18 ZÜRICH UNDREGION Mittwoch, 21. August 2019
Papierschlamm im Zürichsee entsorgt
Die Nachfolgegesellschaf t einer Horgener Fabrik muss laut Bundesgericht für die Sanierung zahlen
Die ehemaligePapierfabrik
in Horgen leitete währendJahren
Papierschlamm in den See. Das
kommt ihreRechtsnachfolgerin
teuer zu stehen.
FABIANBAUMGARTNER /DANIEL FRITZSCHE
Der Umgang mit Abfällen war in der
Schweiz in derVergangenheit häufig
sorglos.MancheIndustriefirmenleiteten
Abwassereinfach in den nächsten See
oder in den Fluss, andere vergrubenAb-
fälleohnezusätzlichenSchutzimBoden.
Bis heute gibt es hierzulande Zehntau-
sende von belasteten Standorten, rund
4000 Gebiete gelten als sanierungs-
bedürftig.Dochnochimmerwartenviele
Gelände auf eine Altlastensanierung.
So ist das auch in Horgen derFall.
Auf einem Areal direkt am Zürichsee
wurde ab1947 Papier hergestellt.Dabei
leitete dieFabrik Abwasser einfach in
den See ein, was zu Ablagerungen auf
dem Grund führte.Der Papierschlamm
wurde erstmals1960 festgestelltund
führte danach wiederholt zu behörd-
lichen Interventionen. Erst1963 wurde
der Betrieb an die zentraleAbwasserrei-
nigungsanlage von Horgen angeschlos-
sen. Doch ein späteres Gutachten kam
zum Schluss, dass noch bis Anfang der
1980erJahre Zelluloseschlamm in den
See gelangte.
Gefährdung der Umwelt
Laut einem Gutachten liegtkontami-
ni erter Schlamm mit einemVolumen
von rund 12 500 Kubikmetern seitJahr-
zehnten auf dem Grund des Zürichsees.
Das kantonale Amt für Abfall,Was-
ser, Energie und Luft (Awel) beurteilte
den Standort deshalb 2017 als sanie-
rungsbedürftig.Insbesonderedie PCB-
und die Schwermetall-Konzentrationen
überschreiten die zulässigenWerte deut-
lich, weshalb ein erhebliches Gefähr-
dungspotenzialfür die aquatische Um-
welt festgestellt wurde.
Doch werkommt für die Altlasten-
sanierung auf? Über diesen Punkt strei-
ten sich der Kanton Zürich und die ehe-
malige Eigentümerin derPapierfabrik.
DasAwel setzteursprünglich fest,dass
zehn Prozent derKosten vom Kanton
Zürich und die übrigen neunzig Prozent
von der ehemaligen Eigentümerin der
Papierfabrik zu tragen seien.DiePapier-
fabrik HoldingAG wurde deshalb ver-
pflichtet, eine Sicherheitsleistung in
Höhe von 8,55 MillionenFranken zu er-
bringen. Doch dagegen wehrte sie sich
bis vor Bundesgericht. Die Gesellschaft
befindetsich inzwischen in Liquidation,
haftet aber für die von ihrenRechtsvor-
gängerinnen verursachteVerschmut-
zung im See. Die Papierproduktion in
Horgen war 2006 eingestellt worden,das
ehemaligeFabrikareal wurde 2010 ver-
kauft und das Gelände dekontaminiert.
Nun hat das Bundesgericht entschie-
den, dass diePapierfabrik HoldingAG
die entsprechende Sicherheitsleistung
in der Höhe von 8,55 Millionen an den
Kanton Zürich zu erbringen hat. Es hält
in seinem Urteil von EndeJuli fest, dass
die Papierschlammablagerungen un-
strittig einzig von derRechtsvorgänge-
rin derPapierfabrik HoldingAG verur-
sacht wordenseien. Den Kanton treffe
hingegenkein Anteil an derVerschmut-
zun g. Laut Bundesgericht war er auch
nicht verpflichtet, eine Sanierung schon
frühereinzuleiten.Da dem Kanton zu-
dem kein wirtschaftlicherVorteil aus der
Belastung oder aus der Sanierung er-
wachse, erscheine der für ihn festgelegte
Kostenanteil als nicht zu tief, stellt das
Bundesgericht fest.
