Süddeutsche Zeitung - 24.08.2019

(National Geographic (Little) Kids) #1
von franz kotteder

S


eehofer war gleich am ersten
Abend da, mit vier Personen. Und
das, obwohl ja im alten Roma –
wie das klingt! – sein Partei-
freund Markus Söder ein häufi-
ger Gast war. Aber Seehofer steht, mit lau-
ter Großbuchstaben geschrieben, für
Dienstag, 20. August, im Reservierungs-
buch des neuen Café Roma. Ob sich’s dabei
tatsächlich um den Bundesinnenminister
handelte, darüber schweigen sich die Be-
dienungen allerdings aus.
Nun ist Seehofer nicht nur Innen-, son-
dern auch Heimatminister. Und wenn man
so will, dann steht das Roma ja auch ein
bisschen für den Münchner Heimatbe-
griff. Denn wenn draußen im Rest der Re-
publik als Tatsache aufgefasst wird, dass
die Münchner kurz nach der Schnee-
schmelze ihre Sonnenbrillen aufsetzen
und bis nach der Wiesn nicht mehr abneh-
men, es sei denn, sie würden ihnen opera-
tiv entfernt, dann ist daran ganz sicher
auch das alte Café Roma schuld. Neben
dem Tambosi am Odeonsplatz. Die große
Freiterrasse zwischen Maximilianstraße
und Karl-Scharnagl-Ring war sieben Jahre
lang die allerschönste Bühne für Schickimi-
ckis, Schauspieler und Schauspielerinnen,
erfolgreiche Fußballer wie Oli Kahn und
Bastian Schweinsteiger sowie ihre vorwie-
gend weiblichen Fans. Die restlichen Plät-
ze füllten nicht eben selten junge Schnösel

mit dem Beruf Sohn auf, in der weiblichen
Variante auch junge Damen, die nebenbei
modelten, an der Bezeichnung „Blondine“
nichts Schlechtes fanden und den entspre-
chenden Witzen eher verständnislos ge-
genüberstanden.
So war das alte Café Roma ein schönes
Biotop für eine Münchner Gesellschaft, die
man sonst nur aus der FernsehserieKir
Royalvon Helmut Dietl kannte, und ein kei-
neswegs stiller Ort der Einkehr für all jene
Menschen, die sich ausgedehnte Einkaufs-
bummel auf der Maximilianstraße leisten
konnten. Manche parkten ihren Porsche
oder Ferrari direkt davor. Im Halteverbot
zwar, aber egal: Auf den Strafzettel mehr
oder weniger kam’s nun wirklich nicht an.

Ob es dieses München so überhaupt
noch gibt, wird sich jetzt zeigen. Denn die
große Freiterrasse gibt es wieder. Ein biss-
chen kleiner ist sie jetzt, 150 Plätze sind es,
und sie zieht sich auch nicht bis zur Maxi-
milianstraße vor. Denn das neue Café Ro-
ma ist nicht dort, wo das alte Café Roma
war, sondern ein Haus weiter. Im alten
Haus, das der Bayerischen Versorgungs-
kammer gehört, ist seit gut zehn Jahren
ein Flagship-Store des italienischen Luxus-
modelabels Gucci eingezogen, sehr zur

Freude der Kreditkartenbesitzerinnen, die
um die Ecke im Hotel Vier Jahreszeiten lo-
gieren.
Das neue Café Roma aber befindet sich
in der Maximilianstraße33, früher war
hier eine Teppichhandlung untergebracht,
das Haus im Stile des Architekten Fried-
rich Bürklein wurde Mitte des 19. Jahrhun-
derts erbaut und gehört heute der städti-
schen Gewofag. Als der Teppichhändler En-
de 2011 sein Geschäft aufgab, kam schnell
der Gedanke auf, das Café Roma wiederzu-
beleben. Der Großgastronom Stephan
Kuffler interessierte sich für den Ort, zog
seine Bewerbung später aber wieder zu-
rück, nachdem er hatte nachrechnen las-
sen, was der Umbau kosten würde. Einen
aber schreckte das nicht ab: Gabriel Lewy.
Der erfolgreiche Szenegastronom hatte
auch schon das alte Café Roma betrieben.
Im Jahr 2000 hatte er es mit seiner damali-
gen langjährigen Lebensgefährtin, der
Schauspielerin Iris Berben, übernommen
und, so kann man das schon sagen, zu gro-
ßer Blüte geführt.
Hätte er gewusst, was da auf ihn zu-
kommt, hätte er sich trotzdem an die Sa-
che gewagt? Der 74-jährige Lewy lächelt
nur und meint: „Man kann sagen: Es ist ein
Lebenswerk.“ Und für ihn ist es auch eine
Art Heimkehr, denn erstaunlich viele der
früheren Roma-Mitarbeiter sind jetzt wie-
der mit von der Partie. Der Küchenchef
von damals ist auch heute wieder Küchen-
chef. Die Restaurantleiterin Jeanne Prê-

