Der Spiegel - 31.08.2019

(lily) #1
44

Gesellschaft

Als die Sowjetunion am 4. Oktober 1957 die erste Interkon -
tinentalrakete »R7« startete, löste sie den sogenannten Sputnik-
Schock aus, und damit einen Rüstungswettlauf. Seither sind
Raketen erfunden worden, die auf Meter genau treffen, Panzer
mit optimiertem Minenschutz und kameragestützter Rundum-
sicht sowie Tarnkappenkampfjets. Die Bundeswehr fliegt heute
den »Eurofighter«, der rund zehnmal teurer ist als einst der
»Starfighter«, sie hat den »Leopard 2A7« im Einsatz, der ein
Vielfaches des alten »Leopard 1« kostet. Waffen wurden präziser
und teurer, in Friedenszeiten wie im Krieg, den Ostermärschen
und allen Forderungen zum Trotz, man möge das Geld für
Sinnvolleres verwenden. Dass sich also, nach einer Studie der
Universität Oxford, die Militärausgaben seit 1960 weltweit


verdreifachten (inflationsbereinigt), hätte man sich denken
können. Mussten die Staaten deshalb auf Anschaffungen ver -
zichten? Wurde aufgrund der steigenden Militärausgaben an
Bildung oder Forschung gespart? Gemessen am Bruttoinlands-
produkt (BIP) gaben die Staaten der Erde 2017 im Schnitt
2,18 Prozent für Rüstung aus, manche weniger (Deutschland
1,2 Prozent), manche mehr (USA 3,15 Prozent). 1960 aller -
dings waren es weltweit noch 6,16 Prozent – seit dem Sputnik-
Schock wurde, im Verhältnis zum BIP, noch nie so wenig für das
Militär ausgegeben wie heute. Mit anderen Worten: Der Anteil
an der Wirtschaftsleistung, der der Welt für andere Dinge zur
Ver fügung steht, ist heute größer als in jenem Moment, als das
letzte große Wettrüsten begann. [email protected]

»Vater und Mutter tranken. Der Krieg hat sie kaputt gemacht.« ‣S. 46

DER SPIEGEL Nr. 36 / 31. 8. 2019

Geschmack

Was gehört in eine


Currywurst, Herr Gottwald?


Ronald Gottwald, 38, Inhaber
des »Bratwursthauses« in Bochum

SPIEGEL:Herr Gottwald, seit 1983 be -
treibt Ihre Familie einen Imbiss in Bochum.
Sind Sie seit Kindestagen dabei?
Gottwald:Ja, ich bin sozusagen im Frit-
tierfett geboren.
SPIEGEL: Manche sagen, Sie würden die
beste Currywurst des Landes machen.
Wieso?
Gottwald: Wir verwenden eine Bochumer
Metzgerwurst, Schweinefleisch mit einem
kleinen Rinderanteil, die würden Sie aus
hundert Würsten herauserkennen. Wir
braten sie grundsätzlich im Fett ...
SPIEGEL: ... nicht auf dem Grill?

Gottwald: Auf dem Grill kann die Wurst
schnell austrocknen. Im Fett bleibt sie saf-
tig. Sie ist umschlossen von einer Hülle aus
Naturdarm. Im Vergleich zum Kunstdarm
ist das Bräunungsverhalten und die Art,
wie die Wurst platzt, ganz anders. Kunst-
darm wird hart, der Naturdarm platzt
räumlich. Das Wichtigste ist aber die Soße.
Die muss sämig sein, an der Wurst haften
bleiben. Eine gute Wurst kann man sich mit
einer schlechten Soße schnell versauen. Das
Rezept haben nur drei Menschen – im Kopf.
SPIEGEL: Sie exportie-
ren Ihre Soße auch nach
Japan.
Gottwald: Auf einer
Messe lernten wir
jemanden kennen, der
aus Japan deutsche
Feinkost einkauft und
sie dort als Delikatessen
anbietet. Er verkauft

eine Variante, die wir dem Geschmack
des japanischen Marktes angepasst haben.
SPIEGEL: Inwiefern?
Gottwald: Den Kunden war unsere milde
Variante zu mild und die normale, die
80 Prozent der Kunden in Bochum bestel-
len, zu scharf. Sie wollten eine Mischung.
SPIEGEL: Vor 70 Jahren soll die Curry-
wurst in Berlin erfunden worden sein. Hat
sich die Wurstkultur seitdem verändert?
Gottwald: Nein. Die Currywurst ist eine
der wenigen Sachen, bei denen ich sagen
würde: Das hat man
vor 40 Jahren genauso
gemacht. Als wir im
Jahr 2010 Currywurst
mit Pommes ins Ange-
bot aufgenommen ha -
ben, gab es Ärger. Wenn
es um die Currywurst
geht, sind die Leute
sehr konservativ. RAM

1984:
4 Prozent

Quelle: Our World in Data (Daten: Weltbank und Sipri, 2018)

Nº 191: Militärausgaben


Früher war alles schlechter


1960 lagen die weltweiten Militärausgaben
bei 6 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts.

0 2 46 0 2 46

2017:
2 Prozent

0 2 46

KAI PFAFFENBACH / REUTERS
Free download pdf