in die AHV
einbezahlt und 30 000 Franken Ein
kommenssteuern abgeliefert. Der
AHVAufschub lohnt sich für ihn nur,
wenn er mindestens 87 Jahre alt wird.
Hegglin fordert deshalb einen
höheren AHVFreibetrag und steuer
liche Entlastung von Pensionierten,
die einer Erwerbsarbeit nachgehen.
Der Bundesrat empfiehlt, das Pos
tulat abzulehnen. Bei den Arbeitge
bern hingegen rennt Hegglin offene
Türen ein. Der Freibetrag müsse um
600 auf 2000 Franken pro Monat er
höht werden, fordert Martin Kaiser
vom Arbeitgeberverband: «Heute
werden oft Pensen vereinbart, die
sich am Freibetrag orientieren. Zu
dem ist Zeit, dass er nach bald 25 Jah
ren der Teuerung angepasst wird.»
Länger arbeiten müsse sich lohnen,
alles andere sei ein «Negativanreiz».
Die Gewerkschaften lehnen solche
Vorschläge rundweg ab, begrüssen es
jedoch, die Arbeit über das Pensions
alter hinaus zu fördern. SGBZentral
sekretärin Gabriela Medici sagt aber,
dass diese Programme keine Recht
fertigung für tiefe Renten sein dürfen.
«Für uns steht die Stärkung der
AHVRenten im Vordergrund und
nicht die Erhöhung des Freibetrags.»
In seiner Reform AHV 21 schlägt
der Bundesrat nur kleine Änderun
gen vor, um die Altersarbeit zu för
dern. Den Freibetrag will er bei 1400
Franken belassen. Mit AHVGeldern,
die man nach der Pensionierung
einzahlt, soll man Beitragslücken
schlies sen können. Von tieferen Ein
kommenssteuern will die Regierung
nichts wissen. Eine privilegierte Be
steuerung erwerbstätiger Rentner
widerspreche der Rechtsgleichheit.
Ein Vorschlag des Bundesrats lös
te nicht nur bei Arbeitgebern Kopf
schütteln aus. Er will den AHVVor
bezug weniger stark bestrafen als
heute und den Aufschub weniger
stark belohnen. «Die Anreize für die
Weiterarbeit über das Rentenalter
hinaus sollten verstärkt werden – und
nicht geschwächt», kritisiert Arbeit
gebervertreter Kaiser.
Bessere Anreize. Die Parteien hätten
bei der geschei terten Altersreform
2020 auf das falsche Pferd gesetzt,
sagt der Freiburger Wirtschaftspro
fessor Reiner Eichenberger. Hinter
her sei es nur noch um kosmetische
Anpassungen gegangen. «Man wollte
am toten Pferd die Nase möglichst
oben haben.»
Der Wirtschaftsliberale Eichen
berger präsentierte vor zwei Jahren
eigene Vorschläge, allerdings erfolg
los. Eichenberger fordert deutlich
bessere Anreize, damit es sich lohnt,
länger zu arbeiten. So sollen Pensio
nierte, die ihre Rente aufschieben,
einen Rabatt auf Beiträge an die erste
und die zweite Säule erhalten. Wer
etwa mit 55 entscheide, die Rente erst
mit 67 zu beziehen, dem könne man
die Rentenabgaben halbieren oder
die Arbeitnehmerbeiträge erlassen.
Auch Steuern und Abgaben auf
Arbeitseinkommen will Eichenberger
massiv senken. Das rechne sich unter
dem Strich auch für den Fiskus. Wenn
viele freiwillig länger arbeiten, zahlen
sie mehr Einkommens, Vermögens
und Mehrwertsteuern. Mit diesen
Mehreinnahmen könne man die
Altersvorsorge stärken. Das nütze
letztlich allen. BERNHARD RAOS
375
Millionen Franken pro Jahr nimmt
die AHV zusätzlich ein. Und muss
keinen Franken mehr Rente zahlen.
Beobachter 19 /2019 25
Schweizerische Stiftung
fü r das cerebral gelähmte Kind
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