Süddeutsche Zeitung - 31.08.2019

(Tuis.) #1

Es ist einer jener Restaurantbesuche, die
vielerzählen über gehobene Gastronomie
in Deutschland, in mittleren bis kleinen
Städten und jenseits von Sternen und Bes-
tenlisten. Der Sommerabend in Lübeck ist
kühl, Touristen in Multifunktionsjacken
tragen pralle Tüten mit dem Label der örtli-
chen Marzipanmanufaktur durch die Alt-
stadt. Sie strömen zum „Kartoffelkeller“ –
mit Hausmannskost zum kleinen Preis im
historischen Gewölbe. Gleich um die Ecke
liegt die „Zimberei“, ein Restaurant in ei-
nem Kaufmannshaus aus dem 13. Jahrhun-
dert und eine der besten Adressen der Han-
sestadt. Hier sind an diesem Mittwoch-
abend nur drei Tische besetzt, zum Haupt-
gang werden wir dann alleine im großräu-
migen Lokal sitzen, das modern im populä-
ren Long-Island-Stil eingerichtet ist.
Die Frage nach einer Aperitif-Empfeh-
lung ist so rasch wie überraschend geklärt,
Minuten später sitzen wir bei Cinzano Ver-
mouth und Campari Soda (7,50 Euro) über
einer Karte, die ebenfalls italienische Mo-


mente bereithält, ohne sich weiter festzule-
gen: Im Angebot sind auch französische
Merguez, japanisches Thunfisch-Sashimi,
Falafel-Bällchen, Salat Niçoise, Garnelen
mit Aioli sowie „Alpenschnitzel“. Das kann
man weltoffen nennen, vielleicht ist es aber
auch nur der Versuch, ein möglichst breites
Publikum anzusprechen. Die Gefahr ist,
dass so ein Angebot schnell beliebig wirkt.
Gastgeberin Carla Zimber öffnet für uns
eine Flasche vom 2017er Riesling „Schick
und Schön“ (35 Euro) der Winzerin Tina
Pfaffmann aus dem Frankweiler Königsgar-
ten. Ein guter Wein, goldgelb, mit Frische
und Charakter. Die kleine aber klar hand-
verlesene Weinkarte weist den Südpfälzer
aus als „wahren Allrounder, der zu allem
passt, was das Herz glücklich macht“ – bei
dem bunten Speiseangebot eine gute Wahl.
Der Gruß aus der Küche ist ein schöner
Auftakt: mit Linsen gefüllte Zucchiniblü-
ten mit reifem Parmesan, die Blätter umhül-
len zart die perfekt gegarten, mild gesäuer-
ten Linsen. Die Vorspeise des Menüs (drei

Gänge 48, vier Gänge 55 Euro), ein „Vitello
tonnato Türmchen auf Sommergrün“, ent-
puppt sich als Bauwerk aus transparent
dünnen Röstbrotscheiben mit zart rosa ge-
gartem Kalbsfilet-Roastbeef und klassi-
scher Thunfischsoße. Es thront auf einem
Berg Salat, der würzig mariniert ist. Klasse!
Beim À-la-carte-Tartar vom „Australia
Beef“ (15,50 Euro) ahnen wir, dass der rote
Faden in Adolf Zimbers Küche sich offen-
bar entlang der Stilistik schlängelt: Hier
wird knackig-frisch gekocht, üppig, poin-
tiert gewürzt. Das Tartar ist handgeschnit-
ten, das Wachtel-Spiegelei heiß, die bunten
Beeren im Salat, gerade in Kombination
mit Radieschen, sind Geschmackssache.
In einer Espresso-Tasse kommt ein hei-
ßes Krustentier-Schaumsüppchen, in sei-
ner süffigen Tiefe eine wunderbare Remi-
niszenz an die „alte Schule“, dazu ruhen auf
einem entbehrlichen Klecks modischer
Guacamole zwei knackig gebratene Garne-
len. Ähnlich kräftig ist die Würze der dunk-
len Soße zur hausgemachten Pasta mit Pfif-

