Der Standard - 24.08.2019

(lily) #1

KARRIERENSTANDARD


miteinemLandeskreditabbezahle.
Da mein SohngeradeZivildienst
macht, bekommeich den Kredit
nochzusuperBedingungen.Jedes
Jahr muss ich dafür ansuchen.
Mein Sohn ist Tischler, nach dem
Zivildienst wird er wieder arbei-
ten gehen, und da verdient er nor-
mal, da werde ich diesen günsti-
gen Rahmen nicht mehr haben.
Bei Klamotten und Schuhen
schaue ich nicht aufs Geld. Da
kann es schon mal sein, dass ich
300 Euro auf einmal ausgebe. Das
ist so, aber dann ist halt wieder
eine Weile eine Ruhe. Alle drei
Wochen leiste ich mir eine Massa-
ge, und im Winter gehe ich Tur-
nen. Ich hab drei Bandscheiben-
vorfälle gehabt, und für die Ge-
sundheit muss man etwas tun.
VordreiWochenmussteichmir
eine neue Therme kaufen. Die hat
6500Eurogekostet.DasisteinBat-
zen Geld, aber ich habe gewusst,

KarrierenStandard


Vorurteile am inklusivenArbeitsmarktSeiteK2 „Sensible“Frauen,„ehrgeizige“ MännerSeite K10


derStandard.at/Karriere


24./25.8.2 019 K1


D


as ABS der Grauslichkei-
ten, die man bei der Part-
nersuche (online) erlebt,
wird gerade ins Arbeitsleben
übersetzt. Ghosting etwa, also
ewig verhandeln, zur Unter-
schrift aber nicht erscheinen und
nie wieder auffindbar sein. Ben-
ching–als Drittbeste ewig auf
die Wartebank gesetzt werden.
Stashing–alles toll in der Ab-
teilung, aber sobald Erfolge
außerhalb sichtbar gemacht wer-
den sollen, wird man verräumt.

Am langen Arm


verhungern:


Breadcrumbing


Die Kolumne
von Karin Bauer

PERSONAL MOVES


(Der Partner wird vor Freunden
im Abstellkammerl versteckt.)

A


ktuell ist Breadcrumbing
ein heißes Diskussions-
thema. Eine fiese Hinhalte-
taktik. Warmhalten hätte man
früher gesagt. Man kriegt immer
nur ein Bröserl, dann das nächs-
te, ist ewig hungrig und sehn-
süchtig, kommt aber nie ans Ziel.
Konsequent betrieben, entsteht
ein Gefängnis mit immer un-
erreichbarer Hoffnungskarotte.
Im Dating-Dschungel gibt es ein
feuriges erstes Mal, dann lang
nichts. Noch immer nichts und
wieder nichts. Plötzlich wird et-
was gelikt, oder eine Whatsapp
mit „muss an dich denken“ klin-
gelt herein. Funktioniert natür-
lich nur, wenn der andere so

richtig bedürftig ist. Aber wer ist
das nicht im Arbeitsleben–so
oder so als Untergebener?
Da haben Chefs leichtes Spiel.
Neue Aufgaben und Projekte, für
die man auserkoren ist, werden
nebulos angedeutet, gerade so
viel, dass man meint: Wow, mei-
ne Fähigkeiten werden gesehen,
und ich werde endlich entspre-
chend eingesetzt. Dann kommt
lange nichts. Dann gar nichts
mehr. Dann das nächste Thema.
Das Opfer zermartert sich der-
weilen das Gehirn, welches Brot-
bröserl es nicht aufgepickt haben
könnte, was es übersehen haben
könnte.
Alles wird immer nur in
Mikrodosen hingeworfen, nur
dann, wenn es nötig ist; es er-

scheint dann ein Ausweg aus der
Isolation, aber unklar, nur die
ersten drei, vier Brotbröserln
sind sichtbar. Das Aufpicken be-
ginnt, um dann wieder im Nir-
gendwo zu stehen. Ein tolles Ge-
spräch mit dem Chef gerade nur,
wenn erkennbar wird: Der
springt ab. Eine Gehalts- oder
Funktionserhöhung, wenn Burn-
out-Symptome erkenntbar wer-
den. Breadcrumbing ist eine be-
liebte und sehr wirksame Taktik,
um Leute auf Linie, in Abhängig-
keit und permanentem Scharren
zu halten. Verhaltensökono-
misch betrachtet: ausgezeichnet.
Menschlich besehen: grauslich.
Wirksam natürlich auch, um
Leute elegant loszuwerden–wer
hält das ewig aus?

Ausgliederung haben sich auch
unsereAufgaben geändert. Fürs
Fensterputzen, Vorhängewaschen
oder Bödeneinlassen kommen
jetzt andereFirmen. Dadurch ist
meine Arbeit körperlich nicht
mehr so anstrengend. Ich habe 13
Mitarbeiterinnen–wir sind ein gut
eingespieltes Team. Der Umstieg
indieLeitungsfunktionistmiraber
nicht leichtgefallen.Wie erstelle
ich einenDienstplan? Wie kann
ich auf die Wünsche meiner Mit-
arbeiter gut eingehen? Welche
Unterstützungbrauchen sie von
mir?NachsechsWochen hab ich
an der ersten Weiterbildung teilge-
nommen und hab die Unterstüt-
zung bekommen,die ichgebraucht
habe. Mittlerweile macheich Be-
sprechungenganz routiniert. Und
jetzt kann ich sagen: Es
geht mir gut.

