Trump hat den Konflikt nicht erfunden,
er ficht ihn allerdings brutaler durch als alle
seine Vorgänger. Im Kern geht es darum, wer
künftig die Welt dominiert: die USA mit der
Leitwährung Dollar, der innovativen Digi-
talmacht des Silicon Valley und der größten
Militärmacht? Oder China mit den höchsten
Devisenreserven, seiner Einparteiendiktatur
und 1,4 Milliarden Konsumenten?
Noch ist Chinas Wirtschaft kleiner als die
der USA (siehe Grafik Seite 60). Aber der
vor 30 Jahren gestartete Aufholprozess ist
immens. In ein paar Jahren, vielleicht Jahr-
zehnten könnte sich die Lücke schließen.
Trump, der sonst so erratische Twitter-
Präsident, hat nie einen Zweifel daran ge-
lassen, dass er den Abstieg der USA auf
den zweiten Rang verhindern will – auch
um wiedergewählt zu werden. Er hat in
dieser Frage den Großteil des Landes
hinter sich und heizt den Konflikt immer
weiter an, unterstützt von radikal-natio-
nalistischen Wirtschaftsberatern wie Ro-
bert Lighthizer, Peter Navarro und Larry
Kudlow. Selbst die Demokraten opponie-
ren nicht, wenn es gegen China geht.
Ein Triumph über China könnte Trump
die Wiederwahl sichern. Ein Handelsabkom-
men rechtzeitig vor der Präsidentschafts-
wahl im Herbst 2020 ließe sich als Erfolg
seiner Politik der Stärke verkaufen. »Die
Amerikaner wählen keinen Präsidenten ab,
der quasi im Krieg ist«, glaubt Pimco-Mann
Fels. Trump will China in ein solches Ab-
kommen geradezu zwingen. Und um das
zu erreichen, tricksen die Amerikaner. Ei-
gentlich müssen mehrere Voraussetzungen
erfüllt sein, damit das US-Finanzministe -
rium ein Land als Währungsmanipulator
klassifizieren und nach Belieben Zölle erhe-
ben kann. Ein Staat muss erstens einen
globalen Leistungsbilanzüberschuss von
mindestens zwei Prozent seines Brutto -
inlandsprodukts erwirtschaften – also grob
gesagt mehr Waren und Dienstleistungen
ausführen als einführen; zweitens dauerhaft
am Devisenmarkt seine Währung schwä-
chen sowie drittens deutlich mehr Waren in
die USA einführen als von dort beziehen.
Doch zwei der drei Kriterien sind nicht
erfüllt. China habe in den vergangenen
Jahren den Yuan-Kurs nicht gezielt ge-
schwächt, sondern ihn gestützt, um seine
Währung für internationale Anleger attrak-
tiver zu machen, sagt Gabriel Felbermayr,
Präsident des Kieler Instituts für Weltwirt-
schaft. »Seit 2010 kann man den Vorwurf
der Währungsmanipulation nicht mehr
machen.« Auch einen generellen Leis-
tungsbilanzüberschuss (Waren und Dienst-
leistungen) habe China nicht mehr.
Einzig das Kriterium Handelsbilanz-
überschuss (nur Waren) ist erfüllt. Verrech-
net man Importe und Exporte zwischen
den USA und China, stand bei Trumps
Amtsantritt im Januar 2017 ein Defizit
zuungunsten der USA von 31 Milliarden
Dollar. Im Juni 2019 waren es immer noch
30 Milliarden Dollar. Eigentlich könnte
Trump diesen Wert als Erfolg verkaufen.
Denn dass die Amerikaner mehr Geld für
chinesische Produkte ausgeben können als
Chinesen für Erzeugnisse aus den USA, ist
auch möglich, weil sich die Amerikaner
wegen des jahrelang robusten Wachstums
ihrer Wirtschaft mehr leisten können.
Chinas scheinbar ewiger Wirtschafts-
boom dagegen verlangsamt sich. Nicht nur
DER SPIEGEL Nr. 33 / 10. 8. 2019 59
VCG / IMAGO
um ihre Produzenten zu schützen und bil-
liger exportieren zu können. Ein Wettlauf
nach unten mit düsterem Ende: Weltwirt-
schaftskrise, Massenarbeitslosigkeit, Welt-
krieg.
Dass sich die Geschichte wiederholt,
ist unwahrscheinlich. Die Währungsfehde
zwischen Washington und Peking mar-
kiert jedoch den vorläufigen Höhepunkt
einer ökonomischen Schlacht zwischen
den größten Volkswirtschaften der Welt.