Motschmann:Ich glaube, dass Frauen
längst nicht so hierarchisch denken wie
Männer. Manche Männer leiten ihre
Bedeutung ab von der Klasse der Autos,
die sie fahren. Das werden sie bei keiner
Frau erleben. Frauen gehen unaufgeregter,
selbstverständlicher und vielleicht auch
bescheidener mit Macht um. Ohne Al -
lüren.
SPIEGEL:Glauben Sie eigentlich den vie-
len Männern, die neuerdings beteuern,
dass sie Frauen gern im Job unterstützen?
Motschmann:Kein Mann, der bei Sinnen
ist, würde öffentlich sagen: Es ist viel schö-
ner, wenn wir unter uns bleiben. Intern
sieht das oft etwas anders aus. Es gibt sie
noch, die klassischen Chauvi-Witze. Die
machen etwas mit uns Frauen, sie schwä-
chen unser Selbstbewusstsein.
SPIEGEL:Welche Chauvi-Sprüche sind
Ihnen untergekommen?
Motschmann:»Warum hat man Frauen
jahrhundertelang unterdrückt? Weil es
sich bewährt hat.« Ich will diese Witze
eigentlich gar nicht kennen, aber der ist
mir in Erinnerung geblieben. Wenn es
darum geht, Frauen zu nominieren oder
zu berücksichtigen, habe ich schon die
Frage erlebt: »Ist sie denn vorzeigbar?«
Das Äußere ist oft Thema, wenn es um
Frauen geht, die keinen Schönheitswett-
bewerb gewinnen. Die haben es schon mal
schwerer.
SPIEGEL:Gleichzeitig war das Äußere für
Leute wie Roland Koch kein Problem, an
die Spitze zu kommen.
Motschmann:Wollen Sie mir erzählen,
dass der schlecht aussieht?
SPIEGEL:Haben Sie persönlich Dinge er-
lebt, die Sie verletzt haben?
Motschmann:Ja, klar. Wenn angekündigt
wird, dass eine Frau zu einem bestimm -
ten Thema im Ausschuss referiert, und
dann sofort die Frage gestellt wird: Hat
sie gute Berater? Hat sie kompetente
männliche Mitstreiter? Das ist diskrimi-
nierend. Würden wir diese Frage eigent-
lich auch stellen, wenn uns ein Mann an-
gekündigt wird? Es gibt viele durchschnitt-
liche und auch schwache Männer, aber die
fallen weniger auf als durchschnittliche
Frauen.
SPIEGEL:Was halten Sie von der Idee
einer Listenaufstellung, bei der Männer
und Frauen gleich berücksichtigt werden
müssen?
Motschmann:Ich bin dafür, auch wenn
es das spezielle CDU-Problem nicht löst,
dass die meisten unserer Abgeordneten
gar nicht über eine Liste ins Parlament
kommen, sondern direkt ihren Wahlkreis
gewinnen. Deshalb müssen wir über eine
Wahlrechtänderung nachdenken, die es
Frauen erleichtert, gewählt zu werden.
SPIEGEL:Wie könnte die aussehen?
Motschmann:Es gibt zwei Modelle, die
diskutiert werden: Man könnte die Anzahl
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STEFFEN ROTH / DER SPIEGEL
Abgeordnete Motschmann: »Frauen steht bisweilen ihre Selbstreflexion im Weg«