cheur war im alten Roma schon Bedie-
nung, so wie Carmen Perzlmeier, die nach
elf Jahren wieder als Kellnerin hier arbei-
tet. Auch Behzad Ansari, ein alter Wegbe-
gleiter von Lewy, ist als Geschäftsführer
mit dabei. Zusammen haben sie zeitweise
sieben Lokale in München betrieben, vom
Atlas übers Roxy bis zum Roma, heute ge-
hören zu Lewys Gastro-Reich noch das
Café Wiener Platz und das Café Soda.

2013 bereits hatte Lewy den Zuschlag er-
halten, das städtische Kommunalreferat
wollte dezidiert wieder ein Café Roma an
diesem Ort haben, auch um den Platz zu be-
leben. Dann aber stellte sich bald heraus,
dass das Gebäude zwar nicht total baufäl-
lig war, es aber doch große Probleme mit
der Statik gab. Zeitweise stand gar zu be-
fürchten, dass die oberen Stockwerke
beim Umbau bis zum Keller durchrausch-
ten. Die Sanierung des denkmalgeschütz-
ten Gebäudes, das war bald klar, würde teu-
er kommen und etwas länger dauern. Auch
ein Stadtratsbeschluss musste her.
Es gingen dann die Jahre ins Land. Es
mussten Stahlträger eingebaut werden, so
massiv, wie man sie sonst nur von Auto-
bahnbrücken kennt. Und immer wieder
gab es Verzögerungen. Eigentlich wollte

die Stadt 2015 mit der Sanierung fertig
sein, es dauerte volle vier Jahre länger.
Wäre diese Zeit nicht so absurd lange
für ein Restaurant, müsste man sagen: Die
lange Dauer hat sich gelohnt. Denn das
neue Roma ist ein wahres Prachtstück ge-
worden, vor allem drinnen – die Freiterras-
se mit den grünen Marmortischen wirkt
fast ein bisschen zu mondän und etwas ge-
drängt. Drinnen aber haben sich die Archi-
tekten Daniel Hildmann und Daniela Wil-
ke beinahe selbst übertroffen, haben mit
den unterschiedlichsten Materialien und
zahllosen, oft hübsch ironischen Details ei-
ne bezaubernde Bühne für die Schönen
und Reichen und Adabeis dieser Stadt ge-
schaffen. Es gibt einen zentnerschweren
Zinntresen für die Bar, einen Durchblick
ins obere Stockwerk, der dem Ausschnitt
der Bar entspricht, edle Tapeten, die den
Zuschauerraum eines Barocktheaters zei-
gen. Verschiedenste Lichtquellen, vom viel-
armigen Sputnik-Leuchter bis zur tulpen-
förmigen Stehlampe, und doch ist das alles
kein Sammelsurium, sondern ein stimmi-
ges Ensemble, das man staunend betrach-
ten kann. Und es gibt viel hochrangige
Kunst an den Wänden: von Florian Süss-
mayr über Tanja Hirschfeld bis Stefan
Sczcesny. Alles Originale, versteht sich.
Bei all diesem Aufwand: Wann haben
sich die ganzen Kosten dafür wohl amorti-
siert? „Fünf Jahre, schätze ich mal“, sagt Le-
wy. So gesehen ist der Cappuccino im neu-
en Roma mit 3,90Euro nicht zu teuer.