Die Papierfabrik HoldingAG hatte
hingegen eineAufhebung derVerfügung
des Awel verlangt. DieGesellschaft
argumentierte, eine Sicherheitsleistung
in dieser Höhe sei unverhältnismässig,
da gar noch nicht feststehe, in welchem
Umfang eine Sanierung notwendig und
mit welchenKosten zurechnen sei. Zu-
dem machte sie geltend,die zuständigen
Behörden des Kantonsseien bereits seit
den 1960erJahren detailliert über die
Verschmutzung orientiert gewesen.Des-
halb habe man angenommen, dass gar
keine Absicht bestehe,die Ablagerun-
ge n zu sanieren. DiePapierfabrik argu-
mentierte ausserdem, dass ihreAktiven
nur noch 2,1 MillionenFranken betra-
gen würden.Bei diesen finanziellenVer-
hältnissen müsste bei einer Bestätigung
der Sicherheitsleistung derKonkurser-
öffnet werden.DiesesArgument liess je-
dochkeine der angerufenen Gerichts-
instanzengelten.Bereits dasBaurekurs-
gericht hatte festgehalten, dass die Ge-
sellschaft nicht offengelegt habe, wohin
insbesondere ihre Mittel aus demVer-
kauf der Seegrundstücke in Horgen ge-
flossen seien. Zudem seien nur ungenü-
gendeRückstellungen in der Höhe von
1,964 MillionenFranken vorgenommen
worden. Dies deute darauf hin, dass sie
sich möglicherweise aus derVerantwor-
tung zu ziehen versuche. Deshalb sei die
Einforderung einer Sicherheitsleistung
gerechtfertigt, heisst es im Urteil des
Bundesgerichts.
Gütliche Einigungin Uetikon
Auf der anderen Zürichsee-Seite wurde
ein Streit um Altlasten beigelegt, ohne
dass die Gerichte bemüht werden muss-
ten. ÜberJahrzehnte sind mit Schwer-
metallen belastete Abfälle aus der äl-
teste Chemiefabrik der Schweiz, der
«Chemischen» in Uetikon, in den See
gelangt.Auf dem Seegrund vor der
Fabrik, die vor über 200Jahren direkt
ansWasser gebaut wurde, liegen dieAlt-
lasten auf einer Fläche von rund 75 000
Quadratmetern. Die Schadstoffe sind
laut Awel für Schwimmerinnen und
Schwimmer ungefährlich.Jedoch ge-
fährdeten die Stoffe die Gewässer-
ökologie. Darum plant der Kanton die
Sanierung des Seegrunds unter Einbe-
zug der früheren Besitzerin des Areals,
der CPH Chemie +Papier Holding. Die
Kosten von rund 40 MillionenFranken
trägt zu 80 Prozent die CPH und zu 20
Prozent der Kanton.
Der Deal kam zustande, als sich der
Kanton 2016 das Fabrikgelände für 52
MillionenFranken gesichert hatte –
einen vergleichsweise tiefen Betrag für
ein derart begehrtes StückLand direkt
am See. Der Kanton will auf dem Areal
bis 2028 ein neues Gymnasium für
1500 Schülerinnen und Schüler errich-
ten. Eine allfällige Altlastensanierung
an Land würden der Kanton und die
Gemeinde Uetikon übernehmen. Der
Standort zwischen Seestrasse und Zü-
richsee gilt als überwachungsbedürftig.
Urteil 1C_17/ 2019 vom 29.7.2 019.
Die PapierfabrikHorgen, rechts im Bild,stellte2006den Betrieb ein. Ihre Altlasten verschwanden damit nicht. COMET/ETHZ
Das nicht perfekte Verbrechen von Buchs
Eine Frau gibt einem Asylbew erber den Auftrag zur Tötung ihres Mannes – doch das Vorhaben scheitert bereits im Ansatz
ALOIS FEUSI
Ein ganz kleines bisschen erinnert der
Fall, der am Dienstag vor dem Zürcher
Obergericht verhandelt worden ist, an
Patricia Highsmiths Roman «Stran-
ger on aTrain» sowie an dessen spä-
tere Verfilmung von Alfred Hitchcock.
