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Kultur
Ausstellungen
Manisch arisch
Ein Schweizer Museum würdigt einen Bauhaus-Künstler – trotz seiner »rassistischen Züge«.
Mehr Empathie mit einem in der Sonne schwitzenden Kochschinken als mit den Menschen.‣S. 116
DER SPIEGEL Nr. 34 / 17. 8. 2019
Johannes Itten war ein Schweizer Künstler und (ausgebil-
deter) Pädagoge mit guruhaften Ambitionen. Seine Jahre als
Lehrer am Bauhaus in Weimar, wo er mit Anfang dreißig zu
unterrichten begann, trugen zu seiner Bekanntheit bei. Doch
blieb er stets ein Rätsel, und daran wird die ihm gewidmete
Ausstellung im Kunstmuseum Bern (ab 30. August) wohl
nichts ändern.
Im Katalog kommen die esoterischen Einflüsse, denen er
sich leidenschaftlich aussetzte, durchaus zur Sprache. Er hing
einer obskuren, auch körperbetonten Lehre namens Mazdaz-
nan an und köderte damit etliche Bauhaus-Schüler. Ebenso
wenig verschwiegen werden die »deutlich rassistischen Züge«
seiner Vortragsmanuskripte aus den Zwanzigerjahren. Aber
die Experten betten alles nett kulturhistorisch ein, nach dem
Muster: So waren sie nun mal, die Denkstrukturen der Avant-
garde. Itten war fast manisch, wenn es um eine »weiße« Welt
ging; das hat an anderer Stelle der Historiker Ulrich Linse
aufgearbeitet. Itten zeichnete das »Haus des weißen Man-
nes«, und dieser weiße Mann sollte sich mit der richtigen
Atemtechnik und der daraus resul tierenden »Erweckung der
Gehirnzellen« noch perfektionieren – das alles sei der
»Schlüssel zur weitern Evolutionierung der weißen, arischen
Rasse«. Das schrieb er 1919 in ein Vortragsmanuskript. Über
seinen Sohn, der 1920 zur Welt kam, schwärmte er in einem
Brief, wie »durchsichtig weiß« das Kind sei.
Itten, der in der Umgebung von Bern aufgewachsen war,
lebte lange in Deutschland, nach Weimar auch in Berlin und
in Krefeld; er wollte das NS-Regime von seiner Idee einer
Textilakademie überzeugen, das war ver gebens. Die Nazis
mochten auch seine Kunst nicht. Schließlich ging er zurück
in die Schweiz, 1967 starb er dort. Nun kommt er, ein wenig
weißer gewaschen, endgültig an. UK
SCHWEIZERISCHEN EIDGENOSSENSCHAFT, BUNDESAMT FÜR KULTUR, GOTTFRIED KELLER-STIFTUNG / VG BILD-KUNST BONN 2019 KUNSTMUSEUM BERN LEIHGABE / VG BILD-KUNST BONN 2019
Itten-Bilder »Komposition in Blau«, 1918, »Ländliches Fest«, 1917