Mit Händen und Füßen wehrte sich ein
Hundehalter am Mittwoch dagegen, dass
ihm das Veterinäramt einen Malteser-
Welpen weggenommen hat, der illegal
aus Rumänien eingeführt worden war.
Als die Beamten unterstützt von der Poli-
zei gegen 17 Uhr an der Wohnung des
56-Jährigen an der Tratzbergstraße läute-
ten, versuchte er, ihnen den Zutritt zu ver-
wehren. Die Polizisten schoben den
Mann zur Seite und fesselten ihn schließ-
lich. Bei dem Gerangel erlitt einer der Poli-
zisten einen Bänderriss, ein anderer
musste wegen eines Kapselrisses an der
Hand behandelt werden. Der Hund wur-
de in die Quarantäne des Tierheims ge-
bracht. Dort soll er gegen Tollwut ge-
impft werden. Tiere dürfen nur dann ein-
geführt werden, wenn sie geimpft und
mit einem implantierten Chip gekenn-
zeichnet sind. Andernfalls besteht die Ge-
fahr, dass Tollwut auf andere Tiere oder
sogar auf Menschen übertragen wird. In
solchen Fällen ordnet das Veterinäramt
eine Quarantäne im Tierheim an. Wer
Welpen bei dubiosen Händlern kauft,
geht das Risiko ein, dass sie ihm wieder
weggenommen werden. Im vergangenen
Jahr gab es laut Polizei 37 solcher Fälle in
München. anh

Gerade erst seit zwei Monaten sind die
Elektroroller auf Münchens Straßen un-
terwegs. In dieser kurzen Zeit haben sie
sich offenbar für Betrunkene zum Trans-
portmittel der Wahl entwickelt – und die
Polizei kommt kaum noch nach, sie alle
einzufangen. Oft kommt sie auch zu spät.
So wie bei jenem 27-jährigen Immobili-
enkaufmann, der in der Nacht auf Don-
nerstag um 5.20 Uhr über den Gehweg am
Odeonsplatz rollerte. Als er an einer Fuß-
gängerfurt die Brienner Straße überque-
ren wollte, stürzte er. Den Streifenbeam-
ten, die den Sturz beobachtet hatten, fiel
schnell auf, dass der Mann stark nach Al-
kohol roch. Ein Test ergab 2,4 Promille.
Einen Tag später wiederholte sich die
Szene in der Westenriederstraße: Ein
31-Jähriger aus Frankfurt verlor gegen
3.45 Uhr in der Früh die Kontrolle über
den Elektroroller und landete auf dem Ge-
sicht. Ein Rettungswagen musste ihn in
die Klinik bringen. Ein Alkoholtest ergab
1,8 Promille im Blut.
In beiden Fällen erstattete die Polizei
Anzeige wegen Trunkenheit im Straßen-
verkehr. Die Rollerfahrer müssen damit
rechnen, dass sie ihren Führerschein für
einige Monate los sind. Dass sie damit
nicht allein sind, dürfte die beiden Män-

ner kaum trösten. Seitdem Mitte Juni
E-Roller auf deutschen Straßen fahren
dürfen, haben die Beamten des Polizeiprä-
sidiums München mehr als 700 Trunken-
heitsfahrten mit diesen Gefährten festge-
stellt. Allein in den vergangenen zwei
Wochen waren es etwa 300.
Unter Münchens Polizeibeamten
wächst der Unmut darüber, dass die Kolle-
gen zusätzlich zu ihren Aufgaben nun
auch noch Scharen betrunkener Rollerfah-
rer einfangen und die Bürger darüber be-
lehren müssen, das es sich bei den
20 km/h schnellen Gefährten im rechtli-
chen Sinne um Kraftfahrzeuge handelt.
Das bedeutet: Schon wer mit nur 0,3 Pro-
mille unterwegs ist, begeht eine Straftat,
sofern er nicht mehr fahrtüchtig ist. Ab
0,5 Promille ist der Führerschein für ei-
nen Monat weg, dazu gibt es zwei Punkte
in Flensburg und 500 Euro Bußgeld.
Mit Sorgen blicken Münchens Ord-
nungshüter dem Oktoberfest entgegen.
Auf der Theresienwiese dürfen dann
selbstverständlich auch keine E-Roller
fahren. Gäste könnten jedoch auf die Idee
kommen, sich das Taxigeld zu sparen.
KVR und Polizei überlegen daher, wie die
Roller auch aus dem Umfeld der Wiesn
ferngehalten werden könnten. anh

Vorhang


auf


München hat seine berühmte Bühne
für die Reichen und die Schönen zurück:
das Café Roma in der Maximilianstraße