Jene Geschichte dreht sich darum, dass
ungeliebte Ehepartner durch die Hand
eines zufällig gewählten Täters ohne
jeden Bezug zum jeweiligen Opfer zu
Tode gebracht werden sollen: ein «per-
fektesVerbrechen» also,das diePoli-
zei mangels Hinweisen nie würde auf-
deckenkönnen. Highsmith und später
auch Hitchcock drechseln aus einer zu-
nächst rein zufällig scheinenden Be-
gegnung zweierFremder in einem Zug
einen atemberaubendenThriller.Und
natürlich erweist sich dasVerbrechen
nach vielenWendungen dann als doch
nicht ganz unaufklärbar.
Jenes «perfekteVerbrechen» aller-
dings,das eine damals 52-jährigeFrau
am frühen Abend des zweitenWeih-
nachtstags 2016 auf einemParkplatz
in Buchs im Zürcher Unterland in die
Wege leiten wollte, flog auf, noch ehe es
richtig zu Ende geplant war. Ein knap-
pes Jahr später verurteilte das Bezirks-
gericht Dielsdorf die ursprünglich aus
den Philippinen stammendeVerkäufe-
rin wegen versuchter Anstiftung zu vor-
sätzlicherTötung zu einer Freiheits-
strafe von 36 Monaten, davon 6 Monate
unbedingt.Dagegen erhoben die Be-
schuldigte und ihr Pflichtverteidiger
ebensoBerufungwie der Staatsanwalt,
der 66 MonateFreiheitsstrafe gefordert
hatte .Am Dienstagvormittag nun hat
sich das Obergericht mit diesem, so der
Gerichtsvorsitzende Christoph Spiess,
«sehrspeziellenFall» befasst.
HeimlicheTonaufnahmen
Die 52-jährige Beschuldigte hatte an
jenem zweitenWeihnachtsabend einen
Eritreer aus einer nahenAsylunterkunft
nach einem gemeinsamen Bekannten
gefragt, der ebenfalls in demDurch-
gangsheim lebte. Der Mann befand sich
aber nicht dort. DieFrau verwickelte
den Afrikaner in derFolge in ein Ge-
spräch über ihren18 Jahre jüngeren,
zweiten Ehemann, der einst gleichfalls
als Asylbewerber aus Libanon in die
Schweiz gekommen war. Dieser arbeite
in der Nähe und stelle seinAuto jeweils
auf diesemParkplatz ab.
Der Libanese schlage sieregelmässig,
wie früher auch schon ihr trunksüchti-
ger erster Ehemann undVater ihrer bei-
den inzwischen erwachsenen Kinder,
klagte sie. Ausserdem betrügeer sie mit
anderenFrauen. Die an jenemAbend
sehr erzürnte Beschuldigte bot dem
Eritreer 100Franken im Monat, wenn
er ihr jeweils Bescheid gebe, wenn ihr
Mann insAuto steige und wegfahre. Da-
mit wollte sie herausfinden, mit welcher
Frau er sie hintergehe.
Das Gespräch nahm dann aber sehr
schnell eineWendung,die dem Asyl-
bewerber nicht geheuer war. Er akti-
vierte heimlich eine App auf seinem
Smartphone,mit der er die Unterhal-
tung aufnehmenkonnte, ohne dass es
die Frau merkte.Anschliessend meldete
er sich mit der knapp15-minütigenAuf-
zeichnung bei derPolizei.
Auf dem mit Hintergrundgeräu-
schen durchsetztenTondokument ist
zu hören, wie die beiden in einem sehr
dürftigen, oftmals fast unverständlichen
Englisch mit deutschen Einsprengseln
radebrechen. Zunächst schlägt dieFrau
vor, dass der Asylbewerber ihren Mann
gegen Bezahlung mitFäusten malträ-
tiert und ihn so für den gemeinen Um-
gang mit ihr bestraft. Er solle «make
broken her face» und «if you want to
make box and then it’s finished», steht
in d er Transkription der Unterhaltung.
Ist «I li ke» ein Mordauftrag?
