Christoph Schlautmann Frankfurt
T
homas Willms empfängt
an diesem frühen Nach-
mittag seinen Gesprächs-
partner dort, wo schon
am darauffolgenden Tag
eine prominente Herrscherfamilie
vom persischen Golf einziehen wird:
auf der vierten Etage des Nobelhotels
„Frankfurter Hof “. Dort besitzt der
klassizistische Prunkbau im Herzen
der Main-Metropole eine mehr als
300 Quadratmeter große Suite. Die
Bäder sind so groß wie eine Wellness-
Oase, das Mobiliar gediegen, die
Nacht kostet 12 800 Euro.
„Von solchen Gästen hätte natür-
lich jede Hotelmarke gerne mehr“,
sagt Willms, der seit knapp zwei Jah-
ren den Hotelkonzern Steigenberger
AG führt. „Das Wachstum der ver-
gangenen Jahre wird sich aber nicht
in dieser Art fortsetzen“, vermutet er
im Hinblick auf die Konjunkturein-
trübung.
Der 58-jährige Statthalter der ägyp-
tischen Eigentümerfamilie El Chiaty
weiß: Unter der Eintrübung der Wirt-
schaft, die aktuell vor allem die Auto-
mobilbranche erfasst hat, leiden die
Luxusanbieter üblicherweise am
meisten. Willms, perfekt gebundene
Krawatte, Maßanzug, sauber geschei-
telter Blondschopf, macht sich auch
für das eigene Unternehmen keine Il-
lusionen. „In der Branche steigen
derzeit die Gästezahlen zwar noch“,
sagte er, „in der Regel aber kommt es
zu einem Rückgang der Zahlen dann
im zweiten Krisenjahr.“
So lange will der ehemalige Star-
wood-Manager nicht abwarten, der
Anfang 2018 den langjährigen Vor-
standschef Puneet Chhatwal an der
Spitze des Übernachtungskonzerns
ablöste. Willms Expansionsdevise
lautet: „Wir brauchen Hotelmarken
auch im Preiseinstiegssegment.“
In dem feinen Beherbergungsbe-
trieb waren Bekenntnisse wie diese
lange verpönt. 1930 legte der Deg-
gendorfer Textilkaufmann Albert
Steigenberger den Grundstein für die
Nobelkette, indem er in Baden-Baden
den „Europäischen Hof “ erwarb.
1940 fügte er den „Frankfurter Hof “
hinzu, später zudem Häuser wie das
„Drei Mohren“ in Augsburg oder das
„Park Hotel“ in Düsseldorf.
Um für Unruhe in der Erbenfamilie
zu sorgen, reichte es da schon, den
Ableger „Intercity Hotels“ zu grün-
den. Unter der einprägsamen Marke,
die Steigenberger von der Deutschen
Bahn erwarb, eröffnete 1989 in
Frankfurts Bahnhofsnähe das erste
Haus der Gruppe im Mittelpreisseg-
ment. Damals rümpften unter den
Steigenbergers viele die Nase. Bald
aber werden es 53 Häuser sein.
Expansion geplant
Das Diversifizieren will der gebürtige
Friese nun mit Macht vorantreiben.
Im Januar übernahm er dazu die
Mehrheit an der dänischen Low-Bud-
get-Kette Zleep Hotels, die aktuell 16
Häuser in Skandinavien betreibt.
„Wir werden die Marke jetzt auch
nach Deutschland und in die Schweiz
bringen“, kündigt Willms gegenüber
dem Handelsblatt an. Mit Logisprei-
sen zwischen 70 und 80 Euro soll das
Hotelformat etwa gegen Wettbewer-
ber wie „Ibis Styles“ antreten. Gebo-
ten wird lediglich ein Frühstück, der
Check-in ist automatisiert. „Wir spre-
chen damit eine junge Zielgruppe
an“, sagt der Steigenberger-CEO.
Kräftiges Wachstum plant er unter-
halb seiner Topmarke auch mit dem
neuen Format „Maxx by Steigenber-
ger“. Das abgespeckte Franchisekon-
zept – Willms spricht von „Softbrand“
- soll anders als Steigenberger auch in
Mittelstädten funktionieren, die weni-
ger kaufkräftige Übernachtungsgäste
anziehen. In Bad Honnef und Pots-
dam haben bereits Häuser eröffnet,
ebenso eins in Wien.
Gegenüber dem Handelsblatt gibt
er dazu nun einen weiteren Coup be-
kannt: Als Franchisepartner für das
gehobene Mittelklassekonzept hat
Willms den Hotelbetreiber Brendal
mit ins Boot holen können, der zwölf
Häuser auf das neue Konzept umstel-
len will. „Bis Ende 2019“, sagt
Willms, „haben dann 17 bis 20 Stand-
orte von ,Maxx by Steigenberger‘ un-
terzeichnet.“
Nicht wirklich billig, dafür aber
deutlich jugendlicher soll es in dem
vor drei Jahren gestarteten Hotelable-
ger „Jaz in the City“ zugehen. Rezep-
tionisten mit Tattoo und Ohrring, bei
Steigenberger vermutlich ein Entlas-
sungsgrund, begrüßen dort die Gäs-
te. Überall wird geduzt, zur Wochen-
mitte verwandelt sich das Restaurant
in einen Musikklub, beschallt von ei-
nem DJ.
