Süddeutsche Zeitung - 24.08.2019

(National Geographic (Little) Kids) #1
Wege legen die Menschen in der Stadt
Münchentäglich zurück. Den größten
Anteil haben mit 34 Prozent die berufs-
bedingten Wege. 30 Prozent aller Stre-
cken legen die Münchner in ihrer Frei-
zeit zurück. Das war vor elf Jahren
noch deutlich anders. Damals waren
nur 25 Prozent aller Wege berufs-,
dafür 33 Prozent freizeitbedingt. Für
Einkäufe gehen weniger Menschen auf
die Straße als 2008: 16 statt 24 Prozent.
Ob dies mit dem Online-Handel zu tun
hat, lässt die Studie offen.

der jungen Stadt-Münchner zwischen
18 und29 Jahren nennen den ÖPNV
als ihre bevorzugte Art der Fortbewe-
gung, was am relativ guten ÖPNV-An-
gebot in der Stadt liegt. Mit dem Auto
sind nur 22 Prozent am liebsten unter-
wegs. Frühere Generationen sind da
noch anders sozialisiert. Die 40- bis
49-Jährigen zum Beispiel fahren
noch zu 32 Prozent am liebsten mit
dem Auto und nur zu 21 Prozent öf-
fentlich.

Prozent der Münchner Haushalte besitzen zwei
Autos, knapp die Hälfte aller Befragten kommt mit
einem aus. 44 Prozent verzichten ganz auf einen
eigenen Wagen. Im Umland ist das Verhältnis deut-
lich anders. Hier kommen 22 Prozent der Haushalte
auf zwei, 57 Prozent auf ein Auto. Nur 16 Prozent der
Umlandbewohner leisten sich gar keines. Dafür
steht in 81 Prozent der städtischen und in 87 Pro-
zent der ländlichen Haushalte mindestens ein Fahr-
rad oder E-Bike.

aller Befragten in der Stadt München
gaben an, bei ihren täglichen Wegen
das Fahrrad zu bevorzugen. 24 Pro-
zent fahren lieber mit Auto, Roller
oder Motorrad, was in der Studie un-
ter „motorisierter Individualverkehr“,
kurz: MIV, zusammengefasst ist. Zehn
Prozent sind MIV-Beifahrer, 24 Pro-
zent Fußgänger, weitere 24 Prozent
ÖPNV-Nutzer. Die Entwicklung seit
dem Jahr 2002 zeigt eine deutliche
Tendenz zum Fahrrad.

der Münchner nutzen täglich oder fast täglich das eigene Auto. Genauso viele ha-
ben angegeben, nie oder fast nie Auto zu fahren. Die Nutzung hängt allerdings stark
davon ab, wo jemand wohnt. So sind in der Kategorie „täglich PKW-Orientierte“
zwölf Prozent der Münchner verzeichnet, die innerhalb des Mittleren Rings woh-
nen. Doppelt so viele Menschen nutzen das Auto, die zwischen dem Ring und der
Stadtgrenze wohnen. Interessant ist, dass nur sehr wenige auch verschiedene Ver-
kehrsmittel am Tag nutzen. Bei den Führerscheinbesitzern sind es nur sieben bis
acht Prozent. Nur ein Prozent der Leute, die keinen Führerschein haben, zählen zu
den Mischnutzern. Allerdings gab ein Zehntel der Befragten an, sich an verschiede-
nen Tagen auf unterschiedliche Weise fortzubewegen.

Carsharing-Autos gibt es ungefähr in
München. Mitte August ist auch noch
der Berliner Anbieter Miles Mobility
dazugekommen. Der berechnet die
Fahrten nicht nach Minuten wie die
Konkurrenz im sogenannten Free-Floa-
ting-Markt. Kunden zahlen ab 79 Cent
pro gefahrenem Kilometer. Das kann
bei stockendem Verkehr günstiger sein
als die Konkurrenz.

Kilometer legt jeder Münchner im
Schnitt täglich zurück. Im Umland
sind es 13,9 Kilometer. Auf die weites-
ten Strecken bringen es Auto-Beifah-
rer (25,8), gefolgt von Selbstfahrern
(18,9) und ÖPNV-Nutzern (18,6). Die
durchschnittliche Radstrecke ist 3,6
Kilometer lang, der Fußweg 1,4 Kilo-
meter. Im Umland spielt der ÖPNV mit
24,6 Kilometern eine größere Rolle als
das Auto (17,6 bei Selbst-, 18,9 bei
Beifahrern).

der Stadt-Münchner ab 14 Jahren gehen gerne zu Fuß. Im Umland sind es im-
merhin noch 82 Prozent. Am fußfaulsten sind dabei die Jugendlichen bis 17
Jahre. Im MVV-Verbundraum gaben 30 Prozent an, dass sie nicht gerne selbst
gehen. Dafür fahren 69 Prozent der Teenager gerne Auto, mehr als alle anderen
Altersgruppen. Das dürfte daran liegen, dass sie nicht selbst fahren müssen,
sondern sich stressfrei von den Eltern durch die Gegend kutschieren lassen.