Die Szenen ähneln sich auf gespenstische
Weise: Im Juni 2017 rangelt ein Mann im
Akutstadium einer paranoiden Schizo-
phrenie mit einem Polizeibeamten, im
Kampf greift er nach der Waffe des Beam-
ten. Er kann sie aus dem Holster ziehen,
schießt in der S-Bahnstation Unterföh-
ring um sich und trifft eine 26 Jahre Poli-
zeibeamtin am Kopf. Gut ein Jahr später
geht in der Schwanthaler Straße ein ande-
rer Mann, der unter paranoider Schizo-
phrenie leidende Peter W. (Name geän-
dert), ebenfalls auf einen Polizisten los. Es
kommt zum Gerangel, beide fallen zu Bo-
den und W. versucht, die Waffe an sich zu
bringen. Doch diesmal hält die Sicherung
am Holster. Jetzt steht der 56-Jährige vor
der 3. Strafkammer am Landgericht Mün-
chen I, die unter anderem entscheiden
soll, ob der Münchner gemeingefährlich
ist und in einer geschlossenen psychiatri-
schen Einrichtung bleiben muss.
Das Leben von Peter W., es hätte auch
anders verlaufen können. Er habe beim
FC Bayern in der Jugend gespielt, erzählt
er vor Gericht, doch dann kamen im Alter
von 15 Jahren die Drogen ins Spiel. Ha-
schisch, Marihuana, „und Alkohol war im-
mer dabei“. Von da an sei es mit der Fuß-
ballkarriere vorbei gewesen. Immer wie-

der stützt W. den Kopf auf die Hände und
blickt nach unten. Er versucht, sein Leben
zu rekonstruieren. „Ich hab’ ne schöne
Kindheit g’habt“, glaubt er. Dann erzählt
er, dass die Eltern nie da waren, er sich um
seine kleine Schwestern kümmern muss-
te. Als die Familie nach Taufkirchen zog,
sei er abgerutscht. „Damals war das wie
Neuperlach: viel Brutalität.“ Er machte ei-
ne Lehre und versuchte mit 19 Jahren, sei-
nem Leben ein Ende zu setzten. „Viel-
leicht, wenn man mal g’red hätt... “, sagt er
in Bezug auf seine Eltern.
Diverse Jobs, Ehen, immer wieder Auf-
enthalte in Haar und Psychopharmaka –
im März 2018 landete W. auf der Straße.
Er soll mit den EC-Karten seines Onkels
und seiner Mutter 7000 Euro unberech-
tigt abgehoben und seine Ex-Freundin ge-
stalkt haben. Als diese die Polizei rief, soll
er die Beamten getreten und versucht ha-
ben, an die Waffe zu gelangen. Daran
kann er sich heute nicht mehr erinnern.
„Mit den Medikamenten ist das Denken
besser geworden“, sagt er heute. „Es ist
ein betreutes Wohnen mit forensischer An-
bindung angedacht“, sagt seine Anwältin
Birgit Schwerdt. Kommende Woche wird
die Kammer unter dem Vorsitz von Frank
Schaulies entscheiden. wim

Polizei überwältigt


Hundehalter


Hunderte betrunkene E-Roller-Fahrer


In nurzwei Wochen zieht die Polizei 300 alkoholisierte Nutzer aus dem Verkehr


Die Polizei muss nun verstärkt Fahrer
von Elektrorollern kontrollieren, für sie
ist das zusätzliche Arbeit. FOTO: DPA

Erstaunlich viele der früheren
Roma-Mitarbeiter sind
wieder mit von der Partie

Das neue Café Roma ist ein Prachtstück
geworden, in dem es viele neue, hübsche und
ironische Details gibt. Im Uhrzeigersinn: Vom
Obergeschoss kann man den Barkeepern bei
der Arbeit zusehen, unten natürlich auch.
„Dyptichon“ heißt das Werk von Tanja Hirsch-
feld im ersten Stock, dort geht es auch ein
bisschen ruhiger zu als draußen auf der Ter-
rasse. Bild unten: Behzad Ansari war schon
im alten Roma dabei.FOTOS: CATHERINA HESS

Zeitweise stand zu befürchten,
dass die oberen Stockwerke
bis zum Keller durchrauschten

Griff nach der Waffe


56-Jähriger nach Rangelei mit einem Polizisten vor Gericht


DEFGH Nr. 195, Samstag/Sonntag, 24./25. August 2019 MÜNCHEN R3


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