In Amsterdam wurde 2016 das ers-
te Haus eröffnet, anschließend folgte
ein weiteres in Stuttgart. Einen zu-
sätzlichen Standort soll es im kom-
menden Jahr in Wien geben, wäh-
rend 2022 eine vierte Lifestyle-Her-
berge in Dubai hinzukommen wird.
Um den Wandel von der langjäh-
rigen Zwei-Marken-Strategie hin zu
einem Multi-Brand-Konzept zu un-
terstreichen, tritt die Steigenberger
AG seit knapp drei Jahren unter ei-
nem neuen Markendach auf: „Deut-
sche Hospitality“. Der Name ist kein
Zufall. Ihn trägt auch der alleinige
Steigenberger-Aktionär, eine „Limi-
ted“-Gesellschaft im zyprischen Li-
massol. Über sie steuert der ägypti-
sche Familienkonzern Travco, der
2009 die Anteile der deutschen Ho-
telerben komplett übernahm, das
wachsende Übernachtungsimperi-
um. Der Expansionsdruck ist hoch –
und wird seit Jahren befeuert vom
ägyptischen Familienoberhaupt Ha-
med El Chiaty. Bis Ende 2024, hat
dieser seinem CEO ins Lastenheft
geschrieben, soll die Hotelgruppe
weltweit über 250 Hotels gebieten.
Derzeit sind es – inklusive der 30 im
Bau und Umbau befindlichen – gera-
de einmal 150.
Dass es dem ungeduldigen Ägypter
zunächst nicht schnell genug voran-
ging, ließ er nach der Übernahme sein
Topmanagement spüren. Mitte 2010
musste Vorstandschef André Witsch
gehen, Nachfolger Arco Buijs blieb nur
bis Februar 2012. Auch der anschlie-
ßend eingesetzte Deutsch-Inder Pu-
neet Chhatwal scheiterte knapp an der
Vorgabe, der Gruppe wie gewünscht
jährlich 15 Häuser hinzuzufügen. Nun
soll es Willms richten.
Solide Ertragszahlen
Den Schlüssel dazu, so glaubt es je-
denfalls Hotelexperte Michael Lidl,
hat der Konzern mit der Diversifizie-
rung gefunden. „Mit den Steigenber-
ger-Häusern war die Zahl an mögli-
chen Standorten limitiert“, sagt der
Geschäftsführer der Münchener Be-
ratungsfirma Treugast. „Und auch
die Zahl der Bahnhöfe, die sich für
die Nachbarschaft eines Intercity-Ho-
tels eignen, ist begrenzt.“ Die neuen
Konzepte dagegen böten genügend
Potenzial für ein Wachstum, das bei
Steigenberger längst überfällig gewe-
sen sei. „Gerade für den Onlinever-
trieb“, urteilt Lidl, „ist Größe ein ent-
scheidender Faktor.“
Was überrascht: Trotz der umfang-
reichen Expansion und zahlreicher
Renovierungsarbeiten können sich
die Ertragszahlen sehen lassen. 2017
wies der Steigenberger-Konzern ei-
nen Konzernüberschuss von 11,4 Mil-
lionen Euro aus. Zwischen 2017 und
2018 stieg der Umsatz von 724 auf
770 Millionen Euro. „Die Ergebnisse
für 2019 werden sogar noch besser
aussehen“, kündigt Willms gegen-
über dem Handelsblatt an, ohne kon-
krete Zahlen zu nennen.
Ein wenig Steigenberger aber
steckt – trotz des Verkaufs vor 20 Jah-
ren – immer noch in Steigenberger.
Anne-Marie Steigenberger, die 91-jäh-
rige Schwiegertochter des einstigen
Unternehmensgründers, hat an drei
Herbergsstandorten ein Wörtchen
mitzureden. Der betagten Dame ge-
hört der „Frankfurter Hof “, das Air-
port-Hotel am Frankfurter Flughafen
und das „Belvédère“ in Davos. Trav-
co, der Reise- und Touristikkonzern
der ägyptischen Milliardärsfamilie El
Chiaty, ist hier nur Pächter.
Thomas Willms
Steigenberger für Einsteiger
Der deutsche Statthalter des ägyptischen Familienkonzerns
Travco will sich nicht mehr nur auf Luxus verlassen.
Thomas Willms:
Seit fast zwei
Jahren führt er
Steigenberger. Deutsche Hospitality
Wir
brauchen
Hotelmarken
auch im
Preiseinstiegs-
segment.
Thomas Willms
Steigenberger-CEO
Familienunternehmen
des Tages
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(^60) WOCHENENDE 23./24./25. AUGUST 2019, NR. 162
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