Der Standard - 24.08.2019

(lily) #1

12 |SA./SO.,24./25.AUGUST2019DInland ERSTANDARDWOCHENENDE


Dasliterarische


FPÖ-Duett und das


Ibiza-Buch


Aufdecker widersprechen
Straches und Gudenus’Lesart

Wien–Was steht im neuen Buch
über das Ibiza-Video? Darüber
tobt seit dem Erscheinen des
Werks am Mittwoch ein unge-
wöhnlicherLiteraturstreit,dermit
ungleichen Waffen geführt wird.
Auf der einen Seite die Autoren –
die deutschen Aufdeckerjourna-
listen von derSüddeutschen Zei-
tungBastian Obermayer und Fre-
derik Obermaier. Auf der anderen
Seite die Protagonisten der Hand-
lung –Heinz-Christian Strache
und Johann Gudenus. Im Inter-
view mit dem Privatsenderoe
gab Strache einen verstörenden
Einblick in seine hermeneuti-
schen Fähigkeiten und berichtete
über seine Leseerfahrungen mit
dem Ibiza-Buch: „Es ist eine Reha-
bilitierung und eine Klarstellung
der Journalisten, die sich im Buch
fastschonrechtfertigenfürdieaus
dem Kontext gerissenen Video-
passagen, die veröffentlicht wur-
den.“ Quellenangaben lieferte
Strache nicht–vermutlich des-
halb, weil es diese nicht gibt.

Mühen mit den Lesern
Die Reaktion der Autoren auf
die eigenwillige Interpretations-
leistung ihres Lesers fiel aller-
dings recht kulant aus: „Wir emp-
fehlen Ihnen eine erneute Lektü-
re, bevor Sie weiter grundfalsche
Schlüsse daraus ziehen“, richte-
ten die Journalisten dem gefalle-
nen Vizekanzler auf Twitter aus.
Eine Empfehlung, die sich Jo-
hann Gudenus, das zweite Mit-
glied des literarischen FPÖ-
Duetts, offenbar noch nicht zu
Herzen genommen hatte, als er der
Presseam Donnerstagein Inter-
view gab. Straches Russisch-Über-
setzer sparte dort nicht mit Kritik
an den Aufdeckern derSüddeut-
schen.„Im Übrigen ist das Buch in
meinen Augen kein journalisti-
sches Glanzstück–die angebliche
Leistung besteht darin, Teile eines
Videos transkribiert zu haben“,
rezensierte Gudenus. Dass das
Buch einedetailreiche Erzählung
des aufwendigen Recherchepro-
zesses darbietet, erwähnte er
nicht. Auch die Beschreibung, wo-
nach er sich selbst nach Ibiza noch
zweimal mit der vermeintlichen
Oligarchen-Nichte getroffen hatte,
ignoriert er. Laut Gudenus war -
ohnehin alles
harmlos. Auf Ibi-
za wurden bloß
„legale Investi-
tionsideen brain-
storming-artig
mit dem Lock-
vogel und Be-
gleiter entwi-
ckelt“.(ta)

Die FPÖundPeter Pilz’ListeJetzt befürchten, dass die SokoIbiza mit Mitgliedern eines
ÖVP-Netzwerks besetzt wurde. Dafür gibtesdurchaus Hinweise,etwadurch dieBVT-Affäre.

Fabian Schmid, Nina Weißensteiner

war gemeinsam mit dem Hauptbe-
schuldigten in der BVT-Affäre in
einemVereinaktiv;außerdemgibt
es einen namensgleichen ÖVP-
Gemeinderat in Oberösterreich.
Das Bundeskriminalamt wollte
auf Anfrage nicht bestätigen oder
dementieren, ob es sich um eine
zufällige Namensgleichheit oder
um ein und dieselbe Person han-
delt. Andere Beamte der Soko wie-
derum haben unter den ÖVP-In-
nenministern Karriere gemacht.
Sie sollen sich auf jenen Listen be-
finden, auf denen unter dem eins-
tigen Innenminister Ernst Strasser
(ÖVP) förderungswürdige Beamte
vermerkt worden sind.
Eine Parteimitgliedschaft allein
ist freilich noch kein Beleg für Be-
fangenheit, wie Justizminister
Clemens Jabloner angesichts der
Vorwürfe von FPÖ und Pilz fest-
gehalten hat–und auch diverse
Verfassungsjuristen sehen noch
keinen Anlass für Misstrauen.
Ein Kenner des Innenministe-
riums bestätigt, dass rund „90 Pro-
zent“ der Mitarbeiter im Ressort
seit der Ära von Strasser auch des-
wegen Karriere gemacht haben,
weil sie der richtigen Partei, also
der ÖVP, angehört haben–oder
weil sie eben im Abtausch mit

