Kunstmarkt
(^56) WOCHENENDE 23./24./25. AUGUST 2019, NR. 162
Olga Kronsteiner Wien
D
ie Verquickung privater Sammler-
interessen und öffentlicher Mu-
seen schreitet zügig voran. Im Mit-
telpunkt stehen dabei Kunstwer-
ke, die von Einzelpersonen oder
Stiftungen an Institutionen verliehen werden:
entweder zeitlich befristet für eine Ausstellung
oder als Dauerleihgabe für einen längeren Zeit-
raum.
Vordergründig profitieren alle Seiten davon,
auch das Publikum, das ja sonst keinen Blick auf
diese Kunstwerke aus Privatsammlungen erha-
schen könnte. In Zeiten mangelnder Ankaufs-
budgets und im Kampf um Besucher, die das
wirtschaftliche Überleben sichern sollen, scheint
dies eine ideale Alternative zu sein.
Im Detail betrachtet ergibt sich allerdings ein
differenziertes Bild. Denn vielfach mangelt es
Museen schlicht an der Sensibilität für die damit
verbundenen Risiken: etwa als Geldwaschanlage
oder „Durchlauferhitzer“ zur Wertsteigerung in-
strumentalisiert zu werden.
Leihgaben, die bei Ausstellungen Seite an Sei-
te mit Werken aus dem eigenen Bestand gezeigt
werden, gehören zum Museumsalltag. In der Re-
gel nutzen Kuratoren dabei Bestände anderer In-
stitutionen. Immer wieder kommen aber auch
Kunstwerke aus Privatbesitz ins Spiel. Weil sie
perfekt in das Ausstellungskonzept passen oder
inhaltliche Lücken schließen. Bei einem auf die
Dauer der Ausstellung beschränkten Gastspiel
profitieren besonders die Leihgeber. Denn mit
der öffentlichen Präsentation in einem Museum
erhöhen sich zeitgleich die Bekanntheit und der
Marktwert des Bildes. Damit werden Museen
(ungewollt) zu „Durchlauferhitzern“ für den
Kunstmarkt.
Von offiziell als „Privatbesitzer“ deklarierten
Investoren wird die Leihgabenpraxis immer öf-
ter strategisch genutzt: zur Vermarktung oder
gleich für Verkaufsverhandlungen hinter den
Kulissen. Selbst dann, wenn es um strittige Wer-
ke geht und Kuratoren unwissentlich als Erfül-
lungsgehilfen fungieren. Beispiele gibt es zu-
hauf, Leonardo da Vincis „Salvator Mundi“ ist
das bekannteste.
Händler agieren im Hintergrund
Noch während das Bild im Zuge einer Retro-
spektive des Universalkünstlers in der National
Gallery in London erstmals einer breiten Öffent-
lichkeit präsentiert wurde, versuchten es die
Leihgeber – tatsächlich ein in der Ausstellung
nicht ausgewiesenes Händlerkonsortium – an
den Mann zu bringen: Einem Bostoner war das
Bild für 200 Millionen Dollar, dem Kimbell Art
Museum und auch dem Fürsten von Liechten-
stein für 125 Millionen angeboten worden. Der
Rest ist Geschichte: Das Gemälde wurde für
450,3 Millionen Dollar versteigert und ist Gegen-
stand anhaltender Debatten rund um die Zu-
schreibung, in der sich nun auch die Kuratoren
der National Gallery rechtfertigen mussten.
Das Segment erst vor Kurzem „entdeckter“
Kunstwerke hat sich in den vergangenen Jahren
als besonders tückisch erwiesen. Sie werden,
auch von namhaften Häusern, meist ohne einge-
hende fachliche Prüfungen für Ausstellungen
übernommen. Damit bekommen solche Objekte
einen augenscheinlich wissenschaftlichen Segen,
obwohl es den ultimativen Segen gar nicht gibt.
Immer wieder kommt es vor, dass sich solche
Werke dann später als Fälschungen entpuppen.
Fallstricke, gegen die Museen meist nicht ge-
feit sind. Die Nutzung als kurzfristige und lukra-
tive Verkaufsplattform könnte hingegen vermie-
den werden: mit entsprechenden Leihverträgen,
die dem Eigentümer erst nach Ablauf einer ver-
einbarten Frist den Verkauf eines Kunstwerks
ermöglichen. Langfristig lässt sich das sowieso
nicht verhindern.
Eine weitere Schwachstelle lauert im heiklen
Bereich der Geldwäsche. Denn aus welchen
Quellen die Gelder für Kunstkäufe der Leihgeber
stammen, wird im Museumsalltag in der Regel
nie hinterfragt. Dabei geht es auch keineswegs
darum, Sammler unter Generalverdacht zu stel-
Leihgaben scheinen Kunsteinrichtungen mit fehlenden Werken
zu helfen. Doch oft ist es umgekehrt. Gerissene Leihgeber nutzen
öffentliche Institutionen als Plattform für Privatverkäufe.
Wertschöpfung
im Museum
len, sondern simpel um die Einhaltung interna-
tionaler Geldwäsche-Richtlinien, die in den ver-
gangenen Jahren deutlich verschärft wurden. Zu
den harmloseren Varianten gehören Kunst-
sammlungen, die aus Schwarzgeld finanziert
wurden, einige Jahre in Museen gastieren und
über deren anschließenden Verkauf – mitsamt
sauberer und renommierter Provenienz – man
„weiße“ Erlöse generiert. Am anfälligsten dafür
sind Dauerleihgaben.
Im Unterschied zu einer Schenkung werden
bei diesem Modell Kunstwerke oder ganze
Sammlungen den Museen für eine längere Zeit
zur Verfügung gestellt. Rechtlich bleiben sie im
Eigentum von Privatsammlern oder Stiftungen
und gehen „nur“ in den Besitz der Institutionen
über.
Bei Leihgebern erfreut sich dieses „Rundum-
sorglos-Paket“ zunehmender Beliebtheit. Das er-
spart zeitgleich eine Menge an Kosten. Deren
Bandbreite reicht von der konservatorisch rich-
tigen Lagerung und Restaurierung über Versi-
cherungsprämien bis zur wissenschaftlichen Be-
arbeitung und laufenden Vermarktung. Dazu ge-
hört im Museumsalltag auch die Organisation
weiteren Leihverkehrs, wie das Beispiel der Al-
REUTERS [M]
„Stillleben mit Flaschen und Krug“:
Das Gemälde kam als echtes Gemälde
von Alexandra Exter in die Albertina.
Technische Untersuchungen weisen es aber
inzwischen als Fälschung aus.
Albertina
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