ferlingen (15 Euro), die Nudeln haben guten
Biss, den Pfifferlingen fehlt es an Knack.
Vor dem Hauptgang schlendern wir in
den hinteren Teil des Hauses, zu jenen opu-
lenten historischen Sälen, die wir schon auf
der Homepage bestaunt hatten. Zum Gar-
ten öffnet sich eine tolle Terrasse, die an
warmen Abenden auch bespielt wird. Carla
Zimber erklärt, die Säle für 20 bis 200 Per-
sonen gehörten zum Kerngeschäft. Nur
hier kann man das traditionelle „Budden-
brook-Menü“ bestellen, das uns so interes-
siert hätte. Leider gibt es Kräuterrahmsup-
pe, Seezungenröllchen, Schinkenbraten
und Plettenpudding erst ab 20 Personen.
Ein Stück kulinarischer Stadtgeschichte
wird uns dann doch zuteil, Carla Zimber
führt kleine Flaschen vom Lübecker Rot-
spon. Diese Weine aus dem Bordeaux wur-
den schon im 16. Jahrhundert in Fässern
nach Lübeck verschifft, in der Hansestadt
auf Flaschen gezogen und gelagert. Der Lü-
becker Rotspon des Weinhandelshauses
Carl Tesdorpf überzeugt mit einer ausgewo-

gen würzig-fruchtigen Mischung aus Ca-
bernet Sauvignon, Grenache und Syrah
(24 Euro für 0,375 ml!). Die zwei papier-
dünnen Schnitzel dazu halten mit der Gü-
te der vorigen Gerichte nicht mit. Die „Al-
penschnitzel“ (31 Euro) sind trocken und
zu lange ausgebacken. Trendige Süßkar-
toffeln kommen hier als „Rösti-Pommes“
mit extra Panierung, Linderung verschaf-
fen der Zupfsalat und der fruchtige Pflau-
menketchup. Dass es besser geht, belegen
die fluffig ausgebackenen Involtini vom
Tiroler Kalbsfilet: zartes Fleisch unter
knuspriger Panier, cremig schmilzt der
Bergkäse, konfierte Kirschtomaten und
Rauke geben noch mehr Würze. Dazu sü-
ßes Gemüse aus leicht angedörrten Möh-
ren, herrlich intensiv und von feiner Chili-
Schärfe, das passt zu Limoncello-Sauce
und samtigem Kartoffelpüree, das klas-
sisch zur Rosette aufgespritzt und mit
knusprigem Lauch getoppt wurde.
Die Desserts sind von nachdrücklicher
Süße, es fehlt den Variationen von der Erd-
beere auch an Spannung, nichts kitzelt
oder fordert, während der mächtige Glas-
Cup Marsala-Prosecco-Sabayone „classi-
co“, mit Deko-Erdbeere und Show-Physa-
lis zu elf Euro, in seiner schieren Größe
überfordert. Die bunte Karte und die oft
üppigen Portionen lassen den Schluss zu,
dass man es hier vielen recht machen will
und dabei hier und da vergisst, dass man
ja schon viel richtig macht. Mit einem
schärferen Profil, dem Vertrauen ins eige-
ne Handwerk und vielleicht einer Prise
Lübecker Regionalität wären der Zim-
berei, gerade auch jenseits der Festsäle,
erheblich mehr Gäste zu wünschen.