I


nder Causa Ibiza muss die
Wirtschafts- und Korruptions-
staatsanwaltschaft (WKStA)
mit einem BVT-Beamten zusam-
menarbeiten,gegendendieAnklä-
gerbehördenoch vor wenigen Mo-
naten selbst ermittelt hat. Das geht
aus einer unvollständigen Liste
der Soko-Ibiza-Mitglieder hervor,
die demSTANDARDvorliegt.
Konkret handelt es sich um
einen Mitarbeiter des Referats
Nachrichtendienste, der im Zuge
der BVT-Affäreals Beschuldigter
geführt wurde.Die WKStAvermu-
tete,dasserander il legal en Aufbe-
wahrung von Daten desRechtsan-
walts GabrielLansky beteiligt war,
der alsDornimAuge der ÖVPgilt.
Inzwischenwurden die Ermittlun-
geneingestellt,eingutesGefühlhat
die WKStAbei der Zusammenset-
zung derSokodennoch nicht.
Seit Publikwerden des blauen
Casinos-Gate durch die Razzien
bei Strache, Gudenus und Co
rückt vor allem die FPÖ die Soko
Ibiza in ein schiefes Licht, und
zwar wegen ihrer angeblichen
ÖVP-Nähe. Klubchef Herbert
Kickl und der Abgeordnete Hans-
Jörg Jenewein verlangen gar die
Neubesetzung der Ermittlungsbe-
hörde, die dem Bundeskriminal-


amt unterstellt ist. Weil bei den
Razzien unter anderem auch Stra-
ches Mobiltelefon konfisziert
wurde, will der Ex-FPÖ-Chef
„gegen die Hausdurchsuchung
und die Sicherstellung des Han-
dys Beschwerde und Einspruch“
erheben, wie Straches Anwalt Jo-
hann Pauer bestätigt.

„Auf türkisem Auge blind“
Parallel zur FPÖ schießt sich
auch Peter Pilz immer heftiger auf
die Soko ein–erwill eine Sonder-
sitzung des Nationalrats einberu-
fen, weil nun angeblich Kriminal-
polizisten mit ÖVP-Parteibuch
gegen FPÖ wie ÖVP ermitteln.
Hintergrund seines Argwohns:
Auch mit der türkisen Schredder-
affäre ist die Soko Ibiza befasst,
denn derzeit wird von der WKStA
auch ein Konnex zwischen dem
Ibiza-Video und dem Schreddern
von Festplatten aus dem Kanzler-
amt geprüft. Hier fragen sich Kri-
tiker, warum die Soko das Smart-
phone des türkisen Festplatten-
vernichters nicht mitnahm.
Eine ÖVP-Nähe in der Soko Ibi-
za gilt etwa auch durch einen Mit-
arbeiter des Verfassungsschutzes
belegt, der ebenfalls in die Soko
Ibiza entsandt wurde. Der Mann

dem jeweiligen Koalitionspartner,
also FPÖ oder SPÖ, befördert wur-
den. Allerdings seien auch die At-
tacken von Pilz mit Vorsicht zu ge-
nießen, weil der Aufdecker wegen
seines ungesicherten Wiederein-
zugs in den Nationalrat nun jede
Gelegenheit für große Auftritte
nützt. Trockener Nachsatz: „Am
liebsten würde ja Pilz selbst die
Soko Ibiza leiten.“

Eine eigene Justizpolizei?
Wie also größtmögliche Trans-
parenz rund um die Soko schaf-
fen? Eine mögliche Reformvarian-
te praktiziertdieWKStAschon bei
den BVT-Ermittlungen. Dafür ver-
fügt sie über ein kleines Team von
Ermittlern. Das wird von den Be-
schuldigten zwar problematisch
gesehen, da diese Konstellation
verfassungsrechtlich derzeit nicht
vorgesehen ist. Meinhard Novak,
Anwalt der Fall-führenden Staats-
anwältin im BVT-Fall und einst
selbst Staatsanwalt und Richter,
plädiert für die Einrichtung einer
eigenen Justizpolizei.
„Wir brauchen die Möglichkeit
einer institutionalisierten Justiz-
polizei, die bei der Korruptionsbe-
kämpfung zum Einsatz kommt“,
befindet er.