Im Gastgewerbe sei es für eineAlleinerzieherinschwierig,denWiedereinstiegzuschaffen.Daherwechselte
die heute 46-Jährigeindie Reinigungsbranche. Mit ihremNettoverdienstvon rund1400 Euro istsie zufrieden.

PROTOKOLL:GudrunOstermann

Ich bin Reinigungskraft,
seit einem Jahr auch Vor-
arbeiterin bei der Firma Caritas
Magdas. Aber eigentlich habe ich
Kellnerin gelernt. Mit einem Kind
ist es im Gastgewerbe schwierig,
eine Arbeit zu finden–ich war ja
jahrelang auf Saison. Dann ist
meine Beziehung in die Brüche
gegangen, und als Alleinerziehe-
rin geht es in der Gastro dann ganz
sicher nicht mehr. Und so bin ich
in den Einzelhandel gewechselt.
Sechseinhalb Jahre habe ich dort
gearbeitet. Was nicht immer ganz
leicht war.
Deshalb hab ich mich dann bei
der Caritas beworben. Eine Be-
kannte hat dort schon in der Kü-
che gearbeitet. Und ich hab in der
Reinigung begonnen. Das war vor
zehn Jahren, ich war damals 36
Jahre alt. Als meine Bekannte in
Pension ging, hatte ich die Option,
ihren Aufgabenbereich zu über-
nehmen. In der Reinigung hat es
mir aber so gut gefallen, und ich
bin dortgeblieben. Ich bin mein
eigener Chef und hab mir meine
Arbeit einteilen können.
Vor drei Jahren hat die Caritas
das Tochterunternehmen Magdas
Reinigung gegründet, wir wurden
ausgegliedert und haben jetzt
auch den Kollektivvertrag für Ge-
bäudereinigung, und der sieht
niedrigere Gehälter vor als der alte

Kollektivvertrag. Vorher haben
wir eine eigene Schmutzzulage
bekommen und auch eine eigene
Familienbeihilfe. Das ist jetzt alles
im Bruttogehalt drinnen.
Aber da ich jetzt auch Vorar-
beiterin bin, verdiene ich eh gut.
Netto bekomme ich durchschnitt-
lich 1400 Euro im Monat. Aber ich
habejetztaucheinDienstauto,das
brauche ich für meine Vorarbei-
teraufgaben, ich betreue ein rie-
sengroßes Areal. Das Auto darf ich
auch für private Zwecke nutzen.
Und ich habe auch ein Dienst-
handy.
MeineNormalarbeitszeitbeträgt
39 Stunden, zehn Stundendavon
sind für Vorarbeitsaufgaben ein-
kalkuliert. Jede Überstunde, jede
Mehrstunde wird ausbezahlt. Da-
mals im Einzelhandel mussteich
jeden Cent umdrehen, und es ist
sich trotzdem nicht ausgegangen.
Deshalb hab ich zusätzlich in der
Gastronomie ausgeholfen.
Mit meinem jetzigen Einkom-
men komme ich über die Runden.
Ich bin nicht so eine, die dauernd
auf Urlaub fährt, ich bin allein –
wo soll ich auch hinfahren. Die
Fixkosten machen ca. 500 Euro
aus. Manchmal ist es ein bisschen
mehr, wenn die ganzen Versiche-
rungen,StromundGasundsowei-
ter zu bezahlen sind. Ich wohne in
einer Eigentumswohnung, die ich



dass diese Ausgabe auf mich zu-
kommt, und habe darauf hinge-
spart. Vor vier Jahren hab ich mir
ein neues Auto gekauft, auch da-
für hab ich lange gespart. Jetzt
werde ich es wieder verkaufen,
weil ich ja einen Dienstwagen
habe. Das Geld kann ich mir wie-
der auf die Seite legen.
Ich hab schon harte Zeiten ge-
habt, mein Ex hat es mit den Ali-
menten nicht so ernst genommen.
Er hat das Geld rausgeschmissen
und alle anderen leben lassen –
das passiert mir nicht mehr. Ich
will nie wieder kein Geld haben.
Das hab ich schon hinter mir, dass
die Bank angerufen hat und gesagt
hat: ‚Wir können dir kein Geld
mehr geben.‘
Ich geniere mich nicht, dass ich
putzen gehe. Die Reinigung ist
eigentlich ein ganz wichtiger Teil.
Geben wir die Reinigung weg,
würden viele im Dreck ersticken.
Leider wird das manchmal nicht
so geschätzt, und wir sind in der
Hierarchie ganz unten. Viele Mit-
arbeiterinnen, die zu uns kom-
men, haben vorher nicht einmal
sieben Euro in der Stunde bekom-
men. Bei uns kriegen sie 9,08 brut-
to, das ist schon okay. Es würde
sich aber auch keine beklagen,
wenn sie mehr bekommen würde.
In unserem Team bin ich die
einzigeVollzeitkraft, durch die

Putzen ist eine wichtige Aufgabe. Gäbe es keine Reinigung, würden viele im Dreck ersticken.

Foto: iStockphoto

„Ich geniere


mich nicht,


dass ich


putzen gehe“


„Eine Frage des Gehalts“:
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demThema aus Sicht unserer
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