Beobachter - 13.09.2019

(nextflipdebug5) #1

F


ussballstar Neymar faltet die
Hände. Vermutlich hat er gerade
den Ball ins Lattenkreuz geknallt.
Mit diesem Bild eröffnete Pfarrer Dany
Rohner seinen Gottesdienst zur Frage
«Was bedeutet Erfolg im Leben?». Er
hatte das Bild des Prominenten über
Google gefunden und in seine Präsen-
tation eingesetzt. Die stellte er dann
als PDF-Datei auf die Homepage der
Kirchgemeinde Visp VS. Er hatte zwar
den Hinweis «Das Bild ist eventuell ur-
heberrechtlich geschützt» gesehen,
dachte aber, das sei hier nicht relevant.
Schliesslich sollte die Predigt bloss für
diejenigen nachzulesen sein, die auch
am Gottesdienst teilgenommen hatten.

Schlaflose Nächte. Doch Rohner hatte
nicht mit der deutschen Anwaltskanzlei
Image Law gerechnet. Sie spürte zwei
Jahre später die Copyright-Sünde des
Pfarrers auf. In einem Schreiben an die
Freie Evan gelische Gemeinde Visp for-
dert sie 1440 Euro Schadenersatz für
die unberechtigte Nutzung des Ney-
mar-Fotos. Die Rechte daran hält die
Bildagentur Agence France-Presse. Sie
begründet die Höhe des Betrags mit der
sogenannten Lizenzanalogie: die Ge-
bühr, die Rohner für die legale Nutzung
angeblich hätte bezahlen müssen.
Der geschockte Pfarrer entfernte die
Predigt sofort von der Homepage. «Die
Sorge, dass wir als Gemeinde vor einem
Gericht in Deutschland angeklagt wer-
den könnten, hat mir schlaflose Nächte
bereitet», sagt er.

Wie Rohner geht es vielen. Home-
pages und Social Media funktionieren
nur mit Bildern. Doch wer bei der Be-
schaffung nicht aufpasst, verletzt rasch
das Urheberrecht. Denn generell gilt:
Geschützte Bilder dürfen nur mit Zu-
stimmung des Rechteinhabers verwen-
det werden. Seine Erlaubnis kann er mit
Bedingungen verbinden – er kann sie
etwa nur für eine bestimmte Zeit geben
oder verlangen, dass das Bild nicht für
Social Media genutzt wird.
Geschützt sind in der Schweiz so-
genannte geistige Schöpfungen wie
Bilder, Fotos, Grafiken, aber auch Musik
und Filme, wenn sie «individuellen Cha-
rakter» haben – und zwar automatisch.
Das deutsche Recht geht noch wei-
ter, es gilt der Lichtbildschutz: Alle Foto-
grafien sind ohne weiteres geschützt,
selbst banale Schnappschüsse. Es kann
sein, dass dieser strengere Schutz künf-
tig auch in der Schweiz gilt. Falls das
Parlament im Herbst das neue Urheber-
rechtsgesetz verabschiedet, sind Foto-
grafien auch geschützt, wenn sie keinen
individuellen Charakter haben – das
entspricht in etwa dem deutschen
Lichtbildschutz.

Ein Geschäftsmodell. Doch schon heute
ist regelmässig deutsches Recht an-
wendbar. Sobald eine Schweizer Home-
page in Deutsch land abrufbar ist, kann
vor deutschen Gerichten und nach
deutschem Recht geklagt werden. Da-
raus haben spezialisierte Firmen ein
Geschäftsmodell entwickelt: Sie durch-

URHEBERRECHT. Wer Bilder aus dem Internet
weiterverbreitet, verstösst schnell gegen das Gesetz.
Auch ein Walliser Pfarrer wurde zum Sünder.

In der


Copyright-


Hölle


Mächtig Pech hatte ein
Versicherter der Sympany.
Nach einer Knieoperation
erlitt der 71-Jährige einen
Herzinfarkt, Nierenversagen
und zahlreiche Komplikatio-
nen. 421 Tage lang war der
Mann im Spital.
Am Ende stellte das Spi tal
Rechnung für mehr als
2,4 Millionen Franken.
Der Kanton beglich seine
55 Prozent davon anstands-
los. 45 Prozent sollte die
Kasse tragen. Doch sie
zahlte nur 300 000 Franken
und bestritt den Rest. Der
Patient verstarb indessen
in der Reha. Der Streit
zwischen Kasse und Spital
ging bis vor Bundesgericht.

Versäumt. Das Krankenver-
sicherungsgesetz verlangt,
dass Leistungen wirksam,
zweckmässig und wirt-
schaftlich sind. Die Bundes-
richter entschieden, Wirt-
schaftlichkeit sei nur bei
einzelnen Be hand lungs-
optionen zu prüfen und
nicht in Bezug auf die von
der Kasse kritisierten Ge-
samtkosten. Die Kasse habe
versäumt, einzelne Leistun-
gen oder die Spitalbedürf-
tigkeit in Frage zu stellen.
Es gebe keine Hinweise,
dass Be hand lungen unnö-
tig gewesen seien oder es
günstigere Alternativen ge-
geben hätte. Die Kasse sei
laut Gesetz unbeschränkt
leistungspflichtig, solange
die WZW-Kriterien erfüllt
sind. Sie müsse voll zahlen.
GITTA LIMACHER

BUNDESGERICHT, URTEIL VOM 1. APRIL 2019 (BGE 145 V 116)

Krankenkasse


muss Spitalkosten


unbegrenzt tragen


DAS URTEIL


66 Beobachter 19/2019


RATGEBER

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