Der Stern - 29.08.2019

(Tina Meador) #1
In der Pubertät liegen
Freude und Leid dicht
beieinander. Gemein
wird es, wenn die
Scheidung der Eltern
und die Krankheit des
besten Freundes dazu-
kommen. Da muss der
15-jährige Morten durch, der sein Da-
sein trotzdem mit Humor nimmt: „Wenn
man einen Kackhaufen bunt anmalen
würde, bliebe es immer noch ein Kack-
haufen.“ Der Schauspieler Matthias
Brandt ist ein Erzähltalent und schreibt,
als hätte er nie etwas anderes getan. So
kann es „Blackbird“ mit Jugendroma-
nen wie „Tschick“ aufnehmen. (Kiepen-

heuer & Witsch, 22 Euro) (^22222)
ROMAN
Nachdem er es sich
ein wenig bequem
gemacht hatte in den
vorherigen Teilen sei-
ner Lebensgeschichte,
steht am Ende von
„Die Familie“ ein ver-
störter Autor vor uns.
Andreas Maier dringt diesmal so sehr
in die (vor allem: historische) Tiefe
seines Elternhauses vor, dass das ver-
traute Personal – Vater, Mutter,
Geschwister, Onkel – völlig neu er-
scheint. Die behagliche Kindheit und
Jugend in der hessischen Provinz der
70er Jahre werden zum Anti-Idyll. Eine
sehr deutsche Geschichte, die nach-
klingt wie ein Schlag auf den Amboss.
(Suhrkamp, 20 Euro) 22222
ROMAN
Der Titel
sagt be-
reits alles:
„50 Dinge, die
erst ab fünfzig
richtig Spaß
machen“. Die
Berliner Autorin
Andrea Gerk hat
dafür zusammen mit der
Illustratorin Moni
Port viele treffende
Beispiele gefunden.
Pediküre, Trampolin
springen oder Häkeln und
Stricken. Für besonders
Mutige taugt auch ihr
Tipp, alle verflossenen
Lieben zum Essen ein-
zuladen. Wie Picasso einst
sagte: „Es dauert sehr
lange, bis man jung wird.“
(Kein & Aber, 15 Euro)
FOTO: GERALD VON FORIS
eine epische Familiengeschichte, die zwi-
schen Siebenbürgen, Israel und München-
Trudering spielt. Nur ist die Familie leider,
wie Timna feststellt, eher ein Klumpen
voller Geschichten. Und, wie es im Roman
heißt: „Das Dumme an den Geschichten
war, dass sie fast alle schlimm endeten.
Sicher, Otto war jedes Mal mit dem Leben
davongekommen, aber ich war mir nicht
sicher, ob das nun eine gute oder schlechte
Sache war.“
Das, was der greise Patriarch – halb Über-
vater, halb von osteuropäischen Pflege-
rinnen bemutterte Witzfigur – verklärt,
betrachtet seine Tochter wiederum scho-
nungslos. Und so entfaltet sich zwischen
den hübschen und schrecklichen Anekdo-
ten eines Lebens die große Geschichte des
Abschieds von Otto. Unheimlich lustig
und wahnsinnig traurig. Christoph Farkas
D
er Held Otto spricht sechs oder
sieben Sprachen und in diesen
sehr gern über Urin, Blutdruck
und Leberwerte. Otto klaut Ser-
vietten in einer Betriebskantine,
in der er sich mit anderen pensio-
nierten Ingenieuren, die alle Norbert und
Reinhold heißen, Essen erschleicht.
Otto beschimpft Ampeln als antisemi-
tisch, weil sie immer auf Rot schalten,
wenn ein Jude wie er mit einem billigen
Auto ankommt. Otto liegt monatelang im
Krankenhaus und schleicht sich doch
immer ins Leben zurück.
Selten begegnet man in Romanen lie-
benswerteren, gemeineren, tragischeren
und lustigeren Figuren als dem Helden in
Dana von Suffrins brillantem Debüt „Otto“.
Von Suffrin, eine Postdoktorandin, die
auch als Stadt- und Museumsführerin in
München arbeitet, lässt die Geschichte von
Ottos Tochter Timna erzählen. Die hat mit
Anfang dreißig einen Doktortitel und we-
nig Pläne. Bis ihr Vater sie mit der Bitte
überfällt, seine Memoiren zu verfassen –
Dana von Suffrins Debütroman erzählt
eine schrecklich schöne Familiengeschichte
Über Vater
Museums-
führerin und
Autorin: die
Münchnerin
Dana von
Suffrin
„Otto“ von Dana von Suffrin,
Kiepenheuer & Witsch,
20 Euro 22222
29.8.2019 113
BUCH
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