Zwischen Soko Ibiza und Staatsanwaltschaft ist nicht eitel Sonnenschein. Vielmehr stritt man sich wegen des Handys von Finca-Gast Strache.

Foto: Imago Images

/R

eichwein

Ibiza und die Angstvor schwarzen Netzen


Strache will dochnichtbei Hotel-Investoranheuern


Der Chef der malaysischenKyatt-Gruppe bestätigte das Engagement, daraufhinzogStrache zurück


Wien–Der ehemalige Vizekanzler
und FPÖ-Chef Heinz-Christian
Strache plante kurzzeitig, für
einen Immobilienentwickler mit
Sitz im niederösterreichischen
Baden zu arbeiten. Zuvor hatte
Strache im Interview mitoe24er-
klärt, ab Ende August wieder in
einem beruflichen Verhältnis zu
sein. „Ich werde in Zukunft für
eine Firma tätig sein und mich
wirtschaftlich neu ausrichten“,
sagte Strache.
Seit 22. Mai lebe er von seinen
„Rücklagen“, erklärte Strache im
Interview. Dass er noch ein Gehalt
von der FPÖ erhalte, dementierte
er. Nähere Details zu seiner neu-
en Tätigkeit gab er nicht preis. Die
Zeitung Österreich wollte dann

herausgefunden haben, dass Stra-
che ab September bei der malay-
sisch-österreichischen Kyatt-
Gruppe des ehemaligen FPÖ-Se-
kretärs Siegmund Kahlbacher tä-
tig sein wird. Dieser war auch in
die Pleite der Klagenfur-
ter Wörtherseebühne, ein
Prestigeprojekt Jörg Hai-
ders, involviert. Und er fi-
nanzierte das 2018 von
Strache feierlich ent-
hüllte „Trümmerfrauen-
Denkmal“ in Wien.
Kahlbacher bestätigte
Straches Engagement zu-
nächst, revidierte seine
Aussagen aber am glei-
chenTagimGesprächmit
Ö1: Strache habe ihn an-

gerufen und zurückgezogen.
Die Kyatt-Gruppe betreibt das
Hotel Sacher in Baden (das sie
2015 dem Glücksspielkonzern
Novomatic abgekauft hat) sowie
das Thermenhotel in Lutzmanns-
burg. Weiters wolle man
den Badener Sauerhof in
ein Fünf-Sterne-Gesund-
heitshotel umbauen, das
chinesische Gäste unter
anderem mit von indi-
schen Spezialisten be-
treuten Ayurveda-Be-
handlungen anlocken
soll. Gegen das Großpro-
jekt hatte sich schon im
Planungsstadium eine
Bürgerinitiative gebildet.
In BadIschl im Salz-

kammergutbetreibtKahlbacherein
Hotelmit demEx-EU-Abgeordne-
ten und ehemaligen
ÖVP-InnenministerErnstStrasser.
Das Geld für die rasanten In-
vestments der Gruppe kommt zu
einem guten Teil aus China: 2016
schloss Kyatt einen Kooperations-
vertrag mit der Sichuan Tourism
Group. 5000 Hotelbetten soll sie
bis 2020 in Österreich finanzieren
–der Fokus der Zusammenarbeit
liegt auf Baden bei Wien und Hall-
statt.
Strache erklärte, er sei nun Pri-
vatperson, konzentriere sich auf
„Aufklärung, Familie und Beruf“
und wolle so wenig wie möglich
in den Nationalratswahlkampf in-
volviert sein. (red, APA)

ÖVPwill Kopftuchverbot
in Schulen ausweiten

Wien–Die Volkspartei will die erst
kürzlich eingeführten Kopftuch-
verbote in Bildungseinrichtungen
ausweiten. Nach Kindergarten-
und Volksschulkindern soll auch
Schülerinnen der Unterstufe und
Lehrerinnen das Tragen des Kopf-
tuchsverbotenwerden,fordertdie
Partei. SPÖ, Neos, Jetzt und die Is-
lamische Glaubensgemeinschaft
kritisieren den Vorstoß. (APA)


Neos fordern Prüfung
türkis-blauerJobvergaben

Wien–Die Neos fordern die Über-
prüfung aller Postenbesetzungen
der türkis-blauen Regierung
durch unabhängige Personalbera-
ter. Ein Antrag soll im September
im Nationalrat eingebracht wer-
den. (APA)


KURZGEMELDET


Ex-FPÖ-Chef
Strache vorerst
ohne neuen
Job.
Foto: AP/Gruber
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