M


it dem Auto von Tür zu
Tür, direkt ins Stadt-
zentrum, ohne Stau
und Parkplatzsorgen.
So stellte man sich frü-
her die fortschrittliche Mobilität vor.
Und dem entsprechend gestaltete
man auch die Städte. An die Folgen
für Mensch und Umwelt dachten die
meisten damals noch nicht. Und wer
kein Auto hatte oder wollte, zählte in
Sachen Nahmobilität zu den Verlie-
rern. Noch heute sind in München die
Vorstellungen von Stadtplanern ver-
gangener Jahrzehnte von der autoge-
rechten Stadt zu spüren. Vielerorts
sind Radwege so schmal, dass sie
kaum diese Bezeichnung verdienen.
Und wer zu Fuß zum Beispiel vom Ma-
ximiliansplatz zur Markuskirche an
der Gabelsbergerstraße gehen will,
muss ein geradezu absurdes Asphalt-
Meer an Autospuren überqueren.
Eine derartige Gestaltung des öf-
fentlichen Raums lässt sich in zwei
Worten als autofreundlich und lebens-
feindlich zusammenfassen. Dass die
Räume in der Stadt künftig anders
verteilt werden müssen, um Alternati-
ven zum Auto zu stärken, das zeigt die
Studie Mobilität in Deutschland, bei
der das Infas-Institut 2017 im Ein-
zugsbereich des Münchner Verkehrs-
und Tarifverbunds (MVV) rund
29 000 Menschen nach ihrem Mobili-
tätsverhalten befragt hat. Diesen
Sommer wurden die Ergebnisse veröf-
fentlich. Sie zeigen: Der Verkehr in
der Stadt verlagert sich nur langsam
weg vom Autoverkehr und hin zum
Fahrrad und öffentlichen Nahver-

kehr. Die Vergleichswerte liefern die
Ergebnisse zweier vorhergegange-
nen Studien aus den Jahren 2002 und


  1. Und auch wenn sich die Auftei-
    lung der einzelnen Fortbewegungsar-
    ten, der sogenannte Modal Split, all-
    mählich ändert, sind die Verfasser
    der Studie der Ansicht, dass das Auto
    auch in Zukunft ein „prägender Be-
    standteil“ des Verkehrs bleiben wird.
    Was die tatsächlich zurückgeleg-
    ten Kilometer betrifft, hat der motori-
    sierte Individualverkehr (MIV), zu
    dem neben Auto- auch der Motorrad-
    und Lkw-Verkehr zählen, sogar zuge-
    nommen. Das liegt einerseits an der
    wachsenden Bevölkerung, anderer-
    seits daran, dass die zurückgelegten
    Wege etwas länger geworden sind. So
    betrug die Verkehrsleistung im Jahr
    2008 insgesamt rund 28 Millionen
    von Menschen zurückgelegte Kilome-
    ter am Tag, neun Jahre später waren
    es bereits 33 Millionen. Berücksich-
    tigt man Einpendler, liegt die Belas-
    tung durch den MIV sogar noch hö-
    her.
    Dem gilt es entgegenzusteuern.
    Veränderungen in Richtung eines um-
    weltgerechteren Verkehrs seien zwar
    erkennbar, stünden aber immer noch
    am Anfang, heißt es in der Studie. Die
    Verfasser sprechen sich deshalb für ei-
    ne weitere Stärkung des ÖPNV aus,
    dann, so der Schluss, wären auch „re-
    gulierende Eingriffe“ in den Autover-
    kehr möglich.


Die Detailergebnisse der Studie sind im Inter-
net unter http://www.mobilitaet-in-deutsch-
land.de/publikationen2017.html abrufbar.

STUDIE ZUM MOBILITÄTSVERHALTEN


Das Infas-Institut hat in München und Umgebung rund 29 000 Menschen befragt, warum sie welche


Verkehrsmittel nutzen. Die Ergebnisse zeigen: Es bleibt noch viel zu tun für die Politik


Autofreundlich,


lebensfeindlich


Schmale Radwege, breite Straßen, gefährliche
Querungen für Fußgänger: Dass sich Planer den
öffentlichen Raum früher anders vorgestellt haben,
ist in der Stadt noch heute zu spüren

von andreas schubert


7%


18%


22 % 3000


4 800 000


12,5


89%


33 %


Häufigkeit der üblichen Verkehrsmittelnutzung Angaben in Prozent


*rundungsbedingte DifferenzSZ-Grafik; Quelle: Infas

zu Fuß

Fahrrad

Mietrad

Auto

Carsharing

ÖPNV*

nie/
fast nie

seltener als
monatlich

1–3 Tage
pro Monat

1–3 Tage
pro Woche

täglich/
fast täglich

95 11 28 47

26 10 14 22 28

22 11 17 28 22

911 21 24 34

84 10 6

88 8 2 2

Welche Verkehrs-
teilnehmer in der Stadt
unterwegs sind
Angaben in Prozent

SZ-Grafik; Quelle: Infas

28

10

14
18

24

27

29

12

21

21

24

10

10

28

24

2017

2008

2002

zu Fuß

Fahrrad

Autofahrer

Beifahrer

ÖPNV

FOTOS: ALESSANDRA SCHELLNEGGER,

IMAGO, ILLUSTRATION: SZ

R2 THEMA DES TAGES Samstag/Sonntag, 24./25.August 2019, Nr. 195 DEFGH


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