Kunstmarkt
WOCHENENDE 23./24./25. AUGUST 2019, NR. 162^57
bertina in Wien vor Augen führt: Wenn Georg
Baselitz Werke aus seiner „Remix“-Serie, eine
Dauerleihgabe der Gebrüder Viehof bis 2022,
bei einer Ausstellung präsentiert wissen will,
dann wird das selbstverständlich organisiert.
In Summe wird die Wertschöpfung, von der
nach Ende der Laufzeit solcher Vereinbarungen
nur der Leihgeber profitiert, im Falle staatlicher
Museen vom Steuerzahler finanziert. Ein As-
pekt, der im Falle der Albertina in Österreich für
anhaltende Diskussionen sorgt. Aufgrund der
seit 2007 angehäuften Dauerleihgaben wird das
Museum von Kritikern aus der Fachwelt bereits
als „Bundeskunsthalle“ bezeichnet. Zumal sie
sich in der mehr als 20-jährigen Ära ihres Direk-
tors Klaus Albrecht Schröder mit Siebenmeilen-
stiefeln von ihrer ursprünglichen Kernkompe-
tenz (Graphik-Sammlung) entfernt hat.
Kosten für die Allgemeinheit
Zum besseren Verständnis: Die 2007 übernom-
mene Sammlung des im Juli 2019 verstorbenen
Liechtensteiner Treuhänders und Rechtsanwalts
Herbert Batliner umfasst knapp 1 000 Kunstwer-
ke, jene des Industriellen Hans-Peter Haselstei-
ner über 5 000. Rund 1 400 Werke überließ der
ehemalige Baumarkt-Magnat Karlheinz Essl der
Albertina zwischenzeitlich als Schenkung. Der
jüngste Zugang umfasst rund 400 Werke, die Ga-
lerist Rafael Jablonka über eine Stiftung im Wie-
ner Museum „parken“ wird. Der überwiegende
Schwerpunkt aller genannten Sammlungen liegt
bei Kunst nach 1945.
Die wirtschaftliche Entwicklung des Museums
und die Besucherzahlen von rund 700 000 jähr-
lich geben der Strategie Schröders recht. Kriti-
ker monieren indes die in der Museumsordnung
festgelegte Verwässerung des Sammlungsprofils
durch Überschneidungen im Programm mit an-
deren Museen. Der Hausherr sieht das gelassen:
Die Bedürfnisse der Besucher am Museumsge-
setz zu orientieren sei ein merkwürdiger büro-
kratischer Zugang.
Der größte Knackpunkt im Falle der Albertina
bleiben die für seine Leihgeber indirekt über die
Nutzung wachsender personeller Ressourcen
und direkt über den Subventionsbedarf ver-
prassten Steuergelder. Etwa für die umfangrei-
chen Untersuchungen von 32 Werken der russi-
schen Avantgarde aus der Sammlung Batliner im
Vorfeld der Ausstellung „Chagall bis Malewitsch“
im Jahr 2016. Am Ende stellten sich sieben als
Fälschungen heraus, Gemälde von Ljubow Po-
powa, Alexandra Exter, Alexander Rodtschenko,
Iwan Puni oder El Lissitzky. Die Kosten für die
Analysen in London und Zürich, die samt Trans-
port und Versicherungsprämie bei etwa
250 000 Euro liegen dürften, übernahm die Al-
bertina. Dem Vernehmen nach sei derlei im Hin-
blick auf die wissenschaftliche Unabhängigkeit
vereinbart worden. Anfragen zu Dauerleihgaben
werden übrigens ganz grundsätzlich nicht beant-
wortet.
Aus dem Katalog heraus verkaufen
Auch die Nutzung der Albertina als Durchlaufer-
hitzer sieht Direktor Schröder gelassen. Beispiel-
haft dafür war die 2009 übernommene „Samm-
lung Werner“, die rund 90 Werke deutscher Ex-
pressionisten umfasste. Sie waren einst in
Deutschland beheimatet und gelangten über
den Erbweg nach Österreich. 2012 widmete ih-
nen die Albertina nach entsprechender wissen-
schaftlichen Aufarbeitung die Schau „Kirchner,
Heckel, Nolde“.
„Es war eine einmalige Chance, diese Samm-
lung überhaupt bekannt zu machen“, erklärte
Schröder rückblickend. Die Erbin sei sich ja
nicht einmal der Bedeutung dieser Kollektion
bewusst gewesen. Das änderte sich schnell:
Noch vor Ende der Leihfrist 2016 wurden meh-
rere Werke aus dem Museum abgezogen. Die
ersten Arbeiten von Emil Nolde und Karl
Schmidt-Rottluff tauchten schon im Frühjahr
2014 bei der Tefaf-Kunstmesse in Maastricht auf.
Der einstige Ausstellungskatalog der Albertina
dient seither als Verkaufsutensil.