Man sollte „Porridge“ nicht übersetzen.
Denn so landet man beim Haferbrei oder
-schleim und damit bei Not, Mangel, Wür-
gereiz und Omas Hausrezept für magen-
kranke Kinder – lauter Assoziationen also,
die diesem wunderbaren schottischen Ge-
richt noch nie gerecht wurden. Wenn er
hier auf der Karte steht, dann weniger, weil
der Herbst vor der Tür steht. Nein, viel wich-
tiger ist, dass die Obsternte im vollen Gan-
ge ist und Porridge mit fast allem, was an
Bäumen und Sträuchern wächst, ob roh
oder als Kompott, eine glückliche Freund-
schaft schließt. Besonders gut schmeckt er
mit Birne, Rosmarin, Honig und Haselnüs-
sen. Puristen kochen Porridge nur mit ge-
schrotetem Getreide, Wasser und Salz.
Aber wenn es nicht zu lange dauern soll, rei-
chen Haferflocken (etwa 40 g pro Portion),
die man mit Wasser und/oder Milch und ei-
ner Prise Salz bei milder Hitze cremig kö-
cheln lässt (umrühren!). In einem zweiten
Topf eine reife, geschälte, entkernte und in
schmale Scheiben geschnittene Birne mit
zwei Rosmarinzweigen, wenig Wasser und
etwas Honig so einköcheln lassen, dass die
Birne noch etwas Form behält. Birnenkom-
pott ohne Rosmarin unter den Hafer zie-
hen und mit gerösteten, gehackten Nüs-
sen bestreuen. Noch besser wird er mit ei-
ner Haube aus griechischem Joghurt und
rohen Birnenwürfeln. MARTEN ROLFF

von nora reinhardt

K


aum irgendwo machen Gastro-
nomen so viele Fehler wie auf
ihren Speisekarten. Die Gäste
merken das meist gar nicht,
ihnen fallen nur die gröbsten
Schnitzer auf, eine billige Laminierung
etwa, schlecht kombinierte Farben, Über-
setzungsfehler im Touristenmenü oder
die Ermüdung beim Studium von Wälzern
mit 15 Seiten. Dabei darf ein Gast schon
skeptisch werden, wenn er nicht weiß, was
er bestellen soll. Das könnte an der Speise-
karte liegen, denn die ist im Idealfall so
gestaltet, dass man sich angesprochen
fühlt. Ihre Macht ist subtil und größer, als
man glaubt. Und wohl keiner kennt sich da-
mit so gut aus wie der Amerikaner Gregg
Rapp, den schon dieNew York Timesbei
der Arbeit begleitete und den dasTime
Magazine den „Speisekarten-Zauberer“
nennt.
Gregg Rapp ist „Menu-Engineer“, ein
Beruf, für den es in Deutschland noch
nicht einmal einen Namen gibt. Wie ein In-
genieurbastelt, schraubt und tüftelt er an
Speisekarten: an ihrer Optik, an Formulie-
rungen, an der Länge des Menüs oder der
Kalkulation von Gerichten. Seit 36 Jahren
befasst Rapp sich nun mit Karten; es war ei-
ne Marktlücke, die ihn zum bekanntesten
Experten auf dem Gebiet werden ließ.
Gregg Rapp zählt vor allem große Ketten zu
seinen Kunden, er arbeitete für Subway, Ta-
co Bell, Chili’s, die Disney-Restaurants
oder für die Lokale der Intercontinental-
und Marriott Hotels. Immer geht es um die
Frage, wie sich der Gast am besten zurecht-
findet, damit er „das Richtige“ bestellt, und
„das Richtige“ sind natürlich jene Gerichte,
die am meisten Umsatz bringen. Für die Be-
ratung kleiner Läden verlangt der Amerika-
ner 5000, für Ketten bis zu 25 000 Dollar.
Ein Honorar, das sich lohnen soll: Für seine
Dienste garantiert Rapp ein Umsatzzu-
wachs von 1000 Dollar im Monat. „Mein Re-


