REZENSIONEN
Angestellte an der Freien Universität
Berlin, arbeitet aber seit 30 Jahren an
Museen und in Parks in Berlin und
Brandenburg, wo sie Führungen und
Exkursionen anbietet. Die auf der
Rückseite zitierte »Berliner Morgen
post« beschreibt das so: »Pflanzen
können die ganze Welt erklären – zu
mindest, wenn man jemanden wie
Rosemarie Gebauer hat, die überset
zen kann, was uns Pflanzen sagen.«
Diesen Anspruch freilich kann das
kleine Buch nicht ganz erfüllen. Die
Auswahl der behandelten Pflanzen
wirkt ziemlich willkürlich. Den Wach
telweizen hätte ich erwartet, auch das
Läusekraut, nicht aber den Kanari
schen Drachenbaum oder die Kobra
lilie. Die Beschreibungen zu einzelnen
Pflanzen sind von sehr unterschiedli
cher Qualität. Der KeulenBärlapp ist
ganz sicher keine Allerweltsart; er
hätte es verdient, wegen seiner Ab
weichungen von den Blütenpflanzen
etwas genauer beschrieben zu wer
den. Stattdessen bleibt an der entspre
chenden Stelle im Werk eine Dreivier
tel Buchseite frei. Der Name der
Schwanenblume soll sich laut der
Autorin von den weißen Blütenblättern
»mit einem Hauch von Rosa« ableiten:
weiß wie der Schwan, das Rosa »im
Schnabel gebündelt«. Der einem
Schwanenhals viel stärker ähnelnde
Fruchtknoten mit den gebogenen
Griffeln ist als Erklärung für den Pflan
zennamen zwar weniger »poetisch«,
dafür aber deutlich einleuchtender.
Das Gänseblümchen, über das
allein man ein ganzes Buch schreiben
könnte, bekommt in dem Werk 15 kur
ze Zeilen. Diesen zufolge steht das
Gewächs »wie unsere Hausgans auf
einem Bein und ist mit den Farben
weiß und gelb ausgestattet«. Das ist
weit hergeholt. Gänseblümchen
heißen so, weil sie früher – neben dem
Gänsefingerkraut – ein bestimmendes
Element der Gänseweiden rund um die
Dorfweiher bildeten. Ansonsten ver
weist die Autorin hier auf eines ihrer
weiteren Bücher und ausdrücklich auf
ein sehr schönes Bild von Hans Mem
ling »Thronende Maria mit Kind, um
1480/90«, obwohl direkt daneben
wieder eine halbe Seite frei bleibt.
Diese Leerräume treten in dem
Buch häufiger auf und machen in der
Summe mindestens 20 Seiten aus.
Das großzügige Layout ist aber sicher
lich so geplant und macht das Buch
luftiger, was ein Verkaufsargument
sein mag. Pflanzenkennern bringt das
Werk eher wenig, als Geschenk für
Pflanzeninteressierte mit geringeren
Vorkenntnissen aber könnte es gut
ankommen.
Der Rezensent Jürgen Alberti ist Biologie
lehrer und Naturfotograf in Bad Schönborn.
MEDIZIN
WEGE ZU MEHR
LEBENSQUALITÄT
Zwei Schmerzexperten beschreiben
Diagnose- und Therapiemöglichkei-
ten sowie neue Forschungsansätze,
um chronische Pein erträglicher zu
machen.
Schmerzen gehören zu den gesund
heitlichen Komplikationen, die die
Lebensqualität am stärksten beein
trächtigen. Wenn sie dauerhaft anhal
ten, führen sie bei den Betroffenen zu
einem Gefühl der Hilflosigkeit und des
Ausgeliefertseins, bis hin zu Depressi
onen und Selbstmordgedanken. Dabei
hat die moderne Medizin viele Mög
lichkeiten, um Schmerzen abzustellen
oder wenigstens so weit zu lindern,
dass die Patienten ein erfülltes Leben
führen können. Warum erfahren
trotzdem immer noch zahlreiche
Schmerzpatienten eine medizinisch
unzureichende Behandlung? Und wie
lässt sich das ändern? Dem geht
dieses Buch nach, das zwei renom
mierte Schmerzmediziner herausge
geben haben: Thomas R. Tölle, Leiter
des Zentrums für Interdisziplinäre
Schmerzmedizin am Klinikum rechts
der Isar der TU München, und Chris
tine Schiessl, Chefärztin der Algesiolo
gikumTagesklinik für Schmerzmedizin
in München. In dem umfassenden Rat
geber erfahren Interessierte, wie
Schmerz entsteht, welche Formen er
annehmen kann und wie er sich behan
deln lässt.
Chronischer Schmerz betrifft viele. In
Deutschland leiden allein 23 Millionen
Patienten daran – als Begleiterschei
nung von Krankheiten; infolge von
Verletzungen oder Operationen; oder
aus ungeklärten Gründen, weil sich
keine organische oder psychische
Ursache finden lässt. Ärzte nehmen vor
allem die letzten Fälle oft nicht ernst
und finden deshalb häufig nicht die
richtige Behandlung dafür. Das ist für
die Betroffenen doppelt fatal: Einerseits
wegen des Schmerzes selbst, anderer
seits wegen der Scham über das ver
meintlich einbildete Leiden, die in vielen
Fällen zu sozialem Rückzug und Isola
tion führt. Umso mehr erstaunt es, dass
Deutschland zurzeit weltweit das einzi
ge Land ist, in dem Schmerz offiziell als
Krankheit mit eigener Diagnoseziffer
anerkannt ist. Allein die Tatsache, dass
der Arzt die Schmerzbehandlung ab
rechnen kann, verbessert die Situation
der Patienten enorm.
Das Buch thematisiert diese Dinge
auf einfühlsame Weise und möchte den
Patienten Mut machen, sich nicht mit
ihrem Schicksal abzufinden. Jeder
Schmerzpatient, so die Autoren, verdie
ne eine angemessene Behandlung,
denn jeder Schmerz sei real, gleich ob
eine Ursache dafür dingfest gemacht
werden könne oder nicht. Obgleich
Schmerzen etwas höchst Subjektives
sind, lassen sie sich durch bildgebende
Verfahren mittlerweile auch objektiv
sichtbar machen.
Nach einer kurzen Einführung in die
Grundlagen der Schmerzentstehung
besprechen die Autoren verschiedene
Schmerzarten in jeweils eigenen Kapi
teln. Dabei gehen sie auf Rücken,
Nacken, Muskel, Kopf, Gelenk
Gänseblümchen
prägten früher die
Gänseweiden
Thomas R. Tölle,
Christine Schiessl
DAS HANDBUCH
GEGEN DEN
SCHMERZ
Rücken, Kopf,
Gelenke, seltene
Krankheiten:
Was wirklich hilft
ZS Verlag,
München 2019
304 S., € 24,99