Amadeo Modiglianis „Young
Woman in a Shirt“ und Fernand
Leger‘s „Two Profiles“: Meister-
werke der Sammlung Batliner.
„Salvator Mundi“ von Leonardo:
Das Bild wurde von Händlern
schon während der Londoner
Ausstellung für 125 und 200 Mil-
lionen Dollar angeboten.
mauritius images
Paper Positions
Testballon in
Frankfurt
K
unst auf Papier umfasst mehr als Zeich-
nung und Collage. Raumfüllende Skulp-
turen oder ausgefallene Schmuckobjek-
te werden daraus auch gefertigt. Mit Preisen, die
schon im dreistelligen Bereich beginnen, ist sie
ein ideales Medium für Einsteiger. Die Berliner
Kunstmesse „Positions“ gründet jetzt eine „Pa-
per Positions“ in Frankfurt mit 40 ausstellenden
Galerien. Sie läuft vom 5. bis 8. September.
Parallel zum Saisonstart der Frankfurter Gale-
rien bespielt die auf Kunst auf Papier fokussierte
Veranstaltung einen Neubau im Zentrum, der
erst danach fertiggestellt wird. Die Aussteller
kommen zur Hälfte aus Frankfurt und der Regi-
on, die anderen aus dem Rest Deutschlands,
zehn davon aus Berlin. Die Stadt wolle den Sai-
sonstart zur Frankfurt Art Experience ausbauen,
daher sei die beauftragte Agentur an sie heran-
getreten, erklärt Kristian Jarmuschek, der mit
Heinrich Carstens die Positions-Messen in Ber-
lin, München, Basel und jetzt eben auch Frank-
furt organisiert. Mit dem Termin sei er allerdings
nicht ganz glücklich, weil der Kalender hier
schon so dicht besetzt sei, nicht zuletzt mit der
„Art Berlin“ und Positions ab 13. September.
Langfristig sei ein Termin zwischen Art Karlsru-
he im Februar und Art Cologne im April geeig-
neter, am liebsten in der Messe Frankfurt.
An diesem Ort existiert allerdings bereits eine
Kunstmesse. Anfang November findet dort zum
zweiten Mal die „Discovery Art Fair“ statt. Orga-
nisiert wird sie von Jörgen Golz, mit dem die Po-
sitions schon in Berlin um Aussteller und Publi-
kum ringt. Dort (und in Köln) betreibt der Event-
manager eine Veranstaltung, die früher Berliner
„Liste“ hieß. Das Konzept ist gleich geblieben
und lässt neben Galerien auch Künstler als Selbst-
vermarkter zu – ein entscheidender Unterschied
zu Positions und Paper Positions und fast allen
seriösen Kunstmessen.
Als Spezialmesse für Kunst auf Papier wäre das
Format aber wohl kaum in der Lage, eine kritische
Größe zu erreichen, um so eine Location dauer-
haft erfolgreich bespielen zu können. Sie müsste
sich also größer aufstellen und als Positions allen
Medien ein Forum bieten. Das mag noch Zukunfts-
musik sein, und Jarmuschek bezeichnet die Frank-
furter Premiere im „Flare of Frankfurt“ benannten
Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses als Zwi-
schennutzung ausdrücklich als Testballon.
Doch für die Region würde eine traditionelle
Kunstmesse möglicherweise einen enormen
Schub bedeuten. Denn dass die Region durch-
aus eine Messe tragen kann, hat sie in der Ver-
gangenheit mit der „Art Frankfurt“ und der „Fi-
ne Art Fair Frankfurt“ bewiesen.
Seither hat sich viel verändert, auch in Frank-
furt. So hat zuletzt der drohende Brexit Teile
der Finanzindustrie aus der Londoner City an
den Main gebracht. Genau diese Klientel spielte
bei der Gründung der Frieze im Jahr 2003 eine
Rolle. An Kaufkraft mangelt es ohnehin nicht in
der Region. International wichtige Galerien gibt
es ebenfalls. Stefan Kobel
Die Erbin
war sich der
Bedeutung
der
Sammlung
Werner nicht
bewusst.
Klaus Albrecht
Schröder
Albertina-Direktor
Artjom Chepovetskyy „Nr.4“:
Bei Heike Strelow zu finden.
courtesy of alerie Heike Strelow/ Artjom Chepovetskyy
Gegründet wurde das Weltklas-
semuseum 1776 von Herzog
Albert Casimir, einem Schwieger-
sohn von Kaiserin Maria Theresa.
Es bewahrt rund eine Million
Zeichnungen und Graphik von
der Renaissance bis heute.
Erweitert zum Haus für zeitge-
nössische Kunst wird es seit 1999
von Klaus Albrecht Schröder. Der
Direktor zieht Privatsammlungen
an, oft als Dauerleihgaben.
Albertina in Wien
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