Der Spiegel - 17. August 2019

(Ron) #1

Der Amazonas geht die ganze Menschheit an. Die Entwicklung
des Weltklimas hängt davon ab, dass der tropische Regenwald
bewahrt wird. Deshalb dürfen wir die Entscheidung über die
Zukunft dieses Ökosystems nicht allein Brasiliens rechtsextremem
Präsidenten Jair Bolsonaro überlassen. Europa darf nicht tatenlos
zusehen, wie ein von Vorurteilen und Hass getriebener Wissen-
schaftsskeptiker riesige Urwaldflächen für Rinderfarmer und Soja-
pflanzer opfert. Die deutsche Umweltministerin Svenja Schulze
hat recht, wenn sie die Fördermittel ihres Hauses für den Klima-
schutz in Brasilien auf Eis legen will. Es wäre naiv anzunehmen,
dass derartige Projekte unter Bolsonaro eine Zukunft hätten. Das
Gleiche gilt für den Amazonasfonds, der mit etwa einer Milliarde
Euro von Norwegen und mit 55 Millionen Euro auch von Berlin
mitfinanziert wird. Seit Bolsonaros Amtsantritt im Januar hat die
brasilianische Regierung nicht ein einziges neues Fondsprojekt
genehmigt. Bolsonaro will keine Zusammenarbeit beim Amazo-


nasschutz; er verhöhnt und verfolgt alle, die seinem reaktionären
Weltbild widersprechen. Die Bundesregierung sollte dieses Geld
besser zur Rettung der Ozeane einsetzen, da ist es zielgerichteter
angelegt. Zugleich sollte der Bundestag dem Vorbild Frankreichs
folgen und die Ratifizierung des Freihandelsabkommens mit dem
südamerikanischen Wirtschaftsbündnis Mercosur verweigern,
solange am Amazonas weiter abgeholzt wird.
Das allein reicht nicht aus: Es ist an der Zeit, über diplomati-
sche und wirtschaftliche Sanktionen gegen Brasilien nachzuden-
ken. Brasilianische Landwirtschaftsprodukte sollten aus EU-Super-
märkten verschwinden, wenn nicht nachzuweisen ist, dass sie
unter ökologisch einwandfreien Bedingungen produziert wurden.
Die mächtigen Großfarmer, die Bolsonaro maßgeblich unterstüt-
zen, müssen spüren, dass ihre Haltung einen Preis hat. Denn ihr
Idol fügt nicht nur seinem eigenen Land unermesslichen Schaden
zu, sondern dem gesamten Erdball. Jens Glüsing

Kommentar

Es ist Zeit für Sanktionen gegen Brasilien


Warum die EU Regenwaldprojekte des Klimawandelleugners Bolsonaro nicht mehr unterstützen sollte

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Ausland


»Sie waren der Auslöser, sie haben die nationalen Säulen der Sowjetunion zum Einsturz gebracht.« ‣S. 80

DER SPIEGEL Nr. 34 / 17. 8. 2019

Ein französischer Soldat durchsucht in Zentralmali einen Mann. In der Gegend herrschen Chaos und Anarchie,
fast täglich sterben Menschen bei Anschlägen und Kämpfen. Paris hat seinen Einsatz »Operation Barkhane«
genannt, so heißen die sichelförmigen Dünen der Sahelzone. Die Truppen bekämpfen Islamisten, die vor sie-
ben Jahren weite Teile des Landes erobert hatten und noch immer nicht besiegt sind.

BENOIT TESSIER / REUTERS
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