kord liegt bei Mehreinnahmen von 18 000
Dollar monatlich“, sagt er, „es war ein Lokal
mit sehr vielen Plätzen, da addierte sich das
Plus schnell auf 600 Dollar pro Tag.“
Beim Menu Engineering werden zu-
nächst Verkaufszahlen mit Gewinnmargen
verglichen. Um die Aufmerksamkeit auf
profitable Gerichte zu lenken, „mache ich
als Erstes eine Analyse“, erklärt Rapp. Wel-
che Gerichte sind beliebt, welche Rohrkre-
pierer, unter welchem Essen kann sich der
Gast nichts vorstellen, welche Preise sind
zu hoch? Dazu nutzt er die Bilanzen der Res-
taurants, aber auch Datentechnologie wie
neue Apps, die in den USA zum Beispiel
Kreditkartenabrechnungen analysieren

und wichtige Informationen bieten: Hat
der Kreditkartenbesitzer vielleicht ein für
ihn ungewöhnliches Gericht bestellt – und
ist dann einige Wochen weggeblieben, ob-
wohl er eigentlich Stammkunde ist? Solche
Daten sind nützlich. Doch wenn er genau
wissen will, was Gästen schmeckt, dann hel-
fe nur eins, sagt Rapp: Sich in eine Arbeits-
uniform werfen, Mopp und Lappen zur
Hand nehmen und im Lokal durchwischen,
um unauffällig mit Leuten ins Gespräch zu
kommen. „Ich mag es, Tische abzuwischen
und mit Gästen zu plaudern, um herauszu-
kriegen, was sie wirklich denken“, sagt
Rapp. Würde ich dabei Krawatte und
Klemmbrett tragen, wäre es schwieriger.“
An deutschen Berufsschulen ist das The-
ma „Menu Engineering“ bis heute die Aus-
nahme, nur an wenigen Schulen wird es un-
terrichtet, etwa an der Hotelfachschule
Hamburg. Zu den wenigen professionellen
Menu Engineers aus Europa zählt die deut-
sche Hotelbetriebswirtin Brita Moosmann,
die vor allem in Nordamerika gearbeitet
hat. Sie sagt: „Viele Gastronomen widmen
ihren Speisekarten durchaus etwas Zeit,
konzentrieren sich dabei aber oft auf die
Kosten und nicht so sehr auf verkaufspsy-
chologische Aspekte.“
In den USA sind Fachleute wie Rapp die-
jenigen für die letzten Prozente; wenn die
Karte zwar fehlerfrei, aber noch nicht opti-
mal ist. Gregg Rapp sieht sich weniger als
Speisekartenzauberer, sondern als Mann
für Details, der mit psychologischen Prinzi-
pien arbeitet. Etliche seiner Annahmen
wurden inzwischen vom Culinary Institute
of America in Studien nachgewiesen. „Eine
schlechte Gesamtsituation kann ich mit
der Karte allein natürlich nicht ausbügeln“,
sagt er. Aber die häufigsten Fehler lassen
sich beheben, wenn man die folgenden sie-
ben Regeln von Rapp befolgt. Wieso sie-
ben? Das sei wie bei jeder Kategorie auf ei-
ner guten Speisekarte: Bis zu sieben Punk-
te könne der Mensch sich gut merken, da-
nach verliere er den Überblick.