Der vorgeschlagene Lohnfür die Prügel
steigt von zunächst 1 00übe r 200 auf 500
Franken.Bald bringt der Eritreer einen
Freund ins Spiel, der mit einem Messer
auf den Mann einstechenkönnte.Sie
zahle 1000Franken,wenn derAngreifer
es mit einem Messer mache, «two, three
times, not onlyone time» («zwei-, drei-
mal, nicht nur einmal»), antwortet die
Frau. Dann fallen die entscheidenden
Worte:Der Eritreer sagt so etwas wie «I
would kill him», «ich würde ihn töten».
Die Beschuldigte antwortet, gleichfalls
kaum verständlich,«I li ke», «das gefällt
mir».Was genau mit dieserAussage ge-
meint war und wie erfolgreich die bei-
den überhaupt miteinanderkommuni-
zierten, ist nicht geklärt.
Klar ist dagegen, dass das Dielsdor-
fer Gericht das «I like» alsAuftrag zur
Tötung des ungeliebten und derPoli-
zei als Prügler bekannten Ehemannes
interpretierte,auch wenn die Beschul-
digte während der Unterhaltung weder
das Verb «töten» noch das Substantiv
Messer in den Mundgenommen hatte.
Den Beteuerungen der kleingewach-
senenFrau, dass sie ihrem Mann nur
jenenSchmerzhabezufügenwollen,den
er verdiene, aberkeinesfalls seinenTod
gewünscht habe, schenkten die Unter-
länder Bezirksrichterkeinen Glauben.
Sie stuften das objektive wie das subjek-
tive Verschulden allerdings als so gering
ein,dasssiemitdemStrafmassweitunter
den Antrag des Staatsanwalts gingen.
Dies tut auch das Obergericht, das
die Frau mit einem Mehrheitsentscheid
gleichfallsschuldigsprichtunddasUrteil
der Vorinstanz vollumfänglich bestätigt.
Während dieReferentin und die Co-
Referentindavon ausgehen,dass dieBe-
schuldigte denToddes Mannes wollte,
hegt der Gerichtsvorsitzende Zweifel
daran.Wäre dieFraunurwegenversuch-
terAnstiftungzurKörperverletzungver-
urteiltworden,hättesielediglicheinebe-
dingte Strafeerhalten. – Doch egal ob
TötungsabsichtoderVerletzungswunsch,
resümiert Oberrichter Spiess: «Einen
solchenFall haben wir nicht jedenTag.»
Urteil SB180193 vom 20.8.2 019; nochnicht
rechtskräftig.
Nachtbusse
verkehren doch
nicht länger
Der Verkehrsrat macht der VBZ
einen Strich durch die R echnung
lkp.· DiePartygänger haben sich zu früh
gefreut:Das Nachtbusnetz der Stadt
Zürich wird doch nicht ausgebaut. Die
Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) woll-
ten, dass alle städtischen Nachtbus-
linien in den Nächten auf Samstag und
Sonntag zusätzlich um 4 Uhr 30 ab der
Hal testelle Bellevue abfahren. Derzeit
ve rkehren sie zwischen 1 und 4 Uhr im
Halbstundentakt. So hätte die Lücke
zwischen dem letzten Nachtbus und der
erstenVerbindung am Morgen geschlos-
sen werden sollen.
Nun hat derVerkehrsrat des Zürcher
Verkehrsverbundes (ZVV) den Antrag
der VBZ abgelehnt. ZVV-Medienspre-
cherThomasKellenberger begründet
den Entscheid damit, dass der Zürcher
Kantonsrat den ZVV bereits imMärz
2018 mit der Erarbeitung eines Gesamt-
konzeptes für denöffentlichenVerkehr
beauftragt hat. «Darin sollenFragen
zur Ausdehnung der Betriebszeiten und
zum Nachtangebot vertieft abgeklärt
werden – auch im Hinblick auf dieKos-
ten folgen», sagt Kellenberger.
Nicht nur die Busverbindungen, son-
dern auch dieFahrpläne der Nacht-S-
Bahnen werden überarbeitet. Der Kan-
tonsrat hat am Montag einPostulat ver-
abschiedet,das demAnliegen nach einer
Angleichung an dasTagesnetzNach-
druck verleihen soll.Das neueKonzept
soll 2021 stehen.