  1. Die Gerichte müssen
    stimmen
    In Deutschland werden die Gerichte oft nur
    in „Renner“ (laufen super) und „Penner“
    (verkaufen sich schlecht) eingeteilt. Aber
    das klassische Menu Engineering ist diffe-
    renzierter, es kennt vier Kategorien an Ge-
    richten: stars, puzzles, plow horses and
    dogs, also Stars, Geduldsspiele, Zugpferde
    und Hunde. Konzentrieren sollte man sich
    als Gastronom auf die ersten beiden, denn
    sie sind lukrativ. „Stars“ sind Steaks in
    Steakhäusern oder Margaritas beim Mexi-
    kaner – Gerichte und Getränke, die populär
    sind. Sie müssen ausfindig gemacht und
    auf der Karte hervorgehoben werden, da-
    mit sie noch öfter verkauft werden. „Ein
    Merkmal der Stars ist, dass Gäste auf sie
    nicht preissensibel reagieren. Man kann
    den Preis erhöhen, Leute werden weiter in
    Scharen hereinströmen und sie kaufen“, so
    Rapp. Die „Geduldsspiele“ werden selten
    verkauft, bringen aber viel Profit: Hummer
    etwa. „Bei diesen Gerichten kann man den
    Preis etwas senken, um mehr zu verkaufen.
    Die „Zugpferde“ wiederum locken die Kun-
    den in den Laden. Salamipizza zum Bei-
    spiel oder ein Salat-und-Suppe-Mittagsan-
    gebot für 4,95 Euro. Nicht besonders renta-
    bel, aber streichen darf man diese Gerichte
    nicht. Und dann gibt es noch die trägen
    „Hunde“: wenig Marge und selten nachge-
    fragt. Die sollten von der Karte fliegen.

  2. Die Preise müssen
    zum Lokal passen
    Jede Art der Auspreisung hat eine bestimm-
    te Wirkung auf die Gäste. Der Trick sei, die
    richtige zu wählen, sagt Gregg Rapp: „Prei-
    se, die auf 99 Cent enden, sind schwierig.
    Sie wirken schnell so, als würde der Gast
    übers Ohr gehauen, der Anbieter erscheint
    nicht vertrauenswürdig.“ Preise auf 95
    Cent seien schon netter, suggerierten:
    Komm rein, hier wirst du glücklich. „Aber


bitte nicht in Hotels, denn dort wirkt das bil-
lig.“ Preise, die auf .00 enden, sagen dage-
gen: Wir sind cool. Solche Preise wirken
auch immer etwas versnobbt, was in man-
chen Läden ein Vorteil sein kann. Noch coo-
ler sind Preise, die gar keine Centangaben
haben. Nur „15“, das war’s.


  1. Dollar- und Euro-Zeichen
    stören nur
    Ob ausgeschrieben oder als €-Zeichen,
    Währungsangaben erinnern den Gast an
    „the pain of paying“ – den Schmerz des Zah-
    lens und werden daher immer zuerst gestri-
    chen. Studien zeigen, dass Gäste mehr kon-
    sumieren, wenn Währungsangaben fehlen.
    Zudem ist es besser, wenn Preise nicht
    rechtsbündig untereinander stehen, son-
    dern direkt nach der Beschreibung des Ge-
    richts. So ist es schwieriger, Essen anhand
    des Preises auszusuchen. Rapp ist für Kar-
    ten ohne Preise, wie es sie in den USA etwa
    in Country Clubs gibt oder in Europa in erle-
    senen Restaurants. „In Frankreich etwa
    gab es lange Lady-Karten – die sollte man
    wiederbeleben – natürlich ungegendert.“

  2. Der Gast darf nie
    überfordert sein
    Drei Posten pro Kategorie sind perfekt, die
    kann der Gast auf einen Blick erfassen, et-
    wa drei Spezial-Drinks. Bis zu sieben Pos-
    ten pro Kategorie sind in Ordnung, dann
    wird es zu viel. Der Kunde sollte nie überfor-
    dert werden. „Mein größter Flop war, als
    ich bei einer mexikanischen Kette mehr
    Aufmerksamkeit auf die Fajitas lenken
    wollte“, erzählt Gregg Rapp. „Ich habe die
    ganze Geschichte gelernt: Zum Beispiel,
    dass die Rancher früher statt eines Gehalts
    ein Stück Kronfleisch vom Rind bekamen.
    Dann habe ich das alles oben auf die Karte
    geschrieben.“ Das Ergebnis? „Die Fajitas
    wurden weniger verkauft als zuvor.“ Zu viel
    Historie. Rapp platzierte die Anekdoten


dann unterhalb der Fajitas auf der Karte.
„So rum hat es funktioniert!“


  1. Fotos und optische
    Tricks helfen
    Speisen, die ein Restaurant öfter verkaufen
    möchte, sollte es durch ein Foto oder eine
    Umrahmung hervorheben. „Ich persönlich
    ziehe Illustrationen vor“, sagt Rapp. Durch
    einen Rahmen um ein Gericht steige der Ab-
    satz um 30 Prozent. Aber: „Versieht man
    zwei Gerichte mit einem Rahmen, steigt de-
    ren Umsatz nur noch um je 15 Prozent.“

  2. „Omas Apfeltorte“ ist
    die beste
    Grundsätzlich verkauft sich alles besser,
    was „nach Omas Rezept“ hergestellt wird.
    Die Speisekarte hat eine lange Entwick-
    lung hinter sich. Zuerst beschrieb man nur,
    was den Gast erwartet. Dann wurde die Zu-
    bereitungsart wichtiger, die Rezepte nach
    Großmutter-Art zum Beispiel. Rapp ist
    überzeugt: „Die Zukunft der Karte wird
    sein, Geschichten zu erzählen, statt Zuta-
    ten zu beschreiben.“ Von welcher Weide
    kommt das Rind? Aus welchem Buch wur-
    de das historische Rezept ausgegraben?
    Was hat es mit dem Wirt zu tun? Der persön-
    liche Bezug wird immer wichtiger.

  3. Der Gast soll träumen


Auf jeder Karte gibt es ein teuerstes Ge-
richt: Einen besonders exklusiven Champa-
gner oder Angebote wie: „Mieten Sie das
Restaurant und backen Sie Ihre eigene Piz-
za“. Ein Wein für 10 000 Dollar zum Beispiel
ist auf angenehme Art albern und sollte un-
bedingt erhalten bleiben. Das Gehirn schüt-
tet Dopamin aus, der Gast wird beim Lesen
an- und aufgeregt, und ahnt, was alles noch
möglich wäre. Doch sollten in dem Lokal
dann auch einige Gäste verkehren, die sich
diese Flasche theoretisch leisten können.

GESCHMACKSSACHE


Porridge


In einem Satz:: Familiär
geführtesRestaurant mit
frischer, mediterraner
Küche, die ihr Potenzial
leider nicht ausschöpft.

Gregg Rapp gilt als
Amerikas bekanntester
„Menu Engineer“.
Er gestaltet Karten, etwa
die des Red Onion, so
um, dass der Gast möglichst
viel Geld im Laden lässt.
Das Bild ganz links zeigt die
Speisekarte, bevor Rapp
sie umgestaltete.FOTOS: PR

Qualität: ●●●○○
Ambiente:●●●●○
Service:●●●●○
Preis/Leistung: ●●●○○

60 STIL ESSEN UND TRINKEN Samstag/Sonntag, 31.August/1. September 2019, Nr. 201 DEFGH


Erfolg auf Bestellung


Der Einflussder Speisekarte auf den Gast ist enorm. Um ihre optimale Gestaltung kümmern sich heute Profis wie


der Amerikaner Gregg Rapp. Restaurants verspricht er ein Umsatzplus von 1000 Dollar pro Monat


FOTO: MAURITIUS

LOKALTERMIN


DieZimberei,gelegen in einem Kaufmannshaus aus dem



  1. Jahrhundert, gehört zu den ersten Adressen von Lübeck.


Wie gerne hätteStevan Paulin einem der imposanten


Festsäle im hinteren Teil des Restaurants gespeist. Doch


das „Buddenbrook-Menü“ mit Seezungenröllchen und


Plettenpudding wird nur für Gruppen ab 20 Personen


serviert. Kein Problem! Denn auch die Abendkarte bietet


viel Interessantes, kulinarische Stadtgeschichte inklusive.


Vielleicht ist das Angebot am Ende nur ein wenig zu